Interview mit Martin Keller über die Begehung von Ninja Skills (8b+)

Vor zehn Jahren stand Martin Keller zum ersten Mal vor dem Boulder Ninja Skills in Sobrio. Vor eineinhalb Jahren entschied sich Martin, Ninja Skills zu projektieren. Seither verbrachte er über 80 Tage unter und an dem Block, bis ihm am 30. Januar 2018 der Durchstieg gelang. Wir haben mit Martin über die Begehung, seinen Durchhaltewillen beim Projektieren und über das Thema Work-Life-Balance gesprochen.

Interview mit Martin Keller

Erst einmal herzliche Gratulation zur Begehung von Ninja Skills. Wie lange hast du Ninja Skills projektiert?

Danke vielmals, was für ein Traumboulder! Das erste mal war ich kurz nach Nalle’s Erstbegehung dort, also vor etwa acht Jahren. Den Boulder muss man mit eigenen Augen sehen, er ist noch viel besser als er auf Bildern oder Videos ausschaut. Probiert hatte ich ihn damals noch nicht, aber auf meiner Liste war er die ganze Zeit ganz oben. Das erste mal probiert habe ich dann vor knapp zwei Jahren. Insgesamt hatte ich wohl über 80 Tage unter dem Block verbracht. Ich war immer wieder super knapp dran, aber immer wieder fehlte das letzte Quäntchen Glück. Im Dezember letzten Jahres bin ich im einfachen Ausstieg abgesprungen, weil ich die Griffe nicht mehr spürte und kein Crashpad für den Ausstieg hatte. In meine Alter wird man ein wenig vorsichtiger.

Was ging dir durch den Kopf, nachdem du den Boulder gepunktet hast?

Endlich!!! Das ging mir durch den Kopf. Ich wusste schon lange, dass ich den Boulder klettern kann, es war schon ein paar mal sehr knapp. Es war also nicht eine Frage des „ob“ sondern nur des „wann“. Ich hätte aber nicht gedacht, das es dann so lange dauern würde. Aber ich habe da keinen Stress oder Zeitdruck. Die Linie, der Ort und die Züge sind etwas vom Allerbesten, das hat zu 99% immer Spass gemacht! Aber das scheint ein Talent von mir zu sein. Es ist immer überall super knapp bei mir, aber bis ich dann wirklich was Schweres hochkomme gehts dann doch immer ein Weilchen. Aber andere trainieren ewig in der Halle, ich „trainiere“ halt am Fels. Am Schluss kommts aufs Gleiche raus. Jeder soll das machen was ihm passt, was er kann und was er will. Aber ich sollte mich langsam ein wenig beeilen, ich bin schon 40. Wenn ich so weiter mache, dann turne ich noch mit 60 an irgendwelchen schweren Linien herum, die ich noch unbedingt bouldern will.

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Was hat schlussendlich den Ausschlag gegeben, dass es mit dem Durchstieg geklappt hat?

Ich musste die Beta wieder auf meine Uraltbeta umstellen weil ein Finger geschwollen war. Vor zwei Jahren hatte ich diese Beta schon probiert, aber nicht auflösen können. Im Dezember konnte ich die Sequenz dann auf einmal auflösen (mehr Power!!!). Und ich hatte über Weihnachten/Neujahr über eine Periode von zwei Wochen nur zwei Tage geklettert. So war ich dann super erholt und nach zwei Tagen Angewöhnungsphase fühlte ich mich so stark wie noch nie. Die Züge waren immer noch sehr schwer, aber auf einmal gut kontrollierbar. Viele vergessen, dass man an den Ruhetagen stark wird, nicht im (Über-) Training! Das gilt vor allem wenn man nicht mehr 20 Jahre jung ist.

In deinem instagram-Profil schreibst du „Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.». Du hast enorm viel Durchhaltewille. Woher holst du die Motivation, den Antrieb?

Aufgeben gilt nicht. Das gilt ganz generell im Leben. Ich finde es äusserst spannend zu schauen was man herausholen kann, wenn man etwas wirklich will und dafür auch bereit ist Vollgas zu geben. Das bedeutet harte Arbeit und ist auch mit einigen Entbehrungen verbunden. Aber „there is no such thing as a free lunch“. Auch wieder etwas, das fürs ganze Leben gilt. Mir ist nie etwas wirklich leicht gefallen. Weder in der Schule noch im Sport. Aber trotzdem habe ich einen Master-Abschluss an der Uni geschafft, im Fussball in der zweithöchsten Juniorenliga gespielt und nun auch im Bouldern den einen oder anderen schwereren Boulder klettern können, obwohl ich erst mit zwanzig mit dem Klettern begonnen habe und dazumal keine 6a-Route hochgekommen bin. Mein stärkster Muskel ist definitiv mein Kopf. Der ist härter (sturer) als Granit – auch etwas was im ganzen Leben hilft seine Ziele zu erreichen!

