Gianluca Vighetti: 9a im Alter von zwölf Jahren – ist es Weltrekord?

Der Italiener Gianluca Vighetti wiederholt die Route TCT in Gravere und beansprucht damit den Titel des jüngsten 9a-Kletterers für sich. Doch ist dem so? Erst im Juli hatte Landsmann Andrea Chelleris mit seiner Begehung von Pure Dreaming für Schlagzeilen gesorgt – auch er ist 12 Jahre alt.

Wenige Tage vor seinem 13. Geburtstag gelang dem Italiener Gianluca Vighetti der Durchstieg der Route TCT in Gravere. „Noch habe ich es nicht realisiert, dass ich als jüngster Mensch der Welt eine 9a gemacht habe“, schreibt er zu seinem Erfolg auf Instagram.

“Noch habe ich es nicht realisiert, dass ich als jüngster Mensch der Welt eine 9a gemacht habe.”

Gianluca Vighetti

TCT ist eine Kombination der beiden Routen L’ Extrema Cura (8c)  und Base jump (8b+). 2014 wurde sie erstmals von Stefano Ghisolfi geklettert, der die Route über vier Jahre hinweg versuchte. Die erste Wiederholung erfolgte wenig später durch Adam Ondra – und zwar erstaunlich schnell. Ondra gelang die Route onsight.

Drei Jahre später legte Alexander Megos nach: auch er schaffte TCT onsight, womit es die einzige 9a-Route der Welt ist, welche zwei Onsightbegehungen aufweist. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb TCT schon vor Vighettis Begehung eine denkwürdige Route war. Die drei Buchstaben stehen für die Initialen des 2013 tragisch verunglückten Jungtalents Tito Claudio Traversa.

Gianluca Vighetti bei einem weiten Abgang vom TCT-Umlenker.

Wer hat den Rekord?

Erst vor wenigen Wochen vermeldeten wir die Rekordmeldung des jüngsten 9a-Kletterers. Auch da handelte es sich um einen 12-jährigen Italiener – allerdings um Andrea Chelleris, der die Route Pure Dreaming kletterte. Stellt sich nun die Frage, welcher der beiden italienischen Youngsters den Titel für sich beanspruchen darf?

Weltrekord: 12-jähriger Andrea Chelleris klettert Pure Dreaming (9a)
Weltrekord? Der 12-jähriger Andrea Chelleris kletterte Pure Dreaming (9a) im vergangenen Juli.

Ganz so klar ist das nicht. Andrea Chelleris ist nämlich ein halbes Jahr jünger als Vighetti. Er hat Pure Dreaming im Alter von 12 Jahren und 4 Monaten geklettert. Demgegenüber hat Vighetti TCT wenige Tage vor seinem 13. Geburtstag geschafft – wäre also zum Zeitpunkt seiner 9a-Begehung über ein halbes Jahr älter als Chelleris.

Allerdings handelt es sich bei TCT um eine bislang bestätigte 9a, während Pure Dreaming schon mehrfach auf 8c+ abgewertet wurde – unter anderen von Alexander Megos, der beide Routen geklettert ist. Insofern dürfte Vighetti den Titel des jüngsten 9a-Kletterers wohl zu Recht für sich beanspruchen.

Hommage an Tito Traversa

Die Idee zur Kombination der beiden Routen, welche zusammen die Linie TCT ergeben, stammte von Walter Vaghetti – dem Vater des aktuellen Bezwingers. Er war es, der Stefano Ghisolfi 2010 auf das Projekt hinwies.

Während Ghisolfi die Kombination projektierte, beobachtete er einmal den damals 11-jährigen Tito Traversa im ersten Teil der Route. „Ich war sehr beeindruckt ab seinen Fähigkeiten“, erinnert sich Ghisolfi an seinen jungen Landsmann, welcher als eines der grössten Klettertalente galt.

Mit seinen elf Jahren meisterte Traversa bereits den Grad 8b+ und 8b onsight, ehe er 2013 bei einem fatalen Kletterunfall starb. Im französischen Klettergebiet Orpierre stürzte er aus 25 Metern auf den Boden und erlag seinen Verletzungen.

Stefano Ghisolfi bei der Erstbegehung von TCT

Freud und Leid

Der tödliche Sturz war darauf zurückzuführen, dass seine Expressschlingen falsch zusammengebaut waren: anstatt in die Schlingen waren die Karabiner bloss in die Gummischlaufen eingehängt, welche ein Verdrehen der Karabiner verhindern sollen. 8 von 10 Expressschlingen waren falsch montiert und hielten der Belastung nicht stand.

Tito Traversa beim Klettern. Eine exemplarisch falsch zusammengebaute Expressschlinge (links).

In einem späteren Prozess wurden fünf Erwachsene wegen Totschlages angeklagt, darunter auch der Hersteller der Gummibänder. Verurteilt wurde letztlich nur ein Instruktor, der beim Kletterunfall zugegen war. Er verbüsste zwei Jahre Haft, da er die Ausrüstung nicht kontrolliert hatte.

Ausgerechnet die nach Tito Traversa benannte Route ist nun mit dem Rekord des jüngsten 9a-Kletterers verknüpft. Freud und Leid des Kletterns sind in den drei Buchstaben TCT vereint.

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Credits: Diego Borello

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