Sommer-Challenge: Die drei härtesten Routen in der slowenischen Triglav-Nordwand

Die Nordwand des Triglav ist die bekannteste Wand Sloweniens und wird entsprechend meist als DIE Wand in den Julischen Alpen referenziert. Der junge slowenische Alpinist und Kletterer Bor Levičnik hat sich vorgenommen, die härtesten drei Mehrseillängen-Routen besagter Nordwand in einer Saison zu klettern.

Ein Erfahrungsbericht von Bor Levičnik

In den vergangenen sieben Jahren des Bergsteigens bin ich extensiv gereist – meist während des Sommers. Die Destinationen unweit meines Zuhauses habe ich dabei meist aussen vor gelassen. Aber warum eigentlich?

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Muss ich wirklich bis ans andere Ende der Welt reisen, wenn ich in Europa lebe und ein Kletterparadies direkt vor der Türschwelle habe?

Bor Levičnik
Letzter-und-härtester-Abschnitt
Jernej Kruder im letzten und härtesten Abschnitt der Route Korenina in der Triglav-Nordwand.

Darum habe ich mich dazu entschlossen, diesen Sommer an einigen Kletterzielen in meinem geliebten Slowenien zu arbeiten und einige versteckte Ecken zu entdecken, die ich bis jetzt noch nicht kennengelernt hatte. Rückblickend kann ich getrost sagen: «Das war eine grossartige Idee.»

Die Nordwand des Triglav ist 1000 Meter hoch und birgt herausfordernde Klettereien mit meisten fragwürdigen Absicherungen. Der Triglav ist der höchste Berg Sloweniens, ein Wahrzeichen der Nation und war über Jahrzehnte hinweg Playgrond für praktische alle slowenischen Alpinisten.

Meine Triglav-Trilogie

Ich hatte mir vorgenommen die härtesten Routen in der Triglav-Nordwand in einer Saison zu klettern. Dies führte erstmals zur Frage, welches denn die härteste Route ist: Ist es diejenige mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad, jene mit der schlechtesten Felsqualität und der miesesten Absicherung oder diejenige mit den höchsten anhaltenden Schwierigkeiten?

Um alle Arten von Schwierigkeiten am Triglav erfahren zu können, ist meine Auswahl auf drei Routen gefallen, die in ihrer jeweiligen Kategorie zu den schwierigsten zählen.

Bor Levičnik

Die da wären: Obraz Sfinge mit der härtesten frei zu kletternden Seillänge, Korenina mit der höchsten Ernsthaftigkeit aufgrund der minimalen Absicherung, und Ulina smer mit dem höchsten Level anhaltender Schwierigkeiten.

Obraz Sfinge (160m, IX+)

Ich startete meine Triglav-Trilogie mit der Route Obraz Sfinge (The Sphinx’s Face), welche den höchsten Schwierigkeitsgrad und gleichzeitig die beste und regelmässigste Absicherung mit Haken hat. Die Linie ist ziemlich geschichtsträchtig, da sie im Jahr 1966 die letzte grosse Herausforderung war.

Ante Mahkota und Peter Ščetinin gelang die erste Begehung in technischer Kletterei. Damit wurde ein Traum vieler aus der «Eisen-Ära» war. Etwa 30 Jahre später, 1995, kletterten Gregor Kresal und Miha Kajzelj das ikonische Dach frei und schufen damit bis heute die schwierigste Freikletterei in der ganzen Wand.

  • Krištof hält nach dem richtigen Weg Ausschau.
  • Das ikonische Dach von Obraz Sfinge
  • Überbleibsel aus der Eisenzeit.
  • Einfachere Seillängen führen uns auf den Gipfel.

Nochmals knapp 30 Jahre später stehe ich mit Krištof Frelih unter diesem ikonischen Dach und frage mich, ob ich mitbringe, was es für einen Durchstieg braucht.

Im ersten Versuch habe ich die Seillänge ausgebouldert, im zweiten Go konnte ich sie durchsteigen. Da es die einzige harte Seillänge der Tour ist, war unser Tag schnell um und bereits am Nachmittag fanden wir uns bei einer Pizza in Mojstrana’s berühmter Picerija Kot wieder.

Korenina (1000m, VIII)

Korenina ist eine Route, die Ehrfurcht verdient. Bis heute hat sie erst drei Wiederholungen gesehen. Vor dieser Linie hatte ich mich am meisten gefürchtet, da sie für ihre schlechte Felsqualität und die miserable Absicherung berüchtigt ist.

Auf 1000 Metern finden sich ungefähr 10 Schlaghaken

Bor Levičnik

Geschaffen hat diese Linie, die immer noch eine signifikante Herausforderung darstellt, niemand geringeres als Franček Knez, der seiner Zeit weit voraus war.

Dieses epische Ein-Tages-Abenteuer gehe ich mit Jernej Kruder an. Diese Linie ist ein grossartiges Beispiel für einen Generationssprung, denn früher kletterte man überall dort, wo es eine logische Linie gab, ohne sich allzu viele Gedanken über die Felsqualität zu machen.

