Bouldergebiet Magic Wood: Gemeinde kündigt Pachtvertrag mit Familie Saluz

Im national und international bekannten und beliebten Bouldergebiet Magic Wood gehen die Wogen hoch. Die langjährige Pächterfamilie Saluz erhielt von der Gemeinde Ferrera die Kündigung. Was ist los im Averstal? Verliert das Bouldergebiet Magic Wood bald seinen Zauber? LACRUX hat mit Thomas Saluz und dem Gemeindepräsidenten Albert Rauch gesprochen.

Das Bouldergebiet Magic Wood gehört zusammen mit Cresciano, Chironico, Brione und dem Val Bavona zu den weltweit besten und beliebtesten Bouldergebieten. Entsprechend viele Leute besuchen das Gebiet im Averstal.

Als eines der wenigen Gebiete wurde im Magic Wood früh eine vernünftige Lösung für die nationalen und internationalen Gäste gefunden. War es anfangs ein einfacher Stellplatz, so stehen heute ein sympathischer und einfacher Campingplatz sowie das Gasthaus Edelweiss als Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung. Betrieben wird der Camping sowie das Gasthaus seit vielen Jahren von der Familie Saluz.

Familie Saluz: Engagiert und mit Verständnis für das Klientel

Thomas Saluz, Betreiber der Anlagen, ist selbst leidenschaftlicher Kletterer und weiss, was die Gäste wünschen.

Für uns war immer klar, wir wollen einen guten Service zu einem moderaten Preis anbieten, damit die Übernachtung auch für unsere zahlreichen internationalen Gäste erschwinglich ist.

Thomas Saluz

Die Preisstruktur und das Verständnis für die Bedürfnisse von Kletterinnen und Kletterern sind denn auch mitverantwortlich, warum man die Problematik mit dem Wildcampieren im Magic Wood in den Griff bekam. Thomas Saluz ist in der Schweizer Kletterszene ein Begriff und wird von allen geschätzt. Entsprechend überrascht ist man in der Kletterszene über den Entscheid der Gemeinde.

Bei jedem Magic-Wood-Trip war ich bei Thomas. Er und seine Familie sind einfach nur super!

Amerikanische Profikletterin Alex Puccio
Alex Puccio bei der Begehung des Magic-Wood-Klassikers New Base Line. (Bild Joel Zerr)

Überraschende Kündigung durch die Gemeinde

Wie Thomas Saluz im Gespräch mit LACRUX sagt, kam die Kündigung aus heiterem Himmel. Vor der Kündigung kam es weder zu einer Verwarnung noch zu einer Abmahnung seitens der Gemeinde.

Klar wurde da und dort bei Besichtigungen Kritik geäussert. Aber es kam nie zu einem richtigen Gespräch oder einer Abmahnung. Die Kündigung kommt für uns aus heiterem Himmel.

Thomas Saluz

Die Kündigung des Pachtvertrages durch die Gemeinde, welche Besitzerin der Anlagen ist, wurde ohne Begründung ausgestellt. Bei der Schlichtungsstelle hat Thomas Saluz eine Begründung eingefordert und Mitte Juni dann auch erhalten. Kritisiert werden verschiedene Punkte, darunter konkrete und weniger konkrete Argumente. Eine Begründung für die Kündigung sind mangelnde Hygiene und Ordnung.

Wir reinigen unsere Anlagen zweimal täglich. Hinterlässt jemand tagsüber ein Chaos oder die Toilette schmutzig, dann wird das natürlich erst abends gereinigt.

Thomas Saluz

Online Petition löst Welle der Solidarität aus

Aufgrund der überraschenden Kündigung lancierte der Schweizer Kletterer Martin Keller eine Online Petition, die die Gemeinde dazu auffordert, die Kündigung rückgängig zu machen. Innerhalb von 48 Stunden wurde die Petition von über 3’400 Personen unterzeichnet, über 1’000 Personen haben ihre Solidarität in Kommentaren ausgedrückt.

Ich bin überwältigt von der Solidarität der Kletterszene. Das freut mich natürlich sehr.

Thomas Saluz

Zu Wort gemeldet haben sich nationale und internationale Klettergrössen wie Fred Nicole, Giuliano Cameroni, Nalle Hukkataival, Chris Schulte, Alex Puccio, Tom Paul Randall, Bernd Zangerl und viele weitere. Die Meinungen der Unterstützer sowie die Bewertungen des Gasthauses und Campings sprechen eine andere Sprache, als die Gemeinde. Was sagt der Gemeindepräsident zur Situation?

