Macht die Sanierung von Oliana überhaupt Sinn? | Chris Frick im Interview

Seit ein Grossbrand im Sommer 2022 über Oliana hinweggefegt ist, ist es ruhig geworden um das weltbekannte Klettergebiet. Eine Handvoll Locals und eingefleischter Kletterinnen und Kletterer nimmt sich der Herkulesaufgabe an, das einstige Weltklasse-Klettergebiet zu altem Ruhm zurückzuführen. Ist das überhaupt möglich? Wir haben mit Chris Frick über die langwierige Restaurierung von Oliana gesprochen.

Kletterferien in Spanien werden für gewöhnlich mit angenehmen Temperaturen, bestem Fels und einem relaxten Tagesrhythmus in Verbindung gebracht. Seine letzten «Ferien» in Katalonien hat Chris Frick damit verbracht, mit einem Hammer auf Fels einzudreschen, Asche abzutragen und neue Bohrhaken zu setzen.

Wir haben mit dem Schweizer Kletterurgestein über seine Motivation gesprochen, beim Wiederaufbau von Oliana mitzuwirken, über die lokale Klettercommunity sowie über die Zukunft des Klettergebiets Oliana.

Flashback: Im Sommer 2022 steht das Klettergebiet Oliana in Flammen

Chris, du hast im Dezember drei Wochen im Klettergurt gehangen und in Oliana auf Fels gehämmert. Warum machst du das?

Ich engagiere mich aus mehreren Gründen für den Wiederaufbau von Oliana. Ich mag das Gebiet sehr gerne, es hat einen kletterhistorisch hohen Wert und ich empfinde die Community dort als extrem angenehm. Seit der Hype um das Klettergebiet etwas nachgelassen zu haben scheint, ist es nicht mehr so überlaufen, was mir sehr entgegenkommt.

«Als es im Sommer dann brannte, hab ich gesagt: Hey Leute, wenn ihr Hilfe braucht, werde ich kommen.»

Chris Frick
Chris Frick beim Einbohren im vom Brand gezeichneten Klettergebiet Oliana. Bild: Nils Ohlendorf Photography
Chris Frick beim Einbohren im vom Brand gezeichneten Klettergebiet Oliana. Bild: Nils Ohlendorf Photography

Zudem habe ich letztes Jahr Mind Control für mich entdeckt und die Linie zu projektieren begonnen. Es ist eine der schönsten Routen, die ich kenne. Gleichzeitig sind mir die alten Haken aufgefallen. Also habe ich die Route saniert, das war noch vor dem Brand. Als es dann Anfang Sommer brannte, habe ich gesagt: Hey Leute, wenn ihr Hilfe braucht, werde ich kommen.

Kurz nach dem Brand kursierten Videos, wie von Hand ganze Felsschichten abgelöst werden konnten. Wie muss man sich die Sanierung vorstellen?

Ich sass die meiste Zeit im Klettergurt und hab mit einem Hammer auf den Fels eingedroschen. Die erste Route, die ich im Dezember anging, war eine beliebte Aufwärm-7a im linken, stark betroffenen Wandteil. Wir haben zu viert mehrere Tage lang auf die Route eingehämmert und konnten sie tatsächlich retten. Das ist schon ein schönes Gefühl.

Befindet sich denn unter den spröden Schichten wieder fester Fels?

Oliana wird immer als Kalkriegel betrachtet. Es handelt sich aber gar nicht um einen reinen Kalkfels, sondern um Konglomerat mit einer dünnen Patina aus Kalk darüber. Erstaunlich ist, wie gut die meisten Griffe der Hitze standgehalten haben. Jedoch ist es teilweise recht dreckig. Asche auf dem Felsen verwandelt sich zu Humus. Man hat den Eindruck, dass Erde in den Löchern steckt.

Routes-Cleaning--30
Jorg Verhoeven bricht sprödes Gestein ab. Dahinter kommt festes Konglomerat zum Vorschein. Bild: Emile Pino Photography

Macht es so eine aufwändige Sanierung überhaupt Sinn?

Ja, zumal dies gleich die Möglichkeit ist, das ganze Gebiet sicherer zu machen. Es bestand schon vor dem Brand der Eindruck, dass gerade in der unteren Wandhälfte die besagte Patina oft nicht gut mit dem Felsen darunter verbunden war und bestimmte Schuppen nicht vertrauenserweckend erschienen. Gerade letzte Woche hat Jorg Verhoeven in den Einstiegsbereichen von Marroncita und Picos Pardos massive Schuppen rausgebrochen.

Hält man sich die Bilder vom grossflächigen Brand vor Augen, ist es erstaunlich, wie unterschiedlich das Feuer den Felsriegel getroffen hat. Alternierend gibt es Bereiche, die sehr stark beschädigt sind – mit schwarz gebrannten Bolts und massiv bröseliger Felsoberfläche – sowie Abschnitte, die kaum tangiert wurden.

