Dürfen wir vorstellen: Die Schweizer Athletin Natalie Bärtschi

Im Bouldern gehört Natalie Bärtschi zu den besten der Schweiz. Die 23-Jährige hat nicht nur in Wettkämpfen bereits viel erreicht, auch am Fels macht Natalie mit schwierigen Routen wie The Arete with the Pocket (8a) oder Du Coté de Seshuan (7c+) von sich reden. Wir haben mit Natalie über ihr Leben neben dem Klettern, Olympia und dem Wettkampfdruck gesprochen.

Das Interview führte Jeannine Zubler

Natalie, wie bist du zum Klettern gekommen, warum hast du dich für diesen Sport entschieden?
Mit meiner Familie war ich schon als Kind viel draussen. Später kam ich durch Kinder Bergsteigen und die JO zum Klettern. Einer der J+S Leiter war Trainer vom Regionalkader Zürich und fand, ich solle mal an einem Wettkampf teilnehmen. So bin ich reingerutscht. Anfangs kletterst du ab und zu und plötzlich trainierst du vier, fünf mal pro Woche. Ich glaube,  so geht es vielen, man kann einfach nicht mehr aufhören mit Klettern.

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Ja das kennen wohl viele Kletterer. Trotzdem braucht es viel Motivation, um fünf Mal pro Woche zu trainieren. Woher nimmst du die?
Das Klettern am Fels motiviert mich sehr. Wenn ich eine Route erarbeite, die sich am Anfang unmöglich anfühlt und ich plötzlich merke, es geht doch. Es erfordert zwar immer mehr Aufwand und die Fortschritte werden kleiner, aber ich sehe einen konstanten Fortschritt, der mich antreibt. Und natürlich machen die Wettkämpfe viel Spass.

Was unterscheidet die Wettkämpfe klettertechnisch vom normalen Klettern?
Es sind oft sehr spezielle Bewegungen, die man am Fels oder in einer normalen Route in der Kletterhalle nicht findet. Das ist eine ganz andere Herausforderung. Diese Kombination aus Kraft, Gleichgewicht und Koordination macht die Wettkampfrouten speziell.

Natalie Bärtschi: Boulder-Athletin (Fotograf David Tomlinson)
Natalie Bärtschi (Bild David Tomlinson)

Wettkampf heisst auch Erwartungen und Druck – wie gehst du damit um?
Der Druck ist für mich die grösste Herausforderung bei den Wettkämpfen. Dieses Jahr war ich körperlich sehr fit. Weil ich das wusste, habe ich mir selber zuviel Druck gemacht. Ich hatte Mühe, meine Leistung richtig abrufen zu können. Es ist einfacher, wenn man keine Erwartungen hat. Sogar wenn man physisch vielleicht nicht ganz so fit ist, aber dafür psychisch stark, oder einfach locker. Ich finde es schwierig, in den richtigen mentalen Zustand zu kommen, um am Wettkampftag meine beste Leistung abrufen zu können.

Machst du Mentaltraining oder wie schaffst du das?
Nein. Ich versuche einfach locker an den Wettkampf zu gehen und Spass zu haben am Ganzen. So klappt es meistens.

Dann denkst du wahrscheinlich noch lange nicht ans Aufhören?
Ich will Wettkämpfe bestreiten solange es neben meinem Studium möglich ist. Wenn ich dann anfange zu arbeiten wird der Zeitaufwand wahrscheinlich zu hoch. Nationale Wettkämpfe oder Plauschwettkämpfe werden sicher noch drin liegen, aber Weltcupniveau wahrscheinlich eher nicht – aber ich lasse mich überraschen!

Dein Studium passt ja thematisch gut zum Klettern?
Ja genau. Ich studiere Chiropraktik an der Uni Zürich. Wenn alles glatt läuft bin ich in etwas mehr als eineinhalb Jahren fertig.

Warum hast du dich genau für dieses Studium entschieden?
Mich hat der Bewegungsapparat schon immer interessiert. Als ich dann selber bei einem Chiropraktiker in Behandlung war, stand die Entscheidung für mich fest.

Klettern ist bei den nächsten olympischen Spielen vertreten. Ist Tokio 2020 ein Thema für dich?
Nein. Es sind weltweit nur 20 Frauen, die teilnehmen dürfen. Ich schätze meine Chancen, mich zu qualifizieren, minimal ein. Ausserdem sagt mir das Format nicht besonders zu.

Du meinst damit das Kombiformat aus den drei Disziplinen Bouldern, Lead und Speed – was daran gefällt dir nicht?
Lead Klettern liegt mir nicht besonders. Ich müsste sehr viel investieren und ich glaube nicht, dass ich das Niveau erreichen würde. Ich möchte auch gar nicht alle drei Disziplinen trainieren.

Das heisst, du konzentrierst dich also hauptsächlich aufs Bouldern, lange Routen sind nichts für dich?
Ich gehe schon hauptsächlich Bouldern. Draussen am Fels machen mir aber auch lange Routen Spass. Ich möchte eigentlich gerne wieder öfter am Seil klettern. Leider fehlt die Ausdauer, wenn man nicht so oft geht. Ich gebe dann einmal Vollgas in einer Route und dann bin ich Müde für den Rest vom Tag (lacht).

Verrätst du unseren Lesern dein Lieblings Bouldergebiet?
In der Schweiz bin ich am liebsten in Brione, im Verzascatal. Landschaftlich ist es wunderschön da. Mein absoluter Favorit sind die Rocklands in Südafrika, sie sind ein Traum! Diesen Sommer waren wir bereits das dritte Mal da.

Das tönt spannend! Hast du ein Projekt in Südafrika?
Kein spezifisches. Wenn du an einen neuen Ort gehst, dann hat es so unendlich viele Felsen und Möglichkeiten, da läufst du jeden Tag an neue Projekte.

Gibt’s Führer für die Rocklands oder habt ihr welche geschrieben?
Es ist mittlerweile recht gross und bekannt, jetzt kommt dann bald der zweite Führer heraus. Jedes Jahr werden viele neue Linien erstbegangen. Mittlerweile ist es wirklich recht bekannt und es kommen immer mehr Leute.

Und wo trifft man dich beim Training unter der Woche?
Meistens im Minimum in Zürich, das ist sehr nahe von mir Zuhause. Manchmal bin ich im Milandia in Volketswil oder wenn ich am Seil klettern will im Griffig in Uster. Und wenn es schön ist natürlich draussen am Fels!

Vielen Dank für das Gespräch, Natalie.

 


Über die Autorin

Jeannine Zubler ist freischaffende Journalistin und Texterin. Sie verbringt jede freie Minute in den Bergen und beim Klettern. Sie schreibt über alles, was sich in der Vertikalen abspielt. www.jeanninezubler.com


 

Credits: Bild David Tomlinson

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