Welche Muskeln beim Klettern wie belastet werden, ist den wenigsten bekannt. Das entsprechende Wissen für ein gezieltes Training als auch zur Vorbeugung von Verletzung ist jedoch essentiell. Denn neben dem Kraftaufbau der für das Klettern relevanten Muskeln ist die Stärkung der sogenannten Antagonisten (Gegenspieler) fast ebenso wichtig. Christoph Völker von target10 zeigt euch, welche Muskeln beim Klettern wie intensiv beansprucht werden.
Ein Beitrag von Christoph Völker von target10a.com
Beim Klettern kommt nahezu die gesamte Skelettmuskulatur des Körpers zum Einsatz – aber mit enormen Unterschieden in der Intensität. In folgender Abbildung sind Muskeln farblich hervor gehoben, welche eine hohe bis extreme Belastung durch das Klettern erfahren.

Die in der Abbildung markierten Muskeln werden in der folgenden Beschreibung in drei Kategorien aufgeteilt.
1. Primäre Muskulatur
Wer den Schlüsselfaktor Kraft beim Klettern verbessern möchte, der muss bei der primären Muskulatur ansetzen.

Fingerbeugemuskulatur des Unterarms
Ein „Stark genug“ gibt es bei der Fingerbeugemuskulatur nicht! Diese wichtigsten Muskeln machen von der Masse her nicht viel aus. Aber eine ständige Weiterentwicklung der Maximalkraft sollte von jedem ambitionierten Kletterer angestrebt werden. Angst vor einer kontraproduktiven Gewichtszunahme durch Muskelzunahme braucht man im Vergleich zu anderen Muskelgruppen nicht zu haben.
Mit der Kraft in diesen Muskeln alleine kann man aber noch lange nicht jeden Griff festhalten. Neben der Fußtechnik und dem Körpergewicht spielt auch die Biomechanik der Finger eine große Rolle. Daher sollte man sich nicht wundern, wenn gleich gute Kletterer manche Griffe unterschiedlich gut halten können.
- Langer Daumenbeuger (Musculus flexor pollicis longus)
- Tiefer Fingerbeuger (Musculus flexor digitorum profundus)
- Oberflächlicher Fingerbeuger (Musculus flexor digitorum superficialis)
- etc.
Typische Trainingsübung: Hängen am Griffbrett
Einsatz beim Klettern: Halten sämtlicher Griffe (sogar Faustrisse aber keine Mantelgriffe)
Latissimus und der große Rundmuskel
Der Latissimus und der große Rundmuskel sind die Hauptarbeiter für alle Bewegungen, die einem Klimmzug ähnlich sind. Also das Hochziehen des Körpers mit den Armen. Der große Rundmuskel wird vor allem am Anfang der Bewegung, bei noch nahezu gestreckten Armen, beansprucht. Beim Latissimus handelt es sich zudem um einen sehr großen Muskel. Auch wenn ein gut ausgeprägter, starker Latissimus beim Klettern notwendig ist, braucht man diesen im Gegensatz zu den Fingerbeugern nicht bis zum absoluten Maximum austrainieren.
- Latissimus (Musculus latissimus dorsi)
- Großer Rundmuskel (Musculus teres major)
Typische Trainingsübung: Klimmzug
Einsatz beim Klettern: Immer wenn die nach oben gestreckten Arme zum Körper gezogen werden
2. Sekundäre Muskulatur
Die zweite Kategorie bildet die sekundäre Muskulatur, die häufig auch synergetisch, stabilisierende Muskelgruppe genannt wird. Zu dieser Muskelgruppe gehören die folgenden Bereiche.

