Schweizer Alpinisten-Trio gewinnt Piolets d’Or

Die Gewinner des Piolets d’Or 2023 stehen fest. Die internationale Jury hat drei Begehungen mit dem renommierten Bergsteigerpreis ausgezeichnet, darunter Tomorrow is Another Day, die neue Route der drei Schweizer Alpinisten Hugo Béguin, Matthias Gribi und Nathan Monard am 6100 Meter hohen Flat Top im indischen Kishtwar Himalaya.

Vom 8. bis 11. Dezember werden in San Martino di Castrozza die begehrten Piolets d’Or vergeben. Wie schon in den vergangenen Jahren hat die Jury aus der umfassenden Liste an bedeutenden Begehungen des Jahres 2023 gleich drei Besteigungen ausgewählt und ausgezeichnet.

First Ascent am Flat Top

Für ihre Erstbegehung Tomorrow is Another Day (1400m, ED, 5c, A2, WI4, M6) in der Nordwand des Flat Top (6100m) und dem Abstieg über dessen noch unbestiegene Westwand werden Hugo Béguin, Matthias Gribi und Nathan Monard ausgezeichnet.

Die Jury begründet ihre Wahl mit der Eleganz und der technischen Schwierigkeit der Linie der drei jungen Schweizer Alpinisten.«Der Flat Top wurde im perfekten Alpinstil bestiegen und der Berg ohne Zwischenfälle überquert.»

Flat Top (6100m) mit der eingezeichneten Route Tomorrow is Another Day von Hugo Béguin, Matthias Gribi und Nathan Monard. Bild: Timothy Elson/American Alpine Journal
Flat Top (6100m) mit der eingezeichneten Route Tomorrow is Another Day von Hugo Béguin, Matthias Gribi und Nathan Monard. Bild: Timothy Elson/American Alpine Journal

Das Trio nutzte ein viertägiges Schönwetterfenster und machte sich am 3. Oktober vom vorgeschobenen Basislager aus auf den Weg. Bei perfektem Wetter folgten sie einer offensichtlichen Linie in der Mitte der Nordwand, nach 600 Meter querten sie nach rechts, um den Grat zu erreichen. Diese ansteigende Querung, die sie am zweiten Tag kletterten, erwies sich als Schlüsselstelle ihrer Route.

Darüber führte sie technisch sehr anspruchsvolle Kletterei in steilem Gelände Richtung Gipfel. Wo es nicht möglich war, auf dem Grat zu bleiben, wichen sie in die linke Flanke aus. Um 7 Uhr am Abend des 6. Oktober erreichten sie den Gipfel, von wo aus das Trio über die bis Dato noch unbestiegene Westwand abstieg und abseilte.

Nach einem Biwak auf dem Gletscher überquerten sie am nächsten Tag den langen Grat, der mit Brammah I verbunden ist, seilten sich auf der anderen Seite ab und erreichten wieder ihr vorgeschobene Basislager.

Im Alpinstil durch die Nordwand des Jannu

Die drei Amerikaner Jackson Marvell, Matt Cornell und Alan Rousseau erhalten den Piolets d’Or für ihre Route Round Trip Ticket (2700m, M7, AI5+, AO) in der Nordwand des Jannu (7710m) in Ostnepal.

«Dies war eine aussergewöhnliche Besteigung, die das technische Klettern im alpinen Stil in grosser Höhe auf ein neues Niveau gebracht hat. Eine Kombination aus grossartiger Teamarbeit, visionärer Strategie, technischem Können und Erfahrung, zusammen mit einer Weiterentwicklung der Ausrüstung, hat zu einem neuen Kapitel in der Geschichte der Himalaya-Besteigungen geführt und wird eine Inspiration für zukünftige Generationen sein», so die Jury.

Jannu (7710m) mit der eingezeichneten Route Round Trip Ticket von Jackson Marvell, Matt Cornell und Alan Rousseau. Bild: Jannu Expedition/American Alpine Journal
Jannu (7710m) mit der eingezeichneten Route Round Trip Ticket von Jackson Marvell, Matt Cornell und Alan Rousseau. Bild: Jannu Expedition/American Alpine Journal

Die drei amerikanischen Alpinisten kletterten vom 7. bis 12. Oktober in einem durchgehenden Push vom Basecamp durch die steile und komplexe Nordwand und wieder zurück. Die härtesten und steilsten Kletterstellen lagen auf einer Höhe zwischen 7000 und 7500 Metern – jenem vertieften Abschnitt der Nordwand, der bislang noch nicht begangen worden war.

Posthume Ehrung für Hiraide und Nakajima

Für ihre neue Route Secret Line am Tirich Mir ausgezeichnete werden – leider posthum – die beiden japanischen Alpinisten Kazuya Hiraide und Kenro Nakajima. Sie verunglückten diesen Sommer beim Versuch die Westwand des K2 zu durchsteigen.

