Interview: Kletterikone Chris Sharma über laufende Projekte und den Einfluss des Vaterseins auf seine Karriere

Anfang Februar fand in München die weltweit grösste Sportmesse statt. Grosse und etablierte Marken, kleine und aufstrebende Marken, alle waren sie da und warben um die Aufmerksamkeit. LACRUX hat für euch einige kleinere Marken besucht und deren überzeugenden Produkte vorgestellt. Wir hatten aber auch die Gelegenheit mit Chris Sharma über das Vater-Dasein, seine Projekte und das Thema Kneepad = Cheatpad zu sprechen.

Das Interview führte Remo Schläpfer

Hier in München herrscht ein ziemliches Verkehrschaos aufgrund des vielen Schnees. Du lebst im sonnigen Spanien. Wann hast du zuletzt Schnee gesehen?

Letzte Woche (lacht). Ich war am Snowboarden in Spanien. Das coole ist, dass man eineinhalb Stunden von Barcelona entfernt Skifahren gehen kann.

Bist du in dem Fall gar nicht nur ins Felsklettern vernarrt?

Ich fahre sehr gern Snowboard, doch in der Winterzeit sind die Bedingungen fürs Klettern hier in Spanien ideal. Es ist deshalb schwer die beiden Sportarten zu kombinieren. Wenn ich am einen Tag klettern gehe und dafür zwei Stunden fahre, dann möchte ich am nächsten Tag nicht schon wieder rumfahren, um Snowboarden zu gehen. Deshalb gehe ich nur selten in den Schnee.

Vor vielen Jahren bist du nach Spanien gezogen und hast deine Heimat USA hinter dir gelassen. Was hat dich dazu bewegt?

Ich habe die USA nicht hinter mir gelassen. Seit ich 16 Jahre alt war bis etwa mit 26 war ich stets unterwegs. Ich habe mich mehr als Weltbürger gefühlt, der immer wieder zurück zu seiner Homebase in Kalifornien ging. Ich habe mich dann aber ins Deep Water Soloing (Psichobloc) in Mallorca verliebt und begann Routen in Spanien zu klettern und einzurichten. Irgendwann kam dann die Kletterhalle in Barcelona dazu, die ich eröffnet habe. Zentral war natürlich auch die Hochzeit mit meiner Frau und die Gründung einer Familie. Aber Kalifornien bezeichne ich immer noch als zweites Zuhause.

„Spanien wurde immer mehr zu meinem Zuhause.“

Du hast zahlreiche Routen in Katalonien erstbegangen. Eine davon ist Neanderthal (9b), die zehn Jahre auf eine Wiederholung wartete. Warum dauerte es so lange? * (Anmerkung siehe am Ende des Beitrages)

Phu, keine Ahnung. Mir ist bekannt, dass Adam Ondra und Magnus Midtbø die Route versucht haben. Zuerst muss man eine 7b+ bis zu einem Vorsprung klettern, vielleicht ist das vielen zu umständlich. Oder es ist vielleicht ganz einfach die härteste 9b, von all den 9b’s die ich in Spanien eingerichtet habe.

Chris witzelt auf Instagram, die Wiederholung von Neanderthal habe vielleicht so lange gedauert, weil niemand seinen geheimen Ruhepunkt gefunden habe und publiziert dazu ein Bild mit Flip Flops an den Füssen und Sandwich in der Hand.

Interessant ist ja, dass beide, Adam und Magnus, einen Knieklemmer mit einem Kneepad machen. Das ist natürlich eine grosse Frage im Klettersport, wie denn ein Kneepad Routen verändert.

Du erwähnst gerade ein sehr spannendes Thema. Sind Kneepads für dich Cheatpads?

Wenn ich eine Route projektiere und eine Stelle nicht klettern kann, dann Suche ich nach einer alternativen Lösung. Das ist natürlich mit dem Kneepad ähnlich. Beim Klettern sucht man immer nach der einfachsten Lösung, eine Route punkten zu können. Ich persönlich habe lieber die Freiheit und klettere ohne Kneepad. Am Schluss des Tages ist es eine Entscheidung, die jeder für sich fällen muss.

„Klar ist aber, dass ein Kneepad den Charakter einer Route und deren Schwierigkeit stark verändert.“

Man könnte sogar so extrem sein und sich fragen, wohin die Reise in Zukunft geht: Trägt man irgendwann einen Ganzkörper-Gummianzug? (lacht) Keine Ahnung wo die Grenze liegt.

Zurück zu dir als Profiathlet. Seit 2015 bist du verheiratet und mittlerweile Vater von zwei Kindern. Wie hat sich die neue Konstellation auf deine Kletterkarriere ausgewirkt?

Oh ja. Meine Kinder haben erste Priorität. Kinder zu haben ist für mich ganz klar etwas Bereicherndes, ganz generell im Leben, meine ich. Es ist aber vor allem auch für Kletterer etwas Bereicherndes. Denn Kletterer leben nur für sich, ihre Leidenschaft und ihre Ziele. Das kann auch ganz schön stressig sein, wenn mal etwas nicht klappt. Wenn ich jetzt, also seit ich Vater bin, Zeit zum Klettern habe, dann bin ich so was von glücklich und ich wertschätze es viel mehr und bin super motiviert.

„Seit ich Kinder habe, verspüre ich irgendwie weniger Druck.“

Auch wenn ich weniger Zeit fürs Klettern habe, so möchte ich trotzdem hart klettern, projektieren und ans Limit gehen. Aber es geht viel mehr als früher um die Freude am Klettern.

Was sind deine Projekte für das laufende Jahr?

Mit zwei Kindern zu Hause ist es mir am wichtigsten, dass ich weiterhin mehr oder weniger regelmässig klettere (schmunzelt). Ich gehe oft ins Gebiet Cova de l’Ocell, in der Nähe von Barcelona. In gerade einmal 40 Minuten Autofahrt bin ich dort, kann klettern, habe geniale Projekte und bleibe in Form. Und dann möchte ich natürlich Routen wie Le Blonde und Perfecto Mundo probieren.

„Ich fahre rund zwei- bis dreimal pro Woche zum Klettern.“

Neben dem Klettern habe ich noch ein weiteres „Projekt“. Wir eröffnen eine zweite Kletterhalle, dieses Mal am Standort Madrid. Zusammengefasst ist es mein Ziel, weiterhin „psyched“ fürs Klettern zu sein, mich an die Grenzen des Machbaren zu bringen, in guter Form zu bleiben und es einfach nur „flowen“ zu lassen.

Merci, Chris, für das Interview.

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*
Anmerkung der Redaktion
Jakob Schubert wiederholte die Route im Dezember 2018. Adam Ondra seinerseits verbrachte vor rund einer Woche in Spanien und holte sich dabei die zweite Wiederholung der Route Neanderthal. Das Interview mit Chris Sharma wurde vor der Begehung durch Adam Ondra geführt.

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