Das sagt der Gemeindepräsident Albert Rauch zur Kündigung des Pachtvertrages im Magic Wood

Warum kommt es zur Kündigung des Pachtvertrages?
Vor drei Jahren wurde der Pachtvertrag mit Thomas Saluz verlängert. Damals war Thomas Saluz nicht einverstanden mit den seitens der Gemeinde gewünschten Änderungen des Vertrages. Unter anderem mit der Erhöhung des Pachtzinses. Die Schlichtungsstelle gab ihm damals Recht, sodass wir ihm einen tiefen Pachtzins gewähren mussten. Seit Beginn der Zusammenarbeit mit Thomas Saluz mangelt es an Kooperationsbereitschaft mit dem Gemeindevorstand. Weitere Gründe sind mangelhafte Hygiene und Ordnung im Camping Magic Wood. Die Betriebe werden nicht wie abgemacht geführt.

Einer der Gründe ist das fehlende Interesse, die Gemeinde und Region gemeinsam weiterzubringen. Was ist damit gemeint?
Verschiedene Investitionen müssen in naher Zukunft getätigt werden, um mit den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern des Gebietes umzugehen. Unter anderem müssen Parkplätze für Tagesbesucher geschaffen und eine Überführung zur Verbindung der beiden Camping-Bereiche realisiert werden. Diese Kosten lassen sich nur durch eine Erhöhung des Pachtzinses finanzieren. Gegen eine solche Erhöhung wehrt sich Thomas Saluz.

Wir müssen den Pachtzins erhöhen, um notwendige Investitionen zu finanzieren.

Gemeindepräsident Albert Rauch

Weiter wird kritisiert, die Kontrollen der Wildcamper durch die Pächter würde nicht mehr durchgeführt und die Polizei hätte aufgrund von falsch parkierten Fahrzeugen ausrücken müssen. Fallen diese Punkte in das Aufgabengebiet des Pächters?
In Artikel 9 des Pachtvertrages ist unter anderem vermerkt, dass der Pächter für die Pflege der gesamten Umgebung, des Parkplatzes und der Grünflächen zuständig ist. Dass der Pächter die Wildcamper kontrollieren muss steht nicht explizit im Vertrag. Die Gemeinde erwartet aber vom Pächter, dass er Wildcamper und falsch parkierte Fahrzeuge kontrolliert und anzeigt. Ich habe mit Thomas Saluz dieses Problem schon mündlich diskutiert und ihn aufgefordert die Wildcamper in der Umgebung des Magic Wood zu vertreiben.

Gemäss Thomas Saluz gab es weder eine Abmahnung noch eine Verwarnung seitens der Gemeinde. Was sagen Sie dazu?
Wir haben verschiedene Protokollauszüge der Diskussion zwischen ihm und der Gemeinde Ferrera der vergangenen Jahre. Er wusste, dass wir mit ihm in vielen Punkten nicht einverstanden sind. Er nimmt unsere Kritik offenbar nicht ernst.

Eine Petition wurde lanciert. 3’400 Personen haben die Petition innerhalb von 48 Stunden unterzeichnet. Über 1’000 Kommentare, durchwegs positiv, gingen ein. Die Solidarität in der Schweiz und weltweit für die Familie Saluz ist riesig. Was sagen sie dazu?
Ich habe gesehen, dass die Petition lanciert wurde.

Die Rückmeldungen der Gäste auf Bewertungsportalen sind mit sehr wenigen Ausnahmen positiv und decken das von der Gemeinde gezeichnete Bild nicht. Was sagen sie dazu?
Es ist mir bekannt, dass Besucherinnen und Besucher mit dieser Sauordnung einverstanden sind, ja sogar sagen, es sei sauber. Aber die hygienischen Bedingungen der Anlagen sind schrecklich.

Die hygienischen Bedingungen der Anlagen sind schrecklich.

Gemeindepräsident Albert Rauch

Offenbar drohen Preiserhöhungen, sollte es zu einem Pächterwechsel kommen. Was sagen sie dazu?
Ja. Die Preise müssen steigen. Die Investitionen, die wir tätigen müssen, können wir nur mit höheren Preisen finanzieren.

Werden Sie die Kündigung aufgrund der grossen Solidaritätswelle aus der Kletterszene zurückziehen?
Diesen Entscheid muss ich dem Gemeindevorstand überlassen. Wir haben uns im Gemeindevorstand lange unterhalten, ob wir den Pachtvertrag kündigen wollen oder nicht. Das war keine Nacht-und-Nebel-Aktion, es war keine einfache Entscheidung. Was weiter kommt, kann und ich will ich nicht sagen. Der Entscheid fiel Anfang des Jahres. Dann kam Corona. Wir kamen Thomas Saluz in dieser Zeit finanziell entgegen. Dann mussten wir aber kündigen, damit das Vertragsverhältnis per Ende Jahr aufgelöst werden kann.


LACRUX ruft zur Unterzeichnung der Petition auf

Wir bitten alle Kletterinnen und Kletterer um Unterzeichnung der Online Petition mit der Forderung an die Gemeinde Ferrera, die Kündigung des Pachtvertrages rückgängig zu machen.

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Credits: Titelbild Radoslaw Szabla

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