So stark hat der Grossbrand das Klettergebiet getroffen: Rot: schwer betroffene Zone, orange: stark betroffene Zone, gelb: weniger (aber doch) betroffene Zone, weiss: Situation unklar. Grafik: Chris Frick
Auswirkungen des Grossbrandes auf den berühmten Felsriegel in Oliana: Rot: schwer betroffene Zone, orange: stark betroffene Zone, gelb: weniger (aber doch) betroffene Zone, weiss: Situation unklar. Grafik: Chris Frick

Wie gehst du vor, wenn du bekannte Klassiker sanierst?

Bei American Hustle beispielsweise habe ich die Erstbegeher darüber informiert, jedoch keine Rückmeldung erhalten. Dann handle ich einfach. Bei Mind Control hatte ich Chris Sharma gefragt und er war sofort mit der 1:1-Sanierung einverstanden.

«Diejenigen, die für die Sanierung eine Bohrmaschine in die Hand nehmen, sind gefordert, Entscheide zu treffen, wie dies auch Erstbegeher tun

Chris Frick

Ich persönlich finde, dass das Feuer die Situation derart verändert hat, sodass zum Beispiel ein aus ethischen Gründen ständiges Rückfragen an Ersterschliesser fast übertrieben ist. Zeit ist ein kostbares Gut und wenn nur wenig davon zur Verfügung steht, ist man zu Entscheidungen gezwungen.

Bei China Crisis ist noch die Antwort offen, ob in der Mitte der Route ein Griff re-sikatiert werden muss oder es rechts davon eine neue, immerhin mögliche aber härtere Variante geben soll. Dies hat dann Einfluss auf die Schwierigkeit der Route. Und diejenigen, die für die Sanierung eine Bohrmaschine in die Hand nehmen, sind gefordert, Entscheide zu treffen, wie dies auch Erstbegeher tun.

Derzeit engagiert sich eine Handvoll engagierter Kletterinnen und Kletterer für den Wiederaufbau von Oliana. Bild: Emile Pino Photography
Derzeit engagiert sich eine Handvoll engagierter Kletterinnen und Kletterer für den Wiederaufbau von Oliana. Bild: Emile Pino Photography

Kannst du das genauer erklären?

Ich persönlich finde es vermessen zu sagen, dass ausnahmslos nach Vorgabe der Erstbegeher saniert werden muss. Denn das würde ja bedeuten, dass Erstbegeher grundsätzlich Personen sind, die bei der Positionierung eines Bolts nie Fehler machen. Das kann nicht sein.

Mit Erfahrung und gesundem Menschenverstand ist es sinnvoll beim Sanieren zu überlegen, ob ein Haken versetzt werden muss, beispielsweise, wenn überlange Exen darauf hinweisen, dass alle Wiederholer von einer anderen Stelle klippen, als ursprünglich vorgesehen. Zum Glück ist die ursprüngliche Position der Bolts meist korrekt und Runouts bleiben solche, zumal diese entstehen, weil man nicht klippen kann.

«Ich persönlich finde es vermessen zu sagen, dass ausnahmslos nach Vorgabe der Erstbegeher saniert werden muss. Denn das würde ja bedeuten, dass Erstbegeher grundsätzlich Personen sind, die bei der Positionierung eines Bolts nie Fehler machen. Das kann nicht sein.»

Chris Frick

Bei alpinen Mulitpitch-Routen mit einem historischen Wert, welche von unten kommend eingerichtet wurden und jeweils den Standard ihrer Zeit repräsentieren, ist es aber fast schon zwingend, im Sinne der Erstbegeher zu sanieren. Es gibt bezüglich des Sanierens aber noch ein weiteres Problem.

Welches?

Die Frage, wer denn überhaupt bereit ist, etwas zu machen. Und das ist ein bisschen typisch für die Kletterszene, sag ich mal. Auch Locals selber haben mir bestätigt, dass von vielen Kletterern – darunter auch so manche Erstbegeher – zwar viel geschwatzt und versprochen, jedoch dann kaum etwas gemacht wird.

Entsprechend finde ich: Wenn du schon vor Ort bist und dich engagierst, dann musst du die wenige Zeit auch nutzen und hast damit auch das Recht einfach mal zu machen. Keine Angst, es wird schon gut gemacht, denn wer hat schon Lust, sich bei mieser Ausführung der Sanierung die Wut der ganzen Kletterwelt auf sich zu ziehen? Schön ist zu sehen, dass Locals wie Dan, Svana, Nico, Toni, Bobby und Willi und andere sich bereits mit grossem Engagement an die Putzarbeit und an das Ersetzen von Fix-Exen gemacht haben. Zusätzliche Manpower ist dabei gefragt. 

Svana Bjarnason eine der treibenden Kräfte hinter der Sanierung des Klettergebiets Oliana. Bild: Emile Pino Photography
Svana Bjarnason ist eine der treibenden Kräfte hinter der Sanierung des Klettergebiets Oliana. Bild: Emile Pino Photography

Wer finanziert den Wiederaufbau von Oliana?

