Der Bündner David von Allmen eröffnet ein weiteres Testpiece im Ostschweizer Bouldergebiet Murgtal: An unexpected journey (8b/+). Wir haben mit David über die Begehung gesprochen und zeigen weiter unten das Video über seine unerwartete Reise.
Wie bist du auf die Linie An unexpected journey gekommen?
Nachdem ich im Januar Netsuke von Fred Nicole wiederholen konnte, wollte ich mir eigentlich Very important Papagei (8b+) von Bernd Zangerl mal anschauen gehen. Dabei handelt es sich um den ersten Teil seiner grossartigen Linie Into the Sun (8c+ Trad), der mit einem Drop-Off bei einem Stand in der Mitte der Wand endet. Ich bin dann erschrocken wie schwer die Traversenzüge nach links in den Stehstart Namens Der Strahler (8a+) sind. Also habe ich mich entschieden erst mal den Stehstart zu klettern. Die Wand ist leicht überhängend und die Linie führt von wunderbaren Leisten über einen diffizilen Heelhook zu zwei nervenaufreibenden Schlusszügen in stattlicher Höhe.
Da der obere Wandteil oft nass war, habe ich parallel den direkten Sitzstart in die Wand genauer angeschaut. Dieser wurde mit einem Ausstieg nach rechts von Fred Nicole erstbegangen. Ein Linkup in den „Strahler“ schien mir möglich und logisch. Es stellte sich heraus, dass dieser Sitzstart nicht ganz simpel, aber in sich bereits ein geniales Boulderproblem ist.
Wie viele Versuche hast du in die Linie investiert?
Nach fünf oder sechs Sessions wurde auch der obere Teil trocken, was ernsthafte Durchstiegsversuche (im Stehstart) erlaubte. Der Strahler hat mich dann im oberen Teil einige Male abgeworfen, bevor ich mich Ende März bei einem Aufwärm-Go derart gut fühlte, dass ich den Boulder einfach durchzog. Der Stehstart an sich ist bereits eine Wahnsinns-Linie, quasi das Herz dieses Wandteils und der Linien die durch die Wand führen. Doch dieser Sitzstart liess mir dann einfach keine Ruhe, so dass ich noch ein paar weitere Sessions an dieser Wand verbringen durfte. In der Session vor der Begehung bin ich dann drei oder vier Mal vom Sitzstart bis in die obere Crux geklettert, wo mir der diffizile Heelhook immer wieder misslang und ich in die Pads gedonnert bin. Das hat mich aber jeweils nicht weiter beirrt, sondern hat stets Spass gemacht. Da ich den Stehstart bereits klettern konnte, wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Begehung gelingen würde. Meine Einstellung war, diese Zeit zu geniessen.
Wann hat es dann schlussendlich geklappt?
Am 6. April 2018 konnte ich zum Aufwärmen direkt den Stehstart wiederholen. Die Leichtigkeit mit der mir das gelang war absolut unerwartet. Kurze Zeit später gelang mir dann der Durchstieg von Eine unerwartete Reise (8b/+). Eine der besten Linien die ich bisher geklettert habe.
Auf welche sonstigen Begehungen beim Bouldern bist du besonders stolz?
Ich empfinde bei und auch nach Begehungen von besonderen Linien eher Freude als Stolz. Besonders die etwas höheren und spezielleren Linien sind Begehungen selten eine Einzelleistung. Ich habe meistens gute Leute dabei, die immer genügend Motivation, Spass und Crashpads mitbringen. Ohne die Energie dieser Gemeinschaft wäre alles schwieriger und für mich ist das Miteinander ein essentieller Bestandteil der Boulder-Erfahrung. Besonders Erstbegehungen sehe ich weniger als persönliche Errungenschaft, denn als Beitrag zur Boulder-Gemeinschaft.
Nennenswerte Beiträge wären dann aber wohl Erstbegehungen wie Samadhi, Tigris, Arkanum oder Circus Maximus (alle im Magic Wood).
Gibt es ein Gebiet, das dir besonders am Herzen liegt?
Einen Liebling unter den Bouldergebieten, die ich bisher besucht habe, habe ich eigentlich nicht. Ich schätze sie alle für ihre ganz speziellen Eigenheiten und versuche sie alle regelmässig zu besuchen. Der Magic Wood ist aber eindeutig das Gebiet, in dem ich die meiste Zeit verbringe. Es gibt kaum jemanden, der so viel Zeit in diesem Wald verbracht hat wie ich. Zum einen bestimmt weil das Gebiet für mich rasch zu erreichen ist (circa 30 Minuten) und ich dadurch regelmässig auch nach der Arbeit noch eine Session in einem meiner vielen Projekte geben kann. Zum anderen wegen den enormen Ressourcen an Boulder-Problemen in allen Stilen und Schwierigkeiten. Mich als Bewegungskünstler in diesem einzigartigen Stück Natur ausdrücken zu können bedeutet mir sehr viel.
Neuerdings hört man oft, vielleicht auch zutreffenderweise, die Bezeichnung „Action Wood“. Ich besuche den Wald nun schon ziemlich lange und für mich hat er nie die Magie verloren. Die Magie mag sich verändert haben, aber sie ist noch da. Anstatt über den Andrang zu jammern und dem Getümmel einfach fernzubleiben, versuchen wir Locals die Magie zu erhalten und den zahlreichen Besuchern aus der ganzen Welt näherzubringen. Nebst dem Spass am Bouldern sehe ich das auch als verantwortungsvolle Aufgabe!
Video über David von Allmen in An unexpected journey im Bouldergebiet Murgtal
Über David von Allmen
David von Allmen arbeitet in einem Teilzeitpensum als Software-Entwickler und verbringt so viel Zeit wie möglich in der freien Natur. So zählt er auch zu den aktivsten Locals, die sich für das Bouldergebiet Magic Wood engagieren. Aufgewachsen ist David im bündnerischen Obersaxen, bezeichnet sich selbst aber trotz Verbundenheit mit der Schweiz als Weltbürger. Seinen Ursprung definiert der 35-Jährige, wie er sagt, über seine Verbundenheit mit der Natur und nicht über die Staatsangehörigkeit.
Boulderführer Murgtal
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Credits: Bilder David von Allmen