4 Ratschläge für dein Training von Natalie Bärtschi

Natalie Bärtschi bestritt mit elf Jahren ihren ersten Kletterwettkampf und wurde auf Anhieb Zweite. Auf den Anlass folgte die Aufnahme im Regionalkader Ostschweiz und damit ein immer intensiveres Training. Wir freuen uns, dass Natalie hier auf LACRUX ihre persönliche Formel für ein ausgeglichenes und motivierendes Klettertraining verrät.

Natalie Bärtschi
Nach meinen ersten Kletterversuchen im Alter von 7 Jahren war ich mehrheitlich am Fels unterwegs. Ob Sportklettern, Mehrseillängen oder Klettersteige, Hauptsache draussen in der Natur. Mit 11 Jahren nahm ich an meinem ersten Wettkampf teil und begann regelmässig und leistungsorientiert zu trainieren. Aus einmal Training pro Woche wurde schnell mehr und ich verbrachte unzählige Stunden im Zug, um dreimal wöchentlich mit dem Regionalkader Ostschweiz in Zürich zu trainieren. In der Nähe meiner Heimat im Kanton St. Gallen gab es damals noch keine entsprechende Infrastruktur.

Wenn die Motivation beim Training nachlässt

Meine Leistungen erlaubten mir den Besuch eines Sportgymnasiums in Zürich und mein ganzes Leben drehte sich mittlerweile nur noch ums Training. Diese Tatsache empfand ich nie als störend und ich freute mich immer aufs Klettertraining. Zuvor hatte ich einige andere Sportarten ausprobiert, konnte mich aber kaum für die jeweiligen Trainings begeistern. Mit dem Klettern war das ganz anders, ich konnte gar nicht genug kriegen. Doch es gab auch eine Zeit der Zweifel. Die internationalen Jugendwettkämpfe liefen nicht nach Plan und trotz enormem Trainingsaufwand stagnierten meine Leistungen. Ich war nicht weit davon entfernt aufzugeben und alles hinzuschmeissen.

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Zwischen Plastik und Fels

Glücklicherweise fing ich an, wieder vermehrt draussen zu klettern und realisierte schnell, dass meine Leidenschaft fürs Klettern nie verloren gegangen ist, vielmehr mein Vertrauen ins Training. Beim Klettern geht es um so viel mehr als nur um Wettkämpfe und Schwierigkeitsgrade. Selbst wenn ich meine Wettkampfkarriere irgendwann einmal beende, werde ich nicht mit dem Klettern aufhören. Niemals. Dafür liebe ich diesen Sport viel zu sehr. Diese Einsicht hat meine Trainingseinstellung grundlegend verändert. Anstatt mich mit spezifischen Übungen abzumühen, kletterte ich einfach so oft und so schwer wie möglich. Ich konzentrierte mich auf die vielen Gründe, welche für mich die Faszination am Klettern ausmachen: die Bewegungsvielfalt, draussen sein, die Community, das Gefühl wenn man ein Projekt abhaken kann. All dies half mir meine Stärken und Schwächen zu entdecken und ich habe gelernt auf meinen Körper zu hören. Plötzlich war auch der Erfolg wieder da. Rückblickend ist das wahrscheinlich der Hauptgrund, warum mein Trainer diese Form von Training unterstützt hat, anstatt mir einen fixen Trainingsplan aufzubrummen. Für dieses Verständnis und Vertrauen bin ich ihm unglaublich dankbar und auf dieser Basis können wir noch heute aufbauen.

Das Gleichgewicht zwischen Training und Klettern

Mit dem Beginn meines Studiums in chiropraktischer Medizin an der Universität Zürich wuchs mein Verständnis für den menschlichen Körper und somit auch mein Interesse am Training. Langsam begann ich wieder regelmässig und einigermassen strukturiert zu trainieren. Nicht weil ich musste, sondern weil ich wollte. Ich war an einem Punkt angelangt, wo mich Klettern allein nicht mehr weiterbrachte. Um mich weiter zu verbessern, musste ich konkret an meinen Schwächen arbeiten, vor allem meine Fingerkraft liess einiges zu wünschen übrig. Wahrscheinlich wollte ich zu schnell zu viel und wiederholte kleine Verletzung hielten mich davon ab, mein Potential voll auszuschöpfen. Natürlich wusste ich, dass Ausgleichs- und Stabilisationsübungen wichtig sind, doch erst da wurde mir bewusst, welch wichtige Rolle sie auch in der Verletzungsprävention spielen. Nachdem ich diese kleinen aber trotzdem frustrierenden Verletzungen hinter mich gebracht hatte, genoss ich das Klettern wieder in vollen Zügen. Einfach sein Bestes geben zu können, ohne Wenn und Aber, fühlte sich unglaublich gut an. Daraus resultierten einige schwere Begehungen am Fels und ein 14. Platz beim Boulderweltcup in München. Mein bestes Wettkampfresultat überhaupt! Meine Motivation ist höher als je zuvor und ich habe endlich mein Gleichgewicht zwischen Training und Klettern gefunden.

4 Trainings-Ratschläge von Natalie Bärtschi

  1. Auf seinen Körper hören – Erholung ist ein essentieller Trainingsbestandteil und dein Körper signalisiert dir ziemlich gut, wann eine Pause angebracht ist.
  2. Ausgleichsübungen sind Teil des Trainings – Sie sollten nicht nur nebenbei gemacht, sondern direkt ins Training integriert werden. Meine Schulterübungen gehören fix zu meinem Aufwärmprogramm und ich versuche zusätzlich etwa zweimal wöchentlich gezielt Ausgleichsübungen zu machen.
  3. An seinen Schwächen UND an seinen Stärken arbeiten – An meinen Schwächen zu arbeiten beinhaltet meist Übungen, die ich nicht sehr gerne mache, weil ich sie nicht gut kann. Aber nur so wird man stärker und die Fortschritte sind oft umso erfreulicher. In meinen Augen ist es jedoch fast genau so wichtig, seine Stärken aufrecht zu erhalten. Es stärkt das Selbstvertrauen und verschafft dir einen Vorteil im Wettkampf oder auch am Fels. Anbei meine drei Lieblingsübungen sowie meine „Hassübungen“. Komischerweise repräsentieren die Übungen ziemlich genau meine Stärken und Schwächen 😉
    1. Favorites: Campus, Muscle-Ups, Box-Jumps
    2. Dislikes: statisches Belasten, Blockieren/Verharren, Ausdauer
  4. Spass haben! Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Punkt. Training kann sehr anstrengend und ermüdend sein, doch auch die langweiligsten Übungen können Spass machen mit jemandem der deine Leidenschaft teilt. Mindestens einmal pro Woche gehe ich immer noch einfach frei Klettern und mache wozu ich gerade Lust habe, ab und zu auch mal nur in Turnschuhen. Das diesjährige Aufbautraining war ziemlich intensiv aber ich freue mich über die Fortschritte und auch wenn Muskelkater zurzeit mein ständiger Begleiter ist, kann ich das nächste Training kaum erwarten!


Credits
Text: Natalie Bärtschi – onsight.ch, Bild: © Vladek Zumr

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