Alles wird selbst finanziert durch Spenden und Eigenmittel. Und das erscheint mir das Verheerende. Abgesehen von der Sanierung von Mind Control, welche Mammut letzten Februar unterstützte, kam bis Neujahr von den Kletterfirmen wenig bis nichts. 

Svana Bjarnason hat einen Fond zur Rettung von Oliana ins Leben gerufen, den sie akribisch verwaltet. Ich kann aus eigener Erfahrung garantieren, dass jeder Rappen und Eurocent direkt der Sanierung zugutekommt.

Sehr schöne Zeichen haben Private gesetzt, die sich spontan bereit erklärten, die Sanierung von zum Beispiel American Hustle komplett zu übernehmen. Oder Peter Lappas von Lappasclimbinbolts, der von Griechenland aus 100 Bolts spendierte. Das ist gelebte Community und Zeichen von Kletterleidenschaft.

Eine verschmorte Express-Schlinge als Symbol der Zerstörung in Oliana. Bild: Chris Frick
Eine verschmorte Express-Schlinge als Symbol der Zerstörung in Oliana. Bild: Chris Frick

Was ist deine Einschätzung: Wie lange dauert es, bis Oliana wieder zum Klettern freigegeben werden kann?

Das ist abhängig von der Manpower. Bis Neujahr war ich der Einzige, der eine Bohrmaschine in die Hand genommen hatte. Gewisse würden dies gerne tun, wissen jedoch nicht wie. Während meiner Abwesenheit im Januar brachte Lolo aus Frankreich seine Bohrmaschine mit. Ich bin gespannt zu sehen, was in der Zwischenzeit alles gegangen ist. Aber wenn die Unterstützung nicht grösser wird, dauert das noch Jahre.

«Wenn die Unterstützung nicht grösser wird, dauert das noch Jahre, bis in Oliana wieder gefahrlos geklettert werden kann.»

Chris Frick
Chris Frick: «Hier sind alle so happy. Diesen Satz habe ich in Oliana immer wieder gehört. Diesen offenen Geist zu behalten und zu pflegen, wäre doch wunderbar.» Bild: Emile Pino Photography
Chris Frick: «Hier sind alle so happy. Diesen Satz habe ich in Oliana immer wieder gehört. Diesen offenen Geist zu behalten und zu pflegen, wäre doch wunderbar.» Bild: Emile Pino Photography

Und das wäre definitiv sehr schade. Oliana trägt für mich diesen offenen Geist, wie dieser in den 70ern im Camp 4 oder 86 bis 93 in Buoux anzutreffen war. Hier sind alle so happy. Diesen Satz habe ich in Oliana immer wieder gehört. Diesen offenen Geist zu bewahren und zu pflegen, wäre doch wunderbar.

Das könnte dich interessieren

Gefällt dir unser Klettermagazin? Bei der Lancierung von LACRUX haben wir entschieden, keine Bezahlschranke (Paywall) einzuführen. Das wird auch so bleiben, denn wir möchten möglichst viele Gleichgesinnte mit News aus der Kletterszene versorgen.

Um zukünftig unabhängiger von Werbeeinnahmen zu sein und um dir noch mehr und noch bessere Inhalte zu liefern, brauchen wir deine Unterstützung.

Darum: Hilf mit und unterstütze unser Magazin mit einem kleinen Beitrag. Natürlich profitierst du mehrfach. Wie? Das erfährst du hier.

+++

Credits: Titelbild Emile Pino Photography

Aktuell

James Pearson: «Das war mein krassester Highball»

Hart am Limit: James Pearson wiederholt den berüchtigten Highball 29 Dots und kommt dabei erschreckend Nahe ans Limit.

Alex Megos eröffnet Kletterhalle | Frankenjura Academy

Teileröffnung der Frankenjura Academy: Ab heute kann in der Kletterhalle von Alex Megos in Forchheim geklettert werden.
00:20:25

Ist Rhapsody (E11) die gefährlichste Route der Welt?

Magnus Midtbo kehrt mit Dave MacLeod zu einer seiner imposantesten Erstbegehungen zurück: Rhapsody (E11, 7a).

Yannick Flohé klettert mit Lazarus (9a+) seine bislang schwerste Route

9a+ auf der Durchreise: Yannick Flohé gelingt am Schiefen Tod im Frankenjura die Begehung von Lazarus in gerade Mal 4 Go's.

Newsletter

Abonniere jetzt unseren Newsletter und bleibe immer auf dem laufenden.

James Pearson: «Das war mein krassester Highball»

Hart am Limit: James Pearson wiederholt den berüchtigten Highball 29 Dots und kommt dabei erschreckend Nahe ans Limit.

Alex Megos eröffnet Kletterhalle | Frankenjura Academy

Teileröffnung der Frankenjura Academy: Ab heute kann in der Kletterhalle von Alex Megos in Forchheim geklettert werden.
00:20:25

Ist Rhapsody (E11) die gefährlichste Route der Welt?

Magnus Midtbo kehrt mit Dave MacLeod zu einer seiner imposantesten Erstbegehungen zurück: Rhapsody (E11, 7a).