Die Jury würdigt ihre Erstbegehung am Tirich Mir (7708m) in Pakistan «eine grossartige Überquerung eines Hochgebirges zu sein». Die Jurymitglieder stellten auch fest, dass fast keine vorherigen Informationen zur Verfügung standen, die bei der Begehung der versteckten Nordwand hätten helfen können. Die Verwendung eines 200 m langen Fixseils für den Aufstieg (das nach dem Aufstieg leider nicht entfernt wurde) wurde als geringfügiger Mangel im Vergleich zum Gesamtumfang des Vorhabens und seinem erfolgreichen Abschluss betrachtet.

Tirich Mir (7708m) mit der eingezeichneten Route The Secret Line von Kazuya Hiraide und Kenro Nakajima. Bild: Ishii Sports/American Alpine Journal
Tirich Mir (7708m) mit der eingezeichneten Route The Secret Line von Kazuya Hiraide und Kenro Nakajima. Bild: Ishii Sports/American Alpine Journal

Der direkte Zugang zur riesigen Nordwand des Tirich Mir ist durch einen fast 1000 Meter hohen Eisfall versperrt. Das japanische Duo plante mithilfe von Satellitenbildern eine Route in das Gletscherbecken unter der Nordwand, die dem ersten Abschnitt der Normalroute folgen und dann über einen hohen Pass am langen nordwestlichen Grat des Tirich Mir führen sollte.

Am 17. Juli brachen sie von ihrem Basislager auf 4600 Metern Höhe auf und überquerten am folgenden Tag den 6200 Meter hohen Pass. Die andere Seite war steil und anfällig für Steinschläge, weshalb Kazuya Hiraide und Kenro Nakajima vier Seile für einen allfälligen Rückzug fixierten.

Abkletternd und abseilend erreichten sie das westliche Ende des Beckens, welches sie noch am selben Tag überquerten. Nach einer Nacht am Wandfuss auf 5500 Metern Höhe stiegen sie in die Nordwand ein und arbeiteten sich in komplexer Routenfindung zu ihrem dritten Biwak auf 6150 Meter hoch. Anspruchsvolle Schnee- und Eislängen führten sie zu einer gewaltigen Wand aus Seracs – dem grössten Unsicherheitsfaktor ihrer Route.

Den beiden Alpinisten gelang es jedoch, die Eisbarriere tags darauf an ihrer linken Seite zu überwinden und so den Pass zwischen Tirich Mir und Tirich West zu erreichen. Am 23. Juli verliessen Hiraide und Nakajima ihr Camp und machten sich auf den Weg zum Gipfel.

Es gab viele verschiedene Linien auf dem breiten oberen Grat, und die beiden kletterten einige steile Passagen, die sie beim Abstieg wieder abseilten. Meistens kletterten sie simultan und erreichten den Gipfel gegen 9.30 Uhr. Gegen Mittag waren sie wieder zurück im Camp und setzten ihren Abstieg über die Normalroute fort. Sie seilten das Couloir zum oberen Tirich-Gletscher ab und stiegen bis auf 6300 Meter ab. Am nächsten Tag waren sie zurück im Basislager.

Special Mention für italienische Höhenbergsteigerin Nives Meroi

In diesem Jahr fördern die Veranstalter den weiblichen Alpinismus mit der Auszeichnung der Italienerin Nives Meroi in der Kategorie Special Mention. Meroi eröffnete zusammen mit ihrem Ehemann Romano Benet und Peter Hamor aus der Slowakei eine neue Route am Kabru South in Nepals Kangchenjunga-Region.

Die italienische Alpinistin und Höhenbergsteigerin Nives Meroi wird mit der Piolets d'Or Special Mention geehrt. Bild: Nives Meroi
Die italienische Alpinistin und Höhenbergsteigerin Nives Meroi wird mit der Piolets d’Or Special Mention geehrt. Bild: Nives Meroi

Die Piolets d’Or wollen den weiblichen Alpinismus zu fördern, indem die «Special Mention» entweder an eine reine Frauen-Expedition verliehen wird, an eine oder mehrere Frauen, die eine führende Rolle bei einer gemischten Expedition übernehmen, oder an eine einzelne Frau für bedeutende Mehrfachbesteigungen über die Jahre. Im Jahr 2024 wird die Erwähnung einer einzelnen Frau – der Italienerin Nives Meroi – zuteil.

Im Jahr 2023 war wahrscheinlich die bemerkenswerteste neue Route in grosser Höhe, an der eine weibliche Alpinistin beteiligt war, Diamonds on the Soles of the Shoes an der Westwand des Kabru South (7318m) im Kangchenjunga-Himal.

Es war die zweite Besteigung des südlichsten 7000er der Welt und die erste erfolgreiche Besteigung einer der Kabru-Gipfel von Nepal aus. Nach einer ersten Erkundung und einem gescheiterten Versuch bis auf 5600 Meter, bestiegen Peter Hámor, Bojan Jan und das Ehepaar Romano Benet und Nives Meroi die Wand in vier Tagen im Alpinstil.

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Credits: Titelbild Hugo Béguin, Matthias Gribi und Nathan Monard

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