Mitte Juni läuft langsam aber sicher die Hochtourensaison an. In die Vorfreude auf die anstehenden Besteigungen im Hochgebirge mischt sich nicht selten ein Gefühl der Unsicherheit: Spaltenrettung, wie ging das schon wieder? Höchste Zeit für einen Refresher.
«Während es im Jahr 2022 einen Rekord an Spaltenstürzen (70) zu verzeichnen gab, waren es 2023 nur 29, deutlich weniger als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (41).» Diese Zahlen aus der jüngsten Bergnotfallstatistik des Schweizer Alpenclubs können positiv stimmen, sollten aber mit Vorsicht genossen werden. Denn: im selben Beobachtungszeitraum haben die tödlichen Unfälle auf Hochtouren zugenommen.
Wer im Gebirge möglichst sicher unterwegs sein will, der sollte vor der ersten Hochtour nicht nur seine Ausrüstung prüfen, sondern auch die eigenen Fähigkeiten kritisch hinterfragen und gegebenenfalls nachbessern.
Wer nicht regelmässig übt, vergisst
Die Spaltenrettung ist ein gutes Beispiel für eine Situation, in die statisch gesehen verhältnismässig wenige Bergsteigerinnen und Bergsteiger je einmal geraten werden, deren Erfolg gleichzeitig in hohem Masse vom Fachwissen und der Fertigkeiten aller Beteiligter abhängt.
Und wie es so ist, wenn man eine Fertigkeit unregelmässig übt und noch seltener anwenden muss: Das vermeintliche Wissen beginnt sich schleichend in Halbwissen umzuwandeln. Höchste Zeit, Gegensteuer zu geben.
Der Mannschaftszug
Wenn es um die Spaltenrettung geht, ist es ein Vorteil, in einer grösseren Gruppe unterwegs zu sein. Sind genügend Rettende (3-4) vorhanden, wird das Opfer mit einem Mannschaftszug geborgen. Und dieser funktioniert wie folgt:
- 2–3 Personen bleiben am Partieseil des Opfers angeseilt.
- Eine zusätzliche Person geht gesichert zum Spaltenrand (mit Prusik am Partieseil oder idealerweise Seilführerin einer zweiten Seilschaft).
- sind die Personen in der Seilschaft mit 2 Karabiner in das Seil eingebunden, kann auch die erste Person A die Aufgaben am Spaltenrand übernehmen.
- Person am Spaltenrand: Spaltenlippe abtragen, ev. Partieseil unterlegen mit Stock/Pickel (gesichert).
- Rettung wird von der Person am Spaltenrand geleitet. Diese achtet drauf, dass das Opfer an der Spaltenlippe nicht erdrückt wird.
Der Selbstaufstieg
Stürzt eine Person in eine Gletscherspalte, ohne sich dabei zu verletzen, kommt der Selbstaufstieg zum Einsatz. Dabei versucht die eingebrochene Person wenn möglich selbst aufzusteigen. Wie das genau funktioniert und worauf man achten muss, zeigt nachfolgendes Video.
Gelingt es der Person in der Spalte nicht, selber am Seil aufzusteigen, kommt ein Flaschenzug zum Einsatz. Es gibt verschiedene Varianten, wie ein solches System aufgebaut werden kann. Die zugrunde liegende Idee ist aber bei allen gleich: Durch Umlenken des Seils die Kraft zu reduzieren, die man braucht, um die eingebrochene Person hochzuziehen.
Merkblatt «Technik und Taktik Hochtouren»
Wie geht schon wieder die Seilverkürzung? wie reagiere ich bei einem Spaltensturz? Alle Antworten darauf und auf noch viel mehr findest du im digitalen Merkblatt «Technik und Taktik Hochtouren» von bergpunkt. Die entsprechende Web-App ist unter app.bergpunkt.ch erhältlich und beinhaltet Lernvideos sowie weiterführende Infos. Sie funktioniert offline damit du die Inhalte in den Bergen immer dabei hast!
Der Österreicher-Flaschenzug
Der Österreicher Flaschenzug, auch Lose Rolle genannt, kommt dann zum Einsatz, wenn die Reibung so gering ist, dass die Untersetzung von 1:2 genügt, und Bremsknoten im Seil nicht stören. Einzige Voraussetzung: Die Seilreserve muss lang genug sein und der Gestürzte muss in der Lage sein, die Rolle im Gurt einhängen zu können.
Der Doppelte Flaschenzug
Der Doppelte Flaschenzug, auch als Schweizer Flaschenzug bekannt, ist universell einsetzbar, da eine kurze Seilreserve genügt. Die Untersetzung beträgt 1:5, die Reibung ist gross.
Kanadier Flaschenzug
Die einfachste Möglichkeit, einen Knoten zu entlasten, ist der Kanadier Flaschenzug. Damit man mit dieser Methode seinen Partner hochziehen kann, muss das System mit einer Rücklaufsperre ergänzt werden.
Wer weitere nützliche Tipps und Tricks rund ums Thema Hochtouren sucht, wird im digitalen Merkblatt Technik und Taktik Hochtouren von Bergpunkt fündig. Viel Spass beim Üben. Stay safe!
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Credits: Titelbild Bergpunkt