Karo Sinnhuber im Interview über ihren Höhenflug und den abrupten Stopp

Ganze 20 Tage hat die Österreicherin Karo Sinnhuber in den vergangenen zwei Monaten in der Schweiz verbracht und reihenweise Boulder im 8. Franzosengrad begangen. Bis sie sich eine Verletzung zuzog. Wir haben mit Karo über ihren Entscheid, sich vom Wettkampfzirkus zu verabschieden und ihre Erfolgswelle am Fels gesprochen.

Du hast dich vom Wettkampf-Zirkus verabschiedet und konzentrierst dich seither voll aufs Bouldern draussen am Fels. Warum?

Ich hatte eigentlich vor, diese Saison noch zu starten, und dann zu entscheiden, ob ich 2020 auch noch im Wettkampfgeschehen teilnehme. Um ehrlich zu sein, habe ich 2018 schon öfter mit dem Gedanken gespielt, das Wettkampfklettern zu lassen, und mich aufs Freie zu konzentrieren.

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„Es war irgendwie Zeit für etwas Neues.“

Für meine Entscheidung haben wohl mehrere Faktoren beigetragen, unter anderem der neue „Parcours/Zirkus-Wettkampfstil“ der Boulder, der mir nicht liegt und für mich persönlich einfach nichts mit dem Sport Bouldern zu tun hat. Ich nehme an Wettkämpfen teil, seit ich vier Jahre alt bin (also nun fast 20 Jahre Wettkampfgeschehen). Es war irgendwie Zeit für etwas Neues.

Karo Sinnhuber bei der Begehung von Entwash (8a) in Brione.

Durch die vielen nationalen sowie internationalen Wettkämpfe und die Trainingslager war ich an vielen Tagen beziehungsweise Wochenenden nicht daheim und hatte keine Zeit für Outdoorstuff, und natürlich konnte ich mich während der Vorbereitungsphase nicht so einfach für eine Woche in die Schweiz oder sonst wohin verabschieden. Daher war ich ziemlich an die Halle gebunden und konnte nur im Sommer während der Wettkampfpause im Freien abzocken – dieser Zeitraum war mir dann irgendwann zu kurz.

Du bist in jüngster Zeit dreimal ins Tessin gefahren. Was gefällt dir an den Gebieten im Süden der Schweiz?

Seit Ende Dezember verbrachte ich 20 Tage im Tessin. Meiner Meinung nach sind hier unter anderem die schönsten Boulder in ganz Europa. Der Fels ist einzigartig und das Wetter meistens ziemlich gut über die Wintermonate. Sonnenschein, niedrige Temperaturen und kein Schnee – was wünscht sich ein Kletterer mehr? Außerdem ist die Menge an Bouldern im Bereich 8a bis 8b schier unendlich.

Du hast reihenweise 8a-Boulder geklettert. Mit Walk the Line ist dir nun auch ein 8a+ Boulder gelungen. Dein Höhenflug hat nun ein jähes Ende gefunden. Was ist passiert?

Nach meinem Durchstieg von Walk the Line (WTL) bin ich noch zum „Teamwork“. Dank WTL hatte ich schon ein fettes Cut am rechten Zeigefinger, hab es dann abgetaped und trotz Schmerzen Teamwork ausgecheckt. Im Durchstiegs-GO hat dann der rechte Zeigefinger nachgegeben. Zuerst hoffte ich, dass das Tape eingerissen war oder das Cut größer wurde. Leider nein. Vorsichtshalber erklärte ich den Klettertag für beendet, da ich keinen einzigen Griff (weder Sloper noch Leiste) mehr angreifen konnte ohne Schmerzen.

Zwei Tage später war ich beim MRT und es stellte sich raus, dass ich die vordere Kapsel gezerrt habe. Bad news: dauert ewig – bis zu 6 Wochen oder länger, bis kein Schmerz mehr zu spüren ist. Good news: Ich war heute schon wieder trainieren! Manche Griffe kann ich sogar ganz normal nehmen, andere nur mit den hinteren 3 Fingern. Ich hoffe einfach, dass es keine 6 Wochen dauert, bis ich wieder crimpen und Griffe anschnappen kann.

Musst du eine Pause einlegen?

Pause…naja. Laut Doktor sollt ich mich „schonen“. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich mich nicht gern schone. Alles, was keine Schmerzen bereitet, ist meiner Meinung nach ok.

Video: Karo Sinnhuber bei der Begehung von Walk the Line

Welche Boulder hast du noch im Kopf?

Delusion of Grandeur! Den hab ich schon soooo lang im Kopf, aber irgendwie komm ich nie hin um ihn erneut auszuchecken. Wird dann wohl im Herbst endlich soweit sein. Die Temperaturen sind enorm angestiegen die letzten Tage. Bei 20 Grad ist die Motivation zum schwer klettern eher nicht so groß, außerdem schmiert die Haut und die kleinen Leisten bohren sich so unangenehm in die Fingerspitzen.

„Delusion of Grandeur! Den Boulder hab ich schon soooo lang im Kopf.“

Weitere Boulder, die noch auf der To-Do-List stehen: Miss Schweiz (8a), Teamwork (8a), Freak Brothers (8a+), The Great Shark Hunt (8b), Shadowfax (8b), Franks Wild Years (8a+). Zu viel zu tun, zu wenig Zeit und wahrscheinlich noch ein bisschen zu schwach. Aber das kann man ja ändern.

Über Karo Sinnhuber

Karoline Sinnhuber ist am 22. Mai 1995 geboren und klettert seit sie vier Jahre alt ist. Da ihre Eltern selbst Kletterer sind, war sie schon früh am Fels. Zurzeit lebt Karo in Innsbruck, wo sie auch studiert. Nach zwanzig Jahren Wettkampfzirkus hat sie sich kürzlich entschieden, nicht mehr an internationalen Wettkämpfen teilzunehmen und sich stattdessen aufs Bouldern am Fels zu konzentrieren.

Schwere Begehungen am Fels

8b Charity Bouldern – Silvretta (AUT)
8b Skiroute Project – Silvretta (AUT)
8b Fragile Steps – Rocklands (RSA)
8a+ Nutsa – Rocklands (RSA)
8a+ Tea with Elmarie – Rocklands (RSA)
8a+ Drischiebl – Zillertal (AUT)
8a+ Machine Gun – Sustenpass (SUI)
8a+ Freerunner – Silvretta (AUT)
8a+ High Voltage – Felbertal (AUT)
8a Flash Unterholz – Zillertal (AUT)
8a Flash Pretty Belinda – Silvretta (AUT)

Resultate an Wettkämpfen

15. Platz am Weltcup in Vail (CAN) 2015
11. Platz am Weltcup in München (GER) 2015
5. Platz am Weltcup in Chongqing (CHN) 2016
13. Platz am Weltcup in Navi Mumbai (IND) 2016

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Credits: Bilder zVg, Titelbild Claudia Ziegler

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