Trendwende am K2: erstmals grosse kommerzielle Teams am Berg

Bislang galt der K2 als zu anspruchsvoll und gefรคhrlich um von kommerziellen Anbietern im grossen Stil angegangen zu werden. Das scheint sich nun zu รคndern. Rund 50 Bergsteiger standen im Juli auf dem Gipfel, darunter viele zahlende Kunden. Es scheint, als sei der ยซwilde Bergยป gezรคhmt worden โ€“ der Tourismus ist auch am K2 angekommen.

Insgesamt 48 Menschen standen im Juli auf dem K2, davon nur 3 ohne kรผnstlichen Sauerstoff โ€“ aus Sicht der kommerziellen Anbieter ein erfolgreiches Jahr, das nur von Covid gebremst wurde. Vielleicht hรคtte es ohne die Pandemie ein Rekordjahr gegeben (2018 gab es 62 Besteigungen).

Das wรคre vor 15 bis 20 Jahren nicht denkbar gewesen.

Ralf Dujmovits

„Das wรคre vor 15 bis 20 Jahren nicht denkbar gewesen“, meinte Ralf Dujmovits, der als erster Deutscher auf allen vierzehn Achttausendern stand, in den sozialen Medien. Zwar ist der K2 schon seit Mitte der 1990er Jahre Ziel kommerzieller Expeditionen, doch waren es frรผher stets kleine Teams mit wenigen Kunden.

Die Route รผber den Abbruzzisporn ist durchwegs steil, exponiert und objektiven Gefahren ausgesetzt. Die Plattformen zum Errichten von Zelten sind rar, erst auf der sogenannten Schulter auf 8000 Metern legt sich der K2 kurz zurรผck. Danach folgt der steile Flaschenhals: eine Rinne, die schnell passiert werden muss, da sich die Bergsteiger unter einem Eisabbruch befinden. Wรคhrend etwa der Everest zusehends zum kรคuflichen Statussymbol degradierte, blieb das Image des K2 bis jetzt unverรคndert: prestige-trรคchtig, eine bergsteigerische Herausforderung.

Ein Bergsteiger macht Pause im Aufstieg am K2.

„Verglichen mit dem Mount Everest galt der K2 bislang als zu schwierig fรผr grosse kommerzielle Expeditionen, vor allem aber zu gefรคhrlich“, sagt der Experte Stefan Nestler, der das Hรถhenbergsteigen seit รผber 20 Jahren verfolgt. „Inzwischen scheinen sich alle Bedenken der Veranstalter aber verflรผchtigt zu haben.

Einige von ihnen, vor allem aus Nepal, verfahren nach der Devise: Es gibt nichts, was wir nicht mรถglich machen kรถnnen.“ Dabei spiele auch eine fatalistische Haltung mit, im Sinne dass die Kunden selber wissen mรผssten, worauf sie sich einlassen. Das wurde letzten Winter deutlich, als der grรถsste nepalesische Anbieter (Seven Summmit Treks) gar die Winterbesteigung des K2 ausschrieb.

Inzwischen scheinen sich alle Bedenken der Veranstalter aber verflรผchtigt zu haben. Einige von ihnen, vor allem aus Nepal, verfahren nach der Devise: Es gibt nichts, was wir nicht mรถglich machen kรถnnen.

Stefan Nestler

Jedermann konnte im Internet „book now“ klicken und die Tour buchen โ€“ zu einem Zeitpunkt als die Winterbesteigung des K2 noch gar nie geschafft war. Ein Kunde und ein Bergfรผhrer kamen im Rahmen der Expedition um. Andere schafften es bis ins Hochlager 3, wo es an Platz, Ressourcen und Koordination fehlte. In รผberfรผllte Zelte gezwรคngt entkamen sie dem Erfrierungstod. In der Kritik stand SST danach kaum. Vielmehr ging das Chaos im Lobgesang รผber die erste Winterbesteigung durch die zehn Nepalesen vergessen.

"Nur wer genug riskiert, findet heraus, wie weit er gehen kann." - Seven Summit Treks

„Nur wer genug riskiert, findet heraus, wie weit er gehen kann.“ – Seven Summit Treks

Auf die Frage, ob sich der Erfolg der ersten Winterbesteigung am K2 auch auf den zukรผnftigen Sommertourismus auswirkt, antwortet Ralf Dujmovits. „Manche werden denken: wenn man nun den K2 auch im Winter besteigen kann, sollte es doch auch fรผr mich als Hobbybergsteiger im Sommer mรถglich sein.“ Dabei wรผrde der gewohnte Rundumservice geboten: „Vollorganisation, Zusatzsauerstoff und Fixseile bis zum Gipfel. Inklusive Internet im Basislager, um sich auch in den sozialen Netzwerken entsprechend prรคsentieren zu kรถnnen.“

Kein Touristenberg

Dass der K2 in รคhnlichem Masse vom Tourismus belagert wird wie der Everest, hรคlt der amerikanische Experte Alan Arnette, der selber schon auf dem K2 stand, fรผr unwahrscheinlich.ย โ€žWรคhrend einer guten Saison sehen wir gerade mal 50 Besteigungen des K2. Demgegenรผber sind es 500 am Everest in einer normalen Saisonโ€œ, schreibt er in seinem Blog. Ein Unterschied vom Faktor 10 also, der aus seiner Sicht weiter Bestand haben wird. Denn der K2 sei nunmal von den Anforderungen her kein Touristenberg und werde es niemals sein.

