Studie: Fünf Gletscher veränderten sich nicht in ihrer Länge

Der Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) präsentierte aktuelle Daten zur Situation von 92 untersuchten Gletschern. Fünf Gletscher haben sich in ihrer Länge nicht verändert – doch der Schein trügt.

Das Gletscherhaushaltsjahr 2018/19 ist erneut als sehr gletscherungünstig zu charakterisieren und reiht sich nahtlos in eine langanhaltende Periode außerordentlich gletscherungünstiger Bedingungen ein – das ist ein Effekt des herrschenden Klimawandels. So fassen die beiden Leiter des Alpenverein-Gletschermessdienstes Gerhard Lieb und Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Institut für Geographie und Raumforschung an der Universität Graz die aktuellen Ergebnisse des Gletscherberichtes zusammen.

„Insgesamt 24 Gletschermesser mit rund 50 Begleitpersonen waren zwischen Mitte August und Ende Oktober 2019 unterwegs, um Längenmessungen zahlreicher heimischen ‚Eisriesen‘ für den Gletscherbericht 2018/19 vor Ort zu machen.“

Gerhard Lieb vom Institut für Geographie und Raumforschung

Für 2018/19 hat der Gletschermessdienst des ÖAV Informationen von 92 Gletschern. Für 84 dieser 92 Gletscher gibt es Messwerte, bei den übrigen acht wurde mit Fotovergleichen gearbeitet.

5 Gletscher gleich geblieben – 86 Gletscher wurden kleiner

86 von den 92 untersuchten Gletschern waren im Rückzug. Laut den Ergebnissen blieben fünf untersuchte Gletscher stationär – sie veränderten sich also in ihrer Länge um weniger als +/-1 Meter – einer wies sogar einen geringfügigen Vorstoß auf. Der mittlere Rückzugsbetrag der 84 sowohl 2018 als auch 2019 vermessenen Gletscher betrug -14,3 Meter und lag damit unter dem Wert des Vorjahres mit -17,2 Metern (berechnet für 76 Gletscher) und sehr deutlich unter dem Extremwert des Jahres 2016/17 mit -25,2 Metern (75 Gletscher). 

Der Schein trügt

Dass sich fünf Gletscher praktisch nicht verändert haben und einer sogar geringfügig vorgestoßen ist, kann als Besonderheit gewertet werden. Doch die schon seit Jahrzehnten andauernde Rückzugstendenz der Gletscher wurde keinesfalls gebremst. In den meisten Fällen lagen die Enden dieser Gletscher unter Altschnee aus dem vorangegangenen Winter – was das Eis etwas schützte – aber auch lokale topographische Gegebenheiten am Eisrand erklären diese scheinbar gletschergünstigen Werte.

„Beim einzigen vorstoßenden Gletscher fand auch nicht wirklich ein aktives Vorstoßen der Eismassen statt – es wurde mehr ein ‚nach vorne Kippen‘ des Eisrandes dokumentiert.“

Laut den beiden Leitern des Alpenverein-Gletschermessdienstes handelt es sich in keinem Fall um ein aktives Vorrücken der betreffenden Gletscher aufgrund günstiger Bedingungen. Der Schein trügt demzufolge.

„Die Gletscher wirken eingefallen, man sieht es ihnen vielfach optisch auch an, dass sie gletscherkundlich gesehen schlecht ernährt werden.“

Man findet in den Messberichten Formulierungen wie „ausapernde Felsstufen“, „fortschreitender Eiszerfall“, „zunehmende Schuttbedeckung“ oder „in Schollen zerbrochenes Eis“. Gletschermesser berichteten zudem, dass sich alpine Wegeverhältnisse durch den Gletscherschwund deutlich verschlechtert haben.

Bedingungen im Osten gletschergünstiger

Hervorzuheben ist, dass sich alle stationär gebliebenen Gletscher in den Hohen Tauern befinden. „Dies ist auch ein Signal dafür, dass die Bedingungen im Osten der österreichischen Alpen etwas gletschergünstiger waren, als das im Westen der Fall war“, erklärt Gerhard Lieb.

„Der einzige im Vorstoß begriffene Gletscher, das Maurerkees in der Glocknergruppe südwestlich des bekannten Kitzsteinhorns, befindet sich in den Hohen Tauern.“

Gerhard Lieb

Andreas Kellerer-Pirklbauer ergänzt: „Auffällig ist, dass alle stationären Gletscher nicht relativ eng beieinander liegen, sondern verteilt auf die gesamten Hohen Tauern zu finden sind.“

In weiten Teilen der österreichischen Alpen war der Winter 2018/19 überdurchschnittlich niederschlagsreich. Der Monat Mai 2019 war laut Kellerer-Pirklbauer rund drei Grad zu kalt, darauf folgte der wärmste Juni der gesamten Messgeschichte: in diesem Monat war es um vier Grad zu warm. „Im Jahresmittel war es um 1,1 wärmer als im Schnitt – für die Gletscher wirkte sich das nicht günstig aus.“

Gletschermesser bei der Arbeit auf einem Gletschertisch am Guslarferner (Ötztaler Alpen) im Sommer 2019 (Foto: M. Stocker-Waldhuber)

Der Bärenkopfkees ging um fast 90 Meter zurück

Der stärkste Rückgang ist mit -86,9 Metern am Bärenkopfkees (Glocknergruppe, Salzburg) gemessen worden, gefolgt von -86,7 am Ochsentaler Gletscher (Silvrettagruppe, Vorarlberg) und am Schweikertferner (Ötztaler Alpen, Tirol) mit -86,3 Metern. 
Für die Zusammenstellung des heurigen Gletscherberichts langten bei der Leitung des Gletschermessdienstes 19 Berichte ein. Die Ergebnisse wurden im Gletscherbericht für 18 Teilgebiete, die sich auf 12 Gebirgsgruppen verteilen, dargelegt.

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Credits: Text und Bild ÖAV Gletschermessdienst

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