Grosses Kino: Französisches Alpinistinnen-Trio klettert Südostgrat am Cerro Torre

Die drei Französinnen Maud Vanpoulle, Fanny Schmutz und Lise Billon haben ihren Traum wahr gemacht und den Cerro Torre über den Südostgrat erklommen. Sie sind die erste Frauenseilschaft, der es bislang gelungen ist, diese historische Route in Patagonien zu wiederholen.

Vom ersten Versuch im Jahr 1968, den Gipfel des Cerro Torre über den Südostgrat zu erreichen, bis zur ersten freien Begehung, vergingen 44 Jahre. Seit 2012 haben gerade Mal ein Dutzend Teams die ehemalige Kompressor-Route über die freie Variante von David Lama und Peter Ortner wiederholt. Mit Maud Vanpoulle, Fanny Schmutz und Lise Billon schreibt nun das erste reine Frauenteam die Klettergeschichte am Cerro Torre fort.

Dieses Jahr war das gute Jahr, ich war bereit, und ich war mit den richtigen Leuten zusammen, um es zu tun.

Lise Billon
Maud Vanpoulle, Fanny Schmutz und Lise Billon besteigen den Cerro Torre über den berühmt-berüchtigten Südostgrat. Bild: Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle
Maud Vanpoulle, Fanny Schmutz und Lise Billon besteigen den Cerro Torre über den berühmt-berüchtigten Südostgrat. Bild: Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle

Zweites Jahre in Folge mit Südostgrat als Ziel

Die drei französischen Alpinistinnen reisen schon seit vielen Jahren nach Patagonien, um an den dortigen Granitriesen zu klettern. 2024 waren sie die zweite Saison in Folge mit einem klaren Ziel vor Augen dort.

Zum ersten Mal hatten wir es gewagt, ein Ziel zu formulieren, einen Traum, auf den wir uns konzentrieren wollten: den Südostgrat am Cerro Torre

Maud Vanpoulle

Alleine die Vorstellung habe sie beeindruckt, erzählt Maud Vanpoulle. «Aber wir beschlossen, an unseren Unsicherheiten zu arbeiten und zumindest anzunehmen, dass wir es versuchen wollten.» Das bedeutete in der Folge, dass die drei Alpinistinnen nicht bei jedem Wetterumschwung ein neue Möglichkeit eruierten, sondern sich von Beginn weg auf ein Ziel konzentrierten.

Im Hier und Jetzt

Nach sechs Wochen des Wartens und nicht mehr ganz so viel Hoffnung, zeichnete sich für den 22. Februar ein kleines Wetterfenster ab. Zwar regnete und schneite es während des Zustiegs, doch, so Maud Vanpoulle, «war es ein guter Zeitpunkt, um es zu versuchen, auch wenn die Bedingungen weit weg von perfekt waren.»

Sie hätten sich von ihrem Ziel gelöst und einfach nur auf das Hier und Jetzt konzentriert. Schritt für Schritt, das war ihr Schlüssel zum Erfolg. Denn: Mixedkletterei im Pulverschnee noch vor dem Col de la Paciencia und Aid-Climbing, um die erste 5+ Seillänge vom Schnee säubern zu können, hätten schon Zweifel aufkommen lassen.

Bis 2 Seillängen unter den Gipfel glaubte niemand an den Erfolg unseres Unterfangens.

Maud Vanpoulle
Zustieg ist alpines Unterfangen für sich
Bereits der Zustieg ist eine alpine Kletterei für sich. Bild: Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle

Eislänge ihres Lebens

Nichtsdestotrotz meistert das Trio eine Seillänge nach der Anderen und taucht ein in die Welt des Cerro Torre. «Eine Welt voller Frost und einige der besten Seillängen unseres Lebens, inklusive eines unglaublichen gefrorenen Kamins», schwärmt Fanny Schmutz.

Die Kletterei in der Headwall läuft viel besser, als sie es sich vorgestellt hätten. Fanny Schmutz lässt diese letzte Passage nochmals Revue passieren: «Eine erste 5 in schlechtem Fels ermöglichte es, sich an die folgende 6c anzugewöhnen. 60 Meter zweifelhafter Fels in einem Wasserfall. Ich ziehe meine Kletterschuhe an und spüre einen mega Druck. Es ist ebenso eindrücklich wie magisch, hier zu sein. Stand. Jetzt noch die zwei 7a. Wir haben es geschafft und weinen wie verrückt.»

Es ist eine Geschichte über die Berge, aber für mich ist es vor allem eine schöne Geschichte unter Freundinnen. Danke Mädels!

Fanny Schmutz
Der Südostgrat am Cerro Torre fordert das gesamte alpinistische und klettertechnische Spektrum. Bild: Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle
Der Südostgrat am Cerro Torre fordert das gesamte alpinistische und klettertechnische Spektrum. Bild: Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle

Südostgrat: Eine geschichtsträchtige Route

Den ersten Versuch, den Cerro Torre über den Südostgrat zu erklimmen, unternahmen laut Patagonia Vertical 1968 Martin Boysen, Mick Burke, Pete Crew, José Luis Fonrouge und Dougal Haston. Sie erreichten einen Punkt 450 Meter oberhalb des Col de la Paciencia.

Zwei Jahre später nagelten sich Cesare Maestri und Partner zwei Seillängen unterhalb des bisherigen Höchstpunktes rechts durch eine blanke Platte. Ihre Bohrhakenleiter eröffnete ihnen die Möglichkeit, bis 60 Meter an den Gipfel heranzukommen. Ihre Linie erlangte später als Compressor-Route Berühmtheit.

1999 erweiterten Mauro Mabboni und Ermanno Salvaterra den Highpoint der 68er-Besteigung um zwei Seillängen. 2007 ergänzten Zach Smith und Josh Wharton diese Linie bis zum Fuss der Headwall.

2011 schafften es Chris Geisler und Jason Kruk bis 40 Meter unter den Gipfel. Das Jahr darauf erreichte Chris Geisler zusammen mit Hayden Kennedy den Gipfel des Cerro Torre.

Kurz darauf machten David Lama und Peter Ortner die Sensation mit der ersten freien Begehung des Südostgrates perfekt. Ihre frei gekletterte Variante führt in der Headwall nach rechts. In den vergangenen 12 Jahren hat die Lama-Ortner Variante gerade mal ein gutes Dutzend Wiederholungen gesehen.

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Credits: Titelbild Lise Billon, Fanny Schmutz und Maud Vanpoulle

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