Heute wählen wir neue Routen, wo es guten Fels gibt, und deshalb sind die Routen der neuen Generation in der Regel schwieriger, schöner zu klettern und besser ausgerüstet.

Die Korenina ist nach heutigen Maßstäben nicht schwer, aber die schlechte Felsqualität und Absicherung machen sie sehr abenteuerlich, und man muss einen ruhigen Geist haben.

Bor Levičnik

Ulina smer (1000m, IX)

Das letzte Kapital unserer Trilogie führte uns zu Ulina smer, einer Linie, die mich schon seit Jahren beschäftigt. 2011 hat das slowenische Power-Paar Tina di Batista und Tomaž Jakofčič dieses Mega-Linie eröffnet. Sie benötigten mehrere Anläufe, um die Route auszurüsten und zu begehen. Nachdem sie sie in einem 2-Tages-Push befreien konnten, benannten sie sie nach ihrer Tochter Ula.

Meiner Meinung nach ist Ulina smer die härteste und komplexeste Linie in ganz Slowenien.

Bor Levičnik

Sie ist eine der wenigen Routen, wo man zwei Tage benötigt, um 1000 Meter in Freikletterei zu bewältigen. Sie in einem Tag zu wiederholen bleibt eine gigantische Herausforderung.

Blaž in der ersten Seillänge (VIII+-IX-) des Tages.
Blaž in der ersten Seillänge (VIII+-IX-) des Tages.

Diesmal war Blaž Karner auf der anderen Seite des Seils. Wir stellten den Wecker auf 4 Uhr morgens, und nach einem frühen Frühstück schulterten wir unsere schweren Haulbags, die mit Wasser und Essen für zwei Tage beladen waren, in die Wand.

Unser Tag begann mit einem negativen Erlebnis, als unser Haulbag in der zweiten Seillänge zerrissen wurde. Beinahe hätten wir unsere Jacken und eine Kletterausrüstung verloren.

Bor Levičnik

Wir waren beide ziemlich nervös, denn wir wussten um die Menge der schwierigen Seillängen, die vor uns lagen. Als wir den schwierigsten Abschnitt des ersten Tages erreichten, versuchte Blaž es, stürzte aber. Er beschloss, auf die Wiederholung dieses Abschnitts zu verzichten, vor allem wegen der schwierigen oberen Seillängen.

Ich konnte sie als Zweiter flashen und bin weiter geklettert. Es gelang mir, die Schlüsselstelle der nächsten Seillänge zu bewältigen, aber im leichteren Teil brach ein Griff aus. Ich stürzte, stieg wieder ab und kletterte die Seillänge im zweiten Anlauf.

In der Mitte der Tour warten einfachere, aber dennoch ernsthafte Seillängen.
In der Mitte der Tour warten einfachere, aber dennoch ernsthafte Seillängen.

Der mittlere Abschnitt der Route, der zu unserem Vorsprung führte, wo wir biwakierten, war viel schwieriger und weniger gut ausgerüstet, als wir erwartet hatten.

Wir mussten fast alle Sicherungen selbst anbringen, was eine grössere Herausforderung war, als wir wollten, da wir ohne Hammer und Schlaghaken kletterten.

Bor Levičnik

Als wir den grossen Felsvorsprung in der Mitte der Wand erreichten, donnerte es am Himmel und es begann leicht zu regnen. Aus Angst, die nächsten paar Seillängen dem Regen ausgesetzt zu sein, suchten wir Zuflucht unter einem kleinen Dach.

Nach 1,5 Stunden bangen Wartens zog das Gewitter glücklicherweise ab und liess unsere Hoffnung auf eine erfolgreiche Besteigung wieder aufleben. Wir kletterten weiter und erreichten das «Hotel Triglav», eine kleine Höhle unter dem schwierigsten Abschnitt, gerade als die Nacht hereinbrach.

Das komfortable Biwak direkt unterhalb der letzten Schlüsselseillängen.
Das komfortable Biwak direkt unterhalb der letzten Schlüsselseillängen.

Wir schliefen viel besser als in der Nacht zuvor und am nächsten Morgen wartete zum Frühstück die schwerste Seillänge, eine leicht unwegsame IX, auf mich.

Obwohl ich enorm mit Seilzug zu kämpfen hatte, konnte ich die Seillänge onsight klettern.

Bor Levičnik

Von nun an musste ich nur noch eine weitere IX- wiederholen, alles andere verlief reibungslos. Unsere Stimmung hob sich schon bald, als wir die berühmte Čop’s Traverse erreichten, wo wir plötzlich in leichterem und viel besser sicherbarem Gelände kletterten.

Das Projekt ist vollendet und wir sind überglücklich.
Triglav-Trilogie: Das Projekt ist vollendet und wir sind überglücklich.

Mit nur noch 100 Klettermetern vor uns, neigte sich unser zweitägiges Abenteuer langsam dem Ende zu. Wir genossen den Moment, bevor wir in gemächlichem Tempo zum Gebirgsfluss in Vrata abstiegen. Dort erfrischten wir uns und löschten unseren Durst.

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Credits: Titelbild Gregor Kresal Bilder im Artikel Bor Levičnik

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