Wie wirkt sich der Klettersport aufs Klima aus?

Die 28-jährige Lena Marie Müller kletterte im März 2020 als erst vierte Frau das Trad-Testpiece Prinzip Hoffnung. Angereist ist Lena meist mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Im heutigen Gastbeitrag geht sie der Frage nach, wie sich unser liebster Sport auf das Klima auswirkt und regt zum Nachdenken an.

Ein Beitrag von Lena Marie Müller

Wie wirkt sich unsere Liebe zu den Bergen auf das Klima aus? Und was können wir tun, um diesen Prozess zu verändern?

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Es ist so unangenehm wie einfach: Je mehr wir Klettern, je mehr wir Bergsteigen, je mehr wir zum Bouldern, Skifahren und Wandern fahren, desto schlechter ist es für unsere Umwelt. Unser Klima erwärmt sich hauptsächlich aufgrund unseres hohen Verbrauchs fossiler Brennstoffe(1), z.B. durch den Verkehr und die Produktion von Industriegütern. Um die Risiken, die mit dieser globalen Erwärmung verbunden sind, zu verringern, ist es unumgänglich, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen.

Dies kann nur durch eine drastische Reduzierung der Kohlenstoffemissionen erreicht werden(2). Je mehr wir uns jedoch für unsere Outdoor-Sportarten begeistern, desto mehr reisen wir und benötigen Ausrüstung, und tragen damit zur globalen Erwärmung bei.

Vom Sinn und Unsinn der CO2-Kompensation

Den klimaschädlichsten Beitrag leisten wir mit unseren Sportarten vermutlich durch die Emissionen, die wir produzieren, wenn wir zum Klettern und Bergsteigen fahren. Wenn wir unseren Bergsport nicht aufgeben wollen, aber dennoch ökologisch nachhaltig leben möchten, müssen wir unseren CO2-Fußabdruck verringern. Dies können wir z.B. erreichen, indem wir die Kohlenstoffemissionen unserer Fahrten kompensieren, beispielsweise durch das Pflanzen von Bäumen. Bei diesem sogenannten „Kohlenstoff-Ausgleich“ wird das CO2, das wir durch das Autofahren oder Fliegen in die Atmosphäre freisetzen, von Bäumen aufgenommen – je mehr Bäume gepflanzt werden, desto mehr Kohlenstoff wird aufgenommen und desto besser ist es für das Klima(3).

Dieser Kohlenstoff-Ausgleich wird oft kritisiert, da man sich immer noch umweltschädlich verhalten kann und lediglich sein Gewissen beruhigt. Dies mag zwar zutreffen, ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass der Kohlenstoff-Ausgleich auch das Bewusstsein für die durch Reisen verursachten Emissionen erhöhen und folglich zu einem verringerten Fußabdruck führen kann. Tatsächlich ist es jedoch von Nachteil, dass es mehrere Jahrzehnte dauert, bevor die Bäume den emittierten Kohlenstoff aufnehmen. Daher ist es besser, Emissionen von Anfang an zu vermeiden.

Velo, Fahrgemeinschaften, ÖV und regionale Kletterspots

Es gibt andere Optionen die wir deshalb nutzen müssen, um unseren CO2-Fußabdruck zu verringern. Wir könnten zum Beispiel auf das Fliegen verzichten oder während eines Wochenendtrips oder Urlaubs in einem Klettergebiet bleiben, anstatt in viele verschiedene Gebiete zu fahren. Darüber hinaus können wir unseren Fußabdruck verringern, indem wir zu nahe gelegenen Klettergebieten fahren, Fahrgemeinschaften bilden oder – idealerweise – öffentliche Verkehrsmittel nutzen und Fahrrad fahren. Auch wenn dies einfach klingt, heißt das nicht, dass es in der Praxis leicht ist.

Für die Begehung des Trad-Testpieces Prinzip Hoffnung reiste Lena meist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an. (Bild Johannes Ingrisch)

Lässt es sich in einem anderen Lebensbereich ökologischer Handeln?

Wie gehen wir also damit um? Ich persönlich glaube, dass wir als Kletterer sehr gut darin sind, an einem Prozess festzuhalten und an unseren Schwächen zu arbeiten, sei es, um einen bestimmten Berg zu besteigen, eine bestimmte Route zu klettern oder ein Trainingsprotokoll zu absolvieren.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Verringerung unseres Fußabdrucks nicht nur als Verpflichtung, sondern auch als Chance erlebt werden kann.

In diesem Prozess kann jeder von uns versuchen, sich ständig zu verbessern. Ich betrachte unseren individuellen Beitrag zum Klimawandel gerne als „persönliches Emissionskontingent“. Dieses Kontingent kann für alle Aspekte unseres Lebens verwendet werden. Wenn wir etwas tun, das einen großen Teil dieses Kontingents verbraucht, sollten wir in anderen Bereichen reduzieren. Wenn wir beispielsweise nicht bereit sind, weniger mit dem Auto zum Klettern oder Bergsteigen zu fahren, könnten wir dies als Chance sehen, Emissionen in einem anderen Bereich zu vermeiden.

Dies scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein, verschiedene Aspekte unseres Lebens zu überdenken und neu zu bewerten. Es bedeutet, nach Alternativen in anderen Bereichen zu suchen: wir können beispielsweise unsere Ernährung ändern (saisonal und regional essen, weniger Fleisch konsumieren), unser Konsumverhalten überdenken (nachhaltige Kletterausrüstung und -kleidung kaufen, kaputte Kleidung oder Ausrüstung reparieren) oder uns politischer engagieren (Klimabewegung, Wahlen).

Mit Sack und Pack auf den Weg zum Klettergarten. (Bild Johannes Ingrisch)

Schritt für Schritt

Ich glaube wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir anfangen uns darüber auszutauschen was wir an unserem Verhalten ändern können. Unsere Leidenschaft für diese Sportarten kann zu einem großen Motivator für die Erhaltung und den Schutz der Natur werden, in der wir so viel unserer Zeit verbringen. Dies ist unsere Chance, nachhaltige Lösungen für unseren Lebensstil angesichts des Klimawandels zu finden.

Am Ende des Tages läuft es auf die Frage hinaus, was wir bereit sind, in unserem Leben zu verändern.

Aber vielleicht geht es dabei nicht nur um radikale Veränderungen oder drastische Entscheidungen. Vielleicht geht es vielmehr um kleine Veränderungen, die immer noch eine große Wirkung haben und die wir gerne tun. Und die wir daher wieder und wieder in unseren Alltag integrieren.


Über die Autorin

Die 28-jährige Lena Marie Müller promoviert derzeit an der Universität Innsbruck im Bereich Ökologie über die Auswirkungen des Klimawandels. Im März 2020 kletterte sie das selten begangene Trad-Testpiece Prinzip Hoffnung von Beat Kammerlander in Bürs, welches sie fast immer mit dem Zug von Innsbruck aus erreichte.


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Quellenangabe

1: IPCC, 2013: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 1535 pp.
2: IPCC (2018) Summary for Policymakers. In: Global warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, 32 pp.
3: Bastin, Jean-Francois; Finegold, Yelena; Garcia, Claude; Mollicone, Danilo; Rezende, Marcelo; Routh, Devin et al. (2019): The global tree restoration potential. In: Science 365 (6448), S. 76–79.

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Credits: Bildmaterial Johannes Ingrisch. Dieser Artikel erschien erstmals in englischer Fassung auf planetmountain.com

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