So hebt Arnette etwa den Abstieg hervor, den die Bergsteiger oft unter grosser Erschรถpfung mit null Fehlertoleranz selbstรคndig meistern mรผssen:ย โ€žMeistens muss abgeseilt werden, dabei findet man einย Chaos aus alten Seilen vor. Wenn man das falsche Seil wรคhlt, kann es unter dem Gewicht reissen. Man ist erschรถpft, es mangelt an Konzentration, Fehler passieren leicht.โ€œ

Das sei ein riesiger Unterschied etwa zum ย Mount Everest, wo der Abstieg nur schon wegen mรคssiger Steilheit einfacher und harmloser ist und von Sherpas und Bergfรผhrern besser assistiert werden kann.ย รœber 10’000 Menschen standen bis heute auf dem Mount Everest. Jedes Jahr wรคchst die Kritik am ausufernden Tourismus, wenn Bilder von Abfallhaufen oder ganzen Bergsteigerkolonnen die Runde machen.

Schon seit Jahren kรผndigt Nepal an, den Everest-Tourismus besser zu regulieren โ€“ doch die Devise lautet Wegschauen. Das nepalesische Tourismusministerium erliess im Frรผhjahr ein Gesetz, welches die Verbreitung von Bildern, die Leichen, Menschenmassen oder Naturgefahren am Everest zeigen, verbieten soll. Als nicht durchsetzbar wird es belรคchelt, als Zensur an der Realitรคt gibt es zu denken.

Das nepalesische Tourismusministerium erliess im Frรผhjahr ein Gesetz, welches die Verbreitung von Bildern, die Leichen, Menschenmassen oder Naturgefahren am Everest zeigen, verbieten soll.

Der Everest hat seinen Nimbus verloren

„Der Everest hat den Nimbus des Aussergewรถhnlichen so gut wie verloren“, sagt Stefan Nestler. Kรถnnte der K2 dereinst dem Everest gar den Rang ablaufen und der gefragtere Achttausender werden? „So viel steht fest. Wer das Ego krรคftig aufpolieren und vor Freunden und Bekannten mit einer Achttausender-Heldentat glรคnzen will, kann dies inzwischen eher mit einer K2- als einer Everest-Besteigung erreichen. Einfach, weil die Aufgabe anspruchsvoller und vor allem gefรคhrlicher ist.“ 

Dass der K2 gefรคhrlich ist, stellt er jedes Jahr unter Beweis. Vergangenen Winter waren fรผnf Todesopfer zu beklagen, diesen Sommer starb die britische Bergsteigerlegende Rick Allen in einer Lawine. 2008 war bislang die tรถdlichste Saison mit 11 Toten in nur zwei Tagen.ย Tragรถdien an den hohen Bergen haben paradoxerweise aber kaum abschreckende Wirkung, sie scheinen die Faszination eher zu steigern. Nachdem am Everest 1996 innert einer Nacht acht Menschen starben, bรผsste der Tourismus dort keineswegs ein โ€“ im Gegenteil

Das Drama wurde im Bestseller von John Krakauer verarbeitet, flimmerte weltweit รผber die Leinwรคnde von Imax-Kinos und brachte damit den Everest in die Kรถpfe eines breiten Publikums. Dass die Gipfelanwรคrter auf der Sรผdroute bis 2010 die beiden erfrorenen Bergfรผhrer Rob Hall und Scott Fischer passierten, gehรถrte zur Faszination Everest.

Das kรถnnte dich interessieren

+++
Credits: Titelbild Lakpa Dendi Sherpa

Aktuell

00:20:13

So schlรคgt sich Jakob Schubert in Sharmas neuem DWS-Spot

Nach seinen Erfolgen in Es Pontas und Alasha ist...

Die Lawine weiss nicht, dass ihr Experten seid

Rund die Hรคlfte der Menschen, die in den letzten...

Zweite 8c Onsight-Begehung: Chaehyun Seo punktet Fish Eye

Chaehyun Seo beendet ihren Spanien-Trip mit einer Onsight-Begehung von...
00:10:10

4 Tipps: Besser Leisten klettern ohne zusรคtzliches Krafttraining

Leistenballern hat nicht nur mit Kraft alleine zu tun....

Newsletter

Abonniere jetzt unseren Newsletter und bleibe immer auf dem laufenden.

00:20:13

So schlรคgt sich Jakob Schubert in Sharmas neuem DWS-Spot

Nach seinen Erfolgen in Es Pontas und Alasha ist Jakob Schubert ins Deep Water Soloing Mekka Mallorca zurรผckgekehrt. Zusammen mit Michael Piccolruaz checkt er...

Die Lawine weiss nicht, dass ihr Experten seid

Rund die Hรคlfte der Menschen, die in den letzten Jahren in Lawinen verunfallten, waren alpinistisch erfahren und gut ausgebildet. Laut ร–sterreichischem Alpenverein schnappt die...

Zweite 8c Onsight-Begehung: Chaehyun Seo punktet Fish Eye

Chaehyun Seo beendet ihren Spanien-Trip mit einer Onsight-Begehung von Fish Eye (8c). Fรผr die 21-jรคhrige Sรผdkoreanerin ist dies nach L'Antagonista (8c) bereits die zweite...