Nach drei Jahren und über 100 Tagen des Projektierens gelingt Martin Keller die Erstbegehung von Der mit dem Fels tantzt (8c)
Nach drei Jahren und über 100 Tagen des Projektierens gelingt Martin Keller die Erstbegehung von Der mit dem Fels tanzt (8c). Bild Martin Keller

Du hast zahlreiche schwere Boulder eröffnet (z.B. Highlander). Wie suchst du dir deine Projekte aus?

Es sind Linien, Bewegungen, Rätsel die mich faszinieren. Früher stand sicher die Begehung im Vordergrund. Heute ist es vielmehr der Prozess eine elegante, schöne Lösung zu einem Bewegungsrätsel zu finden. Die Begehung an sich ist dann viel mehr mit „Arbeit“ verbunden. Oft klettere ich schwerer als ich müsste. Ganz einfach weil ich lieber eine „schöne“ Bewegung/Sequenz klettern möchte oder/und ich grausige Griffe auslassen will.

Was sind für dich die bisher prägendsten Begehungen?

Sicher die Erstbegehung vom Highlander am Sustenpass. Ich habe über 13 Jahre diesem Traum nachgelebt, mein ganzes Leben darauf ausgerichtet. Wahrscheinlich habe ich über zwei Jahr meines Lebens unter diesem Block verbracht. Es war zwar nicht mein Stil (Leisten), aber die Linie und die Idee haben mich vom ersten Moment an fasziniert. Ich konnte am Anfang zwar keinen Zug (der 17 schweren Züge), aber ich wusste: da will ich rauf. Und so habe ich mich an die Arbeit gemacht. Als ich nach einem zweistündigen Zustieg mit Splitboard Anfang April 2016 um 19 Uhr auf dem Boulder stand war das das Ende einer 13-jährigen Reise. Endlich am Ziel. Unendliche Freude. Aber auch ein wenig Traurigkeit. Intensivste Gefühle auf jeden Fall, aber nicht nur im Moment der Begehung. Es waren vielmehr die Erfahrungen und Erlebnisse der vorangegangen 13 Jahre die in der heutigen schnelllebigen Welt nicht mehr oft zu finden sind.

Die wohl prägendste Begehung von Martin Keller: Highlander am Sustenpass
Die wohl prägendste Begehung von Martin Keller: Highlander am Sustenpass. Bild Martin Keller

Du bist enorm viel am Fels, bist seit Kurzem verheiratet und bist kein Vollzeit-Kletterer. Wie schaffst du es Training, Projektieren und das restliche Leben unter einen Hut zu bringen?

Das ist in der Tat alles andere als einfach. Aber der Tag hat ja 24 Stunden. Da kann man schon was reinpacken. Anstelle von nach der Arbeit auf dem Sofa chillen und TV glotzen (mache ich aber ab und an auch ganz gerne), chille ich dann halt lieber auf meinem Crashpad im Tessin. Gerade heute bin ich erst um zwei Uhr Nachts aus dem Tessin nach Hause gekommen und musste um sechs Uhr wieder raus zur Arbeit. Klar wäre es erholsamer gewesen auszuschlafen und den Tag mit Instagram und chillen zu verbingen. Geht aber nicht. Gut auch, dass ich viele Ruhetage brauche und „nur“ drei Tage pro Woche am Bouldern bin. Ich bin also gar nicht so viel am Fels. Aber viel unterwegs. Und „Trainieren“ ist bei mir das normale Bouldern. Das ist nicht super effizient, macht aber am meisten Spass und ich kann draussen in der Natur unterwegs sein. Trotzdem habe ich natürlich an einem Regentag auch mal in der Halle meinen Spass.

Hast du bereits ein nächstes Ziel im Kopf oder gönnst du dir zuerst eine Auszeit?

Auszeit/Regenerationszeit hatte ich über Weihnachten. Zudem mache ich im April eine und im Sommer jeweils eine fünfwöchige Pause. Jetzt ist die beste Jahreszeit im südlichen Tessin. Es gibt noch unzählige Linien die ich klettern will.

Neuer Boulderführer fürs Tessin erhältlich (Ausgabe 2018)

Der neue Boulderführer für Chironico ist da

Video über die Erstbegehung von Ninja Skills durch Nalle Hukkataival

Martin Keller bei der Erstbegehung von No Mystery, Chironico

Credits: Bilder Martin Keller

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