82 x 4000: Routenbauer tauscht Bohrmaschine gegen Steigeisen und Pickel

Für gewöhnlich schraubt Erik Heldmann knifflige Boulderprobleme an die Wand. Der Deutsche steigt aber auch gerne mal höher hinaus. Nachdem er 2017 auf den ersten 4000ern stand, kamen im Verlaufe der Jahre immer mehr dazu. Diesen Sommer komplettierte er mit dem Picco Luigi Amadeo seine Sammlung der 82 Viertausender der Alpen.

Im Interview erzählt Erik Heldmann, woher seine Leidenschaft fürs Bergsteigen rührt, wie eine Knieverletzung beinahe das Aus seiner Bergsteigerkarriere bedeutete und warum ihm die Peuterey Integrale besonders in Erinnerung geblieben ist.

Auf dem Liongrat unterwegs zum Gipfel des Walliser Wahrzeichens Matterhorn. Bild: David Wittwer
Auf dem Liongrat unterwegs zum Gipfel des Walliser Wahrzeichens Matterhorn. Bild: David Wittwer

Erik, in deinem beruflichen Alltag setzt du dich mit Wänden auseinander, die gerade mal 5 Meter hoch sind. Wie bist du dazu gekommen, viel grössere Wände in Angriff zu nehmen?

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Bereits 2017 stand ich auf den ersten 4000ern. Damals machten wir die Spagettitour im Wallis. Seitdem verschlug es mich jeden Sommer in die Westalpen und hauptsächlich an die 4000er. Als ich im Sommer 2021 mit dem Aletschhorn meinen letzten 4000er in der Schweiz bestiegen hatte, kam mir die Idee, alle 4000er der Alpen besteigen zu wollen.

Da in der Schweiz bereits 48 der insgesamt 82 4000er liegen, waren ja auch nicht mehr allzu viele übrig.

Erik Heldmann

Was für einen Zeithorizont hast du dir für die verbleibenden Gipfel gegeben?

Da ich, wie gesagt, anfangs gar nicht das Ziel hatte, alle 4000er der Alpen zu besteigen, ging ich es ohne Zeitdruck an. Dies änderte sich dann aber etwas im Jahr 2021, als mir bewusst wurde, dass gar nicht mehr so viele Gipfel fehlen. Gerne hätte ich das Projekt bereits 2022 abgeschlossen. Eine notwendige Operation an meinem Knie hat mir jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Perfektes Wetter bei der Besteigung der Lenzspitze über den Ostgrat. Bild: David Wittwer
Perfektes Wetter bei der Besteigung der Lenzspitze über den Ostgrat. Bild: David Wittwer

Du konntest dein Projekt mit etwas Verzögerung aber trotzdem fortsetzen, oder?

Ja. Da nur noch die 4000er rund um Chamonix offen waren, überlegte ich mir eine sinnvolle Reihenfolge um die offenen 4000er möglichst effizient aneinander zu reihen. Allerdings waren nach Abschluss der Bergsaison 2022 noch vier Berge offen.

Les Droites, diese Gipfel im Mont-Blanc-Massiv plante ich im Juni 2023 zu besteigen. Die zwei Gipfel am Peutereygrat, dem längsten Grat der Alpen, wollte ich über den sogenannten Peuterey Integral besteigen. Da dies eine sehr lange Tour ist, die meist nicht perfekte Verhältnisse aufweist, war es die grösste Herausforderung, das passende Zeitfenster zu finden.

Der Picco Luigi Amadeo ist ein Gipfel auf der Italienischen Seite des Mont Blanc Massivs und wird meist über den Bruillardgrat bestiegen. Wir wählten für diese Besteigung jedoch den Weg über das Ecclesbiwak und kletterten danach den Bruillardpfeiler über die «Bonatti-Oggioni» bis zum Gipfel des Picco Luigi Amadeo.  

Matt Groom, Erik Heldmann und David Deichmann auf dem Gipfel des Mont Blancs nach der Besteigung des letzten 4000ers des Projektes, des Picco Luigi Amadeo. Bild: David Deichmann
Matt Groom, Erik Heldmann und David Deichmann auf dem Gipfel des Mont Blancs nach der Besteigung des letzten 4000ers des Projektes, des Picco Luigi Amadeo. Bild: David Deichmann

Was bedeutet dir der erfolgreiche Abschluss deines 82x4000er-Projektes?

In erster Linie bedeutet der Abschluss des Projekts für mich, dass eine Zeit zu Ende geht, die geprägt war von: toller Kletterei, guten Gesprächen mit tollen Kletterpartnern, langen Autofahrten, täglichem Wetter checken, endlosen Hüttenzustiegen und Vielem mehr.

Was waren die prägendsten Momente dieser Zeit?

Als Highlight des gesamten Projekts war sicher der Peuterey Integral. Diesen durfte ich mit einem sehr guten Freund besteigen. Aufgrund des unstabilen Wetters waren wir die ganze Zeit komplett alleine an dem Grat unterwegs und es war bis zum Ende der Tour nicht absehbar, ob wir es schaffen würden.

Die letzten Meter bis zum Gipfel waren hierbei sicher einer der emotionalsten Momente des gesamten Projekts.

Erik Heldmann

Was hat dich am meisten herausgefordert?

Der Tiefschlag für mich in der Zeit des Projekts war sicher meine Knieverletzung Ende 2021. Als Anfangs nicht ersichtlich war, wie es weitergeht, stand meine Bergsteigerkarriere kurzzeitig vor dem Aus. Zum Glück war die Verletzung dann nicht so schlimm wie zu Beginn vermutet und ich konnte das Projekt doch noch beenden.

Die bist professioneller Routenschrauber. Hat das Bergsteigen deine Arbeit beeinflusst?

Tatsächlich würde ich nicht sagen, dass das Projekt mich bei meiner Arbeit aktiv beeinflusst hat. Im Umkehrschluss habe ich jedoch stark bei der Umsetzung meines Projekts profitiert, da ich nicht gezielt zum Klettertraining gehen musste.

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Credits: Titelbild Erik Heldmann

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