Billi Bierling: An ihr führt für Expeditionen kein Weg vorbei

Billi Bierling arbeitet seit fast zwanzig Jahren für die Himalayan Database, das Archiv der legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley. Sie ist bekannt dafür, mit ihrem Fahrrad durch die lebhaften Strassen von Kathmandu zu kreuzen, um Expeditionsbergsteiger aus aller Welt zu befragen. In ihrem Buch erzählt sie von der Faszination des Expeditionsbergsteigens im Himalaya und ihrem Einsatz für die Menschen in Not.

Billi Bierling ist seit 2004 für die von Elizabeth Hawley gegründete Himalaya-Datenbank tätig. 2016 hat sie das Zepter von der legendären Himalaya-Chronistin übernommen. Wenn die in Garmisch-Partenkirchen geborene Kosmopolitin nicht gerade in Nepal ist, um Expeditionsteams zu interviewen oder selbst Berge zu besteigen, arbeitet sie als Kommunikationsexpertin für die Humanitäre Hilfe der Schweiz.

Im Februar ist ihr Buch «Ich hab ein Rad in Kathmandu» erschienen. Monika Resler hat mit Billi Bierling über Elisabeth Hawley, die Himalayan Database und ihre Leidenschaft für die höchsten Berge der Welt gesprochen.

Billi Bierling, was hat Deiner Meinung nach die grosse Prominenz von Elisabeth Hawley begründet?

Miss Hawley hatte Autorität. Sie war pragmatisch und mit dem zufrieden, was sie hatte und was und wie sie war. Ich bewunderte ihre nüchterne, sehr realistische Art. Sie trauerte nie vergangenen Zeiten nach und antwortete auf Metaphern wie «der arme Mount Everest braucht mal eine Pause» mit: «Warum sollte der Everest eine Pause brauchen? Er ist ein grosser schwarzer Fels und mehr nicht.»

Sie war ehrlich, hatte niemals das Gefühl, jemanden beeindrucken zu müssen, und hatte auch keine Angst, dass man sie vielleicht nicht mag. Manchmal wünsche ich mir, ein wenig mehr von ihr zu haben.

Welchen historischen Stellenwert hat die Himalayan Database heute noch – wie siehst Du ihre Zukunft?

Ich denke, die Himalayan Database wird ihren historischen Stellenwert niemals verlieren. Zu Miss Hawleys Zeiten war sie das einzige Archiv, das die Pionierarbeit vieler Bergsteiger und Bergsteigerinnen aufgenommen hat.

Die Art der Besteigungen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten sehr verändert und wir sehen viele Menschen an den höchsten Bergen, die keine Alpinisten mehr sind. Es liegt mir fern, das zu verurteilen, denn es ist eine Entwicklung, die wir auch in den Alpen sehen.

Allerdings ist es bei den kommerziellen Expeditionen, die ihre Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit viel Flaschensauerstoff und Sherpas auf die Berge bringen, die gleichen Plätze für ihre Lager benutzen und oft mit dem Helikopter zum Basislager fliegen, nicht mehr so interessant, die Einzelheiten aufzunehmen.

Seit 60 Jahren dokumentiert die Himalayan Database sämtliche Expeditionen in Nepal. Bild: Alex Treadway
Seit 60 Jahren dokumentiert die Himalayan Database sämtliche Expeditionen in Nepal. Bild: Alex Treadway

Welche gegenwärtigen alpinistischen Leistung im Himalaya können dich beeindrucken?

Ich erwähne immer wieder die drei Ukrainer Nikita Balabanov, Mikhail Fomin und Viacheslav «Slava» Polezhaiko. Sie haben im Herbst 2021 den Südostgrat der 7555 Meter hohen Annapurna bestiegen. Es war eine wahnsinnige Leistung und es dauerte gewiss vier Stunden, um die ganzen Einzelheiten dieser Besteigung von ihnen zu erfahren.

Du bist auf sechs der vierzehn Achttausender gestanden. Welche Rolle spielt bei solchen Besteigungen noch der Charakter und die Natur des Berges, geht es um den Gipfel oder auch um den Weg dorthin?

Es mag sich vielleicht unglaubwürdig anhören, aber der Gipfel ist für mich immer das Sahnehäubchen. Ich geniesse es auf Expedition zu sein, am Basislager zu leben, am Morgen aus dem Zelt zu schauen und den Berg zu sehen, den ich besteigen will, einfach weg zu sein vom gewöhnlichen Alltag.

Expeditionen sind ein fixer Bestandteil im Leben von Billi Bierling. Bild: Alex Treadway
Expeditionen sind ein fixer Bestandteil im Leben von Billi Bierling. Bild: Alex Treadway

Es ist wunderbar, sich dem Berg langsam anzunähern, ihn über Wochen kennenzulernen, sich an ihn heranzutasten und während den Akklimatisierungsphasen immer höher zu kommen.

Ich gehe nie mit der Erwartung auf eine Expedition, dass ich den Gipfel erreiche. Ich habe auch keine Angst, mein Gesicht zu verlieren, wenn ich wieder umkehren muss und nicht auf den Gipfel komme.

So eine Expedition ist eine wunderbare Reise, die natürlich den Höhepunkt erreicht, wenn man am Gipfel stehen darf – aber wenn nicht, dann war die Reise genauso schön!

Billi Bierling auf dem Gipfel des Mount Everest. Bild: Billi Bierling
Billi Bierling auf dem Gipfel des Mount Everest. Bild: Billi Bierling

70 Jahre nach der Erstbesteigung des Everest was hat dieses Ereignis für Land und Leute damals bedeutet und wie geht es ihnen heute damit?

Als Tensing Norgay Sherpa und Edmund Hillary vor genau 70 Jahren auf dem höchsten Punkt der Welt standen, wusste noch niemand, wie sich das Expeditionsleben entwickeln würde.

Ich denke, für die Sherpas sowie für das ganze Land ist der Expeditionstourismus sehr wichtig.

Die Sherpas in der Everest Region hatten den grossen Vorteil, dass Edmund Hillary aus Dank für ihre Hilfe am Mount Everest Schulen in der Region gebaut hat. So bekamen die Sherpas in der Everest Region bereits vor vielen anderen Bildung, die sie aber auch sehr gut nutzten.

In meinem Buch beschreibe ich sehr ausführlich die Entwicklung der Sherpas und die Tatsache, dass nun gewiss 60 Prozent des Expeditionsgeschehens in den Händen einheimischer Agenturen liegen – was ich als sehr positive Entwicklung ansehe!


Wer Billi Bierling live erleben will, hat am Freitag, 31. März 2023 die Chance dazu. Im Alpinen Museum in Bern erzählt die Expertin fürs Höhenbergsteigen von Extremalpinisten und Flüchtlingen, der Arbeit mit Miss Hawley oder ihrer Arbeit für Menschen in Kriegs- und Katastrophengebieten. Unter den Lacrux-Community-Mitgliedern verlosen wir 3×2 Tickets für diesen Event.

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Credits: Titelbild David Göttler

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