Trotz Leichenfund am K2 – Winterversuch bleibt ein Mysterium

Beim Versuch die zweite Winterbesteigung des K2 zu schaffen, sind die drei Bergsteiger Ali Sadpara, John Snorri und Juan Pablo Mohr letzten Februar verschollen. Jetzt sind die Leichen gefunden worden. Fest steht, dass die drei im Abstieg starben. Standen sie zuvor auf dem Gipfel? Und was wurde ihnen zum Verhängnis?

Als das Dreiergespann am Nachmittag des 5. Februars nicht mehr ins Hochlager zurückkehrte, musste mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Das Wetterfenster begann sich zu schliessen, die Winde nahmen zu und die Temperaturen fielen unter minus 50 Grad am K2-Gipfel. In den folgenden Tagen gab es keine Lebenszeichen von Ali Sadpara (Pakistan), John Snorri (Island) und Juan Pablo Mohr (Chile). Aufwendige Sucharbeiten wurden gestartet, sogar ein Kampfjet der pakistanischen Armee zog Kreise um den K2 – doch die drei waren spurlos verschwunden.

Am Leben waren sie da mit Sicherheit nicht mehr, kurz darauf wurden sie offiziell für tot erklärt. Vielleicht waren sie mit einer Lawine in den Abgrund gerissen oder gar vom Gipfel weggeblasen worden, so die Hypothesen. Möglicherweise würde man die Leichen nie finden, waren sich Experten einig. Dass sie nun im Rahmen der Sommerbesteigungen gefunden würden, mitten auf der normalen Route – damit war insofern nicht zu rechnen.

Mitten auf der Route

Gegen Mittag des 26. Juli erreichte der ukrainische Begführer Valentyn Sypavin Lager 4 und blickte zum sogenannten „Bottleneck“, dem berüchtigten Flaschenhals, den die Bergsteiger unterhalb des Gipfels queren müssen. Sofort seien ihm zwei ungewöhnliche schwarze Punkte aufgefallen, schreibt er in einem detaillierten Bericht auf explorersweb.com. Er hätte sich mit hundert Metern Seil auf den Weg gemacht, um die Fixierungsarbeiten der Sherpas zu unterstützen, die sich bereits dem Bottleneck näherten. Auf der Schulter oberhalb von Lager 4 angekommen, entdeckte er einen gelben Stofffetzen. „Ich hatte das Gefühl, dass das kleine Stück Stoff, das aus dem Schnee ragte, an etwas Grösserem befestigt sein könnte“, schreibt er.

Oberhalb von Lager 4 angekommen, fiel Valentyn Sypavin ein gelber Stofffetzen auf.

Seine Vermutung bestätigte sich. Er grub nur so lange, bis ihm klar war, dass er einen toten Bergsteiger gefunden hatte. Bald stand fest, dass es sich um Juan Pablo Mohr handelte. Die beiden schwarzen Punkte im Bottleneck sollten sich als die Leichen von Ali Sadpara und John Snorri herausstellen.

Am Fixseil gefangen

Alle drei befanden sich zum Zeitpunkt ihres Todes offenbar im Abstieg. Darauf deutet zum Beispiel der Abseilachter hin, mit dem Ali Sadpara am Fixseil hängend gefunden wurde. John Snorri war zwar nur mit einem Karabiner am Seil befestigt, doch auch das ergibt Sinn – es ist bekannt, dass er sich oft im Stile der Sherpas an Fixseilen abliess: nur mit einem Karabiner eingehängt, das Seil bremsend um die Hand gewickelt.

Die Situation, in der sich John Snorri’s Körper befand, beschreibt Sypavin sehr detailliert und liefert einen möglichen Hergang. Demnach könnte dem Isländer das Fixseil zum Verhängnis geworden sein, aus dem er sich wegen völliger Erschöpfung nicht mehr befreien konnte. Der Leichnam hing unterhalb der letzten Verankerung im durchhängenden Seil. Sypavin vermutet, dass der Isländer nicht mehr die Kraft hatte, sich hochzuziehen und seinen Karabiner am nächsten Abschnitt des Fixseils anzuhängen. „Er hätte zum Schneeanker klettern müssen. Das wären etwa drei Meter auf den Frontzacken den Eishang hoch, ohne Jumar.“

Dass Juan Pablo Mohr deutlich weiter unten war als Sadpara und Snorri, könnte laut Sypavin bedeuten, dass er vorauseilte und auf seine beiden Begleiter wartend erfror. Einen Absturz des Chilenen schliesst er aus, weder Körperhaltung noch Material hätten entsprechende Anzeichen aufgezeigt. Als möglicherweise fatalen Umstand führt Sypavin den Start von Lager 3 auf ca. 7330 Metern an.