Armbeuger
Die Ellenbogenbeuger werden ähnlich wie der Latissimus für alle Klimmbewegungen beim Klettern gebraucht. Allerdings leisten diese im Vergleich zum Latissimus weniger Arbeit. Durch die nach außen gedrehten Hände beim Klettern, wird der Bizeps weniger beansprucht als der Brachialis und der Brachioradialis. Der Brachialis liegt unter dem Bizeps und ist, bei wenig Körperfett vorausgesetzt, nur leicht an der Oberarmseite zwischen Bizeps und Trizeps zu sehen.
- Ellenbogenbeuger – Bizeps (Musculus biceps brachii)
- Brachialis (Musculus brachialis)
- Brachioradialis (Musculus brachioradialis)
Typische Trainingsübung: Klimmzug
Einsatz beim Klettern: Immer wenn die nach oben gestreckten Arme zum Körper gezogen werden
Muskeln der hinteren Schulter, Rotatorenmanschette und des Rückens
Auch diese Muskeln sind als Gehilfen des Latissimus sehr wichtig für alle Klimmzugbewegungen. Sie helfen das Schulterblatt zu stabilisieren und ziehen den Oberarm nach unten zum Körper. Interessant ist an dieser Stelle der Unterschulterblattmuskel. Als stärkster Innenrotator des Schultergelenks könnte dieser auch stark zum sogenannten Kletterundrücken beitragen.
Der Trapezius ist ein relativ großer Muskel und von der Funktion her in drei verscheidenen Teile einzuteilen (oben, mitte, unten). Für Klimmbewegungen wird nur der untere Teil des Trapezius nennenswert beansprucht.
- Hinterer Deltamuskel (Musculus deltoideus)
- Untergrätenmuskel (Musculus infraspinatus)
- Kleiner Rundmuskel (Musculus teres minor)
- Unterschulterblattmuskel (Musculus subscapularis)
- Trapezmuskel (Musculus trapezius)
Typische Trainingsübung: Klimmzug
Einsatz beim Klettern: Immer wenn die nach oben gestreckten Arme zum Körper gezogen werden
Sämtliche Bauchmuskeln
Die Bauchmuskeln sind für die viel zitierte Körperspannung beim Klettern wesentlich. Je steiler das Gelände, um so wichtiger wird die Körperspannung.
- Gerader Bauchmuskel (Musculus rectus abdominis)
- Äußerer schräger Bauchmuskel (Musculus obliquus externus abdominis)
- Innerer schräger Bauchmuskel (Musculus obliquus internus abdominis)
- Querverlaufender Bauchmuskel (Musculus transversus abdominis)
- Vorderer Sägezahnmuskel (Musculus serratus anterior)
Typische Trainingsübung: Hangwaage (Wie du die Hangwaage trainierst, zeigen wir dir hier)
Einsatz beim Klettern: Treten in steilem Gelände (Körperspannung)
Wadenmuskulatur
Die Wadenmuskulatur stellt sicherlich kein kraftspezifisches Nadelöhr hinsichtlich der Kletterleistung dar. Dennoch wird die Wadenmuskulatur beim ständigen Stehen auf den Fußspitzen relativ gut trainiert. Beim Klettern in senkrechten, langen Routen noch mehr als beim Bouldern. Sie sind eine Ausnahme bei der unteren Extremität. Aktiv brauchen die Waden nicht trainiert werden um besser zu klettern.
Beim „Zweiköpfiger Wadenmuskel“ und beim Schollenmuskel handelt es sich im anatomischen Sinne um Beugemuskeln, womit das Abwinkeln des Fußes nach unten gemeint ist. Aus anatomisch-systematischen Gründen wird das, was jeder Mensch aufgrund der Anschauung als Streckung bezeichnen würde, als Beugung (Plantarflexion) bezeichnet.
- Zweiköpfiger Wadenmuskel (Musculus gastrocnemius)
- Schollenmuskel (Musculus soleus)
- Hinterer Schienbeinmuskel (Musculus tibialis posterior)
- Langer Großzehenbeuger (Musculus flexor hallucis longus)
- Langer Zehenbeuger (Musculus flexor digitorum longus)
3. Brust- und Rautenmuskeln
Bei folgenden Muskeln herrscht Uneinigkeit darüber, wie stark die Inanspruchnahme beim Klettern ist. Meiner Meinung nach dürften diese Muskeln eher unterdurchschnittlich stark beim Klettern gefordert werden. Sie sind daher potentielle Kandidaten für ein Ausgleichstraining.
Brustmuskulatur
Die abdominalen Fasern des Pectorialis major werden unterstützend bei Klimmzügen gebraucht, vor allem antagonitisch. Die Brustmuskulatur ist jedoch überwiegend für Drückbewegungen der Arme zuständig und ist beim Kletterer eher unterentwickelt.
- Vorderer Brustmuskel (Musculus pectoralis major)
Rautenmuskeln
Auch die Rautenmuskeln wirken meiner Analyse nach antagonistisch bei Klimmzugbewegungen. Wesentlich belastet werden sie bei Ruderbewegungen, bei denen eher von unten nach oben gezogen wird. Aber auch beim Kreuzheben.
- Großer Rautenmuskel (Musculus rhomboideus major)
- Kleiner Rautenmuskel (Musculus rhomboideus minor)
Beispiele für selten beanspruchte Muskeln
Vereinzelt werden beim Klettern auch andere Muskeln mal etwas stärker beansprucht. Allerdings sind diese Klettersituationen zu selten, um den entsprechenden Muskel nachhaltig zu stärken.
Hüftbeuger: Wird vermutlich beim Anziehen der Kletterschuhe stärker belastet als beim Klettern selbst. Ausnahme: Sehr hohes Antreten und treten in sehr steilem Gelände.
Beinbizeps (Oberschenkelbeuger): Hilft beim Hooken. Aber es wird Einigkeit darüber herrschen, dass es keinen Sinn macht den Beinbizeps gezielt zu trainieren, nur um beim Klettern besser hooken zu können.
Quadrizeps und Gluteus Maximus: Wenn man sich zum Beispiel in senkrechtem Gelände mit einem Bein auf einen Tritt schieben muss, bis das Bein komplett gebeugt ist. Wenn man dann aufstehen muss, werden Quadrizeps und Gluteus Maximus benötigt.
Der stärkste Muskel überhaupt: das Gehirn
Wolfgang Güllich bezeichnete zu Recht das Gehirn als den stärksten Muskel für das Klettern.

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Credits: Bild und Text Christoph Völker – target10a.com, Titelbild Rockvision