Damit die Fรผsse an der Wand bleiben, braucht es Kletterschuhe mit einer soliden Sohle. Und in dieser steckt wesentlich mehr, als man denkt. Wir haben das schwarze Material genauer angeschaut und zeigen euch, wie Schuhhersteller zur perfekten Gummimischung kommen.
Ein Beitrag von Fabian Reichle โ Bรคchli Bergsport
Kletterschuhe wirken auf den ersten Blick simpel: Obermaterial, Verschlusssystem, glatte Sohle. Bei nรคherer Betrachtung kristallisieren sich ergonomische Eigenschaften wie Asymmetrie, Vorspannung und Downturn heraus, welche die Passform beeinflussen. Und wer das Schuhwerk noch detaillierter unter die Lupe nimmt, wird mit kryptisch anmutenden Sohlenbeschreibungen konfrontiert.
Namhafte Hersteller werben mit XS-Grip 2, Trax SAS, RH, Edge oder FriXion. Spรคtestens jetzt dรผrften Laien den รberblick verloren habenb. Alles nur Marketing? Teilweise ja. Aber die ominรถsen Titel haben durchaus ihre Berechtigung, denn jede Gummimischung, die offensichtlich einen technischen Namen trรคgt, hat spezifische Eigenschaften, die sie von anderen unterscheidet.
Chemische Prozesse und Tรผftelarbeit
Um zu verstehen, was die schwarze Beschichtung an Kletterschuhen ausmacht, mรผssen wir zuerst einige Begrifflichkeiten klรคren. Diesbezรผglich ist es wichtig zu verstehen, was Gummi รผberhaupt ist. Unterschieden wird zwischen natรผrlichem und industriellem Gummi. Ersterer ist ein Pflanzensaft. Letzterer gehรถrt zur Gruppe der Kunststoffe, die formfest, jedoch elastisch verformbar sind – sogenannte Elastomere.
Gummi wird in einem chemischen Verfahren namens Vulkanisierung hergestellt. Industrieller Gummi ist zu 97 Prozent erdรถlbasiert. Mit den restlichen drei Prozent werden mittels chemischer Zusรคtze die mechanischen Eigenschaften definiert: Klebrigkeit, Abrieb, Elastizitรคt und so weiter. Und noch ein Stoff findet sich im Gummi: Industrieruss, der zur Verstรคrkungswirkung beigemischt wird. Daher รผbrigens auch die pechschwarze Farbe des Materials.
Und eine weitere Erkenntnis: Industrieller Gummi ist definitiv kein nachhaltiges Produkt. Als europรคische Basis fรผr die Mischung im Gummi dient der REACH Standard, der die chemische Zusammensetzung fรผr industrielle Prozesse reguliert.
Summa summarum definieren also ein Spielraum von drei Prozent sowie chemische Nuancen รผber Reibung, Abrieb, Dichte und Hรคrte der Kletterschuhsohle und damit auch รผber deren Beschreibung. Was nach wenig klingt, ist dennoch ein langwieriges Verfahren.
Das weiss Martin Waibel, Leiter der Kletterschuh-Entwicklung bei Red Chili, bestens und beschreibt es an einem aktuellen Kletterschuh-Modell: ยซDas Design stand in einem Monat, hinter der perfekten Gummimischung steckten jedoch drei Jahre Arbeit.ยป
Eine Frage des Einsatzes
Es fรคngt damit an, dass รberlegungen zum Einsatzbereich des Kletterschuhs gemacht werden mรผssen. So wird laut Waibel ein Mietschuh fรผr Kletterhallen mit langlebigem Gummi versehen. Ein Highend-Produkt hingegen benรถtigt mehr Klebrigkeit fรผr satteren Halt. Damit verbunden ist ein hรถherer Abrieb, wodurch der Zerschleiss schneller vonstatten geht. Die Krux ist es, die perfekte Balance zu finden.
Gerade bei hochwertigen Kletterschuhen spielt das Einsatzgebiet eine wichtige Rolle. Um auf schmalen Granitleisten stehen zu kรถnnen, braucht der Kletterschuh eine harte Sohle mit gutem Kantenhalt. Fรผr effiziente Toe-Hooks ist hingegen eine Zehenkappe aus weicherem, haftendem Gummi von Vorteil.
Fรผr Kletterinnen und Kletterer ist es letztendlich ausschlaggebend, dass sie ihre Leistung an die Wand bringen. Die Gummimischung soll sie dabei unterstรผtzen. Ob sie nun diesen oder jenen Namen trรคgt, sollte eigentlich keinen Unterschied machen. Eigentlich. Dass die Sohlen von Kletterschuhen dennoch eine explizite Gummimischung ausweisen, hat seine Grรผnde.
Markenpsychologie
Vibram beispielsweise bietet ihr XS Grip 2 Produkt fรผr alle Hersteller an. Vibram Edge und XS 1 hingegen sind ausschliesslich fรผr Scarpa und La Sportiva verfรผgbar. Darรผber hinaus gibt es Produzenten wie Unparallel, die hauseigene Mischungen verwenden und diese entsprechend bewerben.
Ausserdem spielt bei der Besohlung ein psychologischer Faktor mit. Das merkt man vor allem, wenn Gummimischungen des italienischen Traditionsunternehmens Vibram โ dessen Name sich รผbrigens von Vitale Bramani, dem Firmengrรผnder, ableitet โ verwendet werden.
Das gelbe Logo ist in den Kรถpfen von Bergsportaktiven derart als Qualitรคtssiegel gefestigt, dass Schuhe, die damit versehen sind, automatisch als besser empfunden werden, auch wenn andere Gummimischungen gleichwertig sind. ยซWenn Schuhe mit Vibram-Stempel am Fels schnell abreiben, wird es von Kundinnen und Kunden eher akzeptiert, als bei solchen ohneยป, stellt Waibel fest.
Im Endeffekt ist es wichtig, einen Kletterschuh nach Kriterien des Einsatzzweckes zu beurteilen. Wer in einem Modell die optimale Passform gefunden hat, tut gut daran, die Gummimischung unter die Lupe zu nehmen. Jeder technisch-marketing-getriebene Begriff kann entschlรผsselt werden. Mit dem Hintergrundwissen รผber Klebrigkeit, Abrieb oder Hรคrte wird aus dem an und fรผr sich hochkomplexen ein hoffentlich verstรคndliches Themenfeld.
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รber Bรคchli Bergsport
Bรคchli Bergsportย ist das fรผhrende Schweizer Fachgeschรคft fรผr Klettern, Bergsteigen, Expeditionen, Wandern, Skitouren und Schneeschuhlaufen. An derzeit 11 Standorten in der Schweiz bietetย Bรคchli Bergsportย seiner Kundschaft fachkundige Beratung und hochstehenden Service. LACRUX publiziert in Zusammenarbeit mitย Bรคchli Bergsportย Beitrรคge zu den Themen Klettern und Bouldern.
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