Einen Absturz des Chilenen schliesst Sypavin aus, weder Körperhaltung noch Material hätten entsprechende Anzeichen aufgezeigt.

Normalerweise treten Bergsteiger den Gipfelvorstoss von Lager 4 auf 7850 Metern an. Das rettende Zelt war auf dem Abstieg also weiter weg. „Ich denke, wenn es in Lager 4 ein Zelt gegeben hätte, hätte Juan Pablo Mohr eine Überlebenschance gehabt“, schreibt Sypavin in seinem Bericht. Für ihn steht fest, dass die drei an Erschöpfung starben. „Es gab keine Stürze und kein Geheimnis. Der K2 ist im Winter ein schwieriger, hoher Berg.“

Für Sypavin steht fest, dass die drei Alpinisten an Erschöpfung starben.

Standen sie auf dem Gipfel?

Auf der Suche nach Antworten waren diesen Juli auch Sajid Sadpara und Elia Saikaly am Berg. Der kanadische Bergsteiger und Filmemacher Saikaly begleitete die beiden Sadparas – Vater Ali und Sohn Sajid – und Snorri schon letzten Winter mit der Kamera, er sollte den Versuch der Winterbesteigung festhalten. Während Sajid die Suche nach seinem vermissten Vater antrieb, geht es für Saikaly auch um die Vollendung seines Films. Aus eigenen Mitteln finanzierte er grösstenteils die Expedition, in deren Rahmen er nun fünf Tage mit Sajid am Berg verbrachte und davon einiges auf Instagram kund tat.

„Es war kaum zu glauben, was ich filmte. Sajid stand auf einem eineinhalb Meter breiten Absatz mit dem Abgrund unter sich und teilte seine Gefühle mit, als er seinem Vater von Angesicht zu Angesicht wieder begegnete“, resümiert er den Moment, als sie zur Leiche von Ali Sadpara vorstiessen. Auch als sie etwas weiter oben bei John Snorri ankamen und nach dessen Habseligkeiten suchen, hielt er mit der Kamera drauf.

„Sajid verbrachte über 15 Minuten damit, in Johns Taschen und Stiefel zu greifen, in der Hoffnung die entscheidenden Gegenstände zu finden. Irgendwann zog er sein Messer heraus und begann Johns Kleidung zu zerschneiden (…) Ich dokumentierte fliegende Federn als er triumphierend das wichtigste Element herauszog: die GoPro. Was würde es verraten?“

Verschiedentlich wurde in den Medien spekuliert, dass die drei Bergsteiger den Gipfel erreichten, ehe sie starben. Vor allem Daten eines letzten Kontakts mit John Snorri’s Handy wurden ins Feld geführt. Angeblich gab es dabei eine Geolokalisierung am Gipfel, klare Fakten fehlen aber bis jetzt. Insofern waren die Hoffnungen gross, dass nun eine Kamera oder ein GPS-Gerät der Opfer, Klarheit schaffen würde.

Ein einziges Bild

Der GoPro war indes nicht viel zu entlocken – zumindest vorläufig. Die Dateien darauf waren allesamt beschädigt bis auf ein einziges Bild. Es zeigt die Beine eines Bergsteigers in gelb-schwarzem Daunenanzug, wie ihn John Snorri und Juan Pablo Mohr trugen. Entscheidender dürfte das gelbe Fixseil sein, in welchem der Bergsteiger eingehängt ist. Dieses wurde von den Nepalesen während ihres Gipfelvorstosses am 16. Januar verlegt. Prompt meldete sich Nirmal Purja, das Gesicht des nepalesischen Erfolgs um die erste K2-Winterbesteigung, auf den Beitrag. Er wisse genau, wo diese Stelle sei, gab er sich ebenso geheimnisvoll wie nichtssagend.

Saikaly hält fest, dass die Arbeit weitergehe. Man springe zu keinen voreiligen Schlüssen, wonach die drei auf dem Gipfel standen.

Fest steht, dass Ali Sadpara, John Snorri und Juan Pablo Mohr für immer am K2 bleiben werden. Mithilfe eines bolivianischen Bergsteigers brachte Sajid seinen Vater bis hinab auf die Schulter und begrub ihn nach islamischem Ritual. John Snorri und Juan Pablo Mohr wurden an der Fundstelle belassen.

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Credits: Titelbild Team Ali Sadpara, Bericht auf Explorersweb

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