Was für ein Effort: 23 Tage rang Sébastien Berthe mit der härtesten Mehrseillängenroute der Welt. Ganze 16 Tage kämpfte er mit der 9a-Schlüssel-Seillänge. Sechsmal fiel er bei seinen Versuchen an der letzten Crux raus. Jetzt hat der Belgier genug und verlässt die Dawn Wall – ohne Rotpunkt-Begehung, aber erhobenen Hauptes.
„Es war ein grossartiges und hartes Abenteuer und ich bin stolz auf all die Arbeit, die ich zusammen mit Siebe Vanhee in diese unglaubliche Route gesteckt habe. Ich habe so viel gelernt – über mich selber und viele andere Sachen“, schreibt Sébastien Berthe nach seinem Monster-Effort. Die Dawn Wall in einer Saison klettern zu können, sei ein ambitioniertes Ziel gewesen. „Ich war wirklich nahe dran, konnte den Moment aber nicht einfangen.“
Video: Sébastien Berthe fällt an der letzten Crux der Schlüssel-Seillänge
Dawn Wall: Berthe hat alles probiert
Eines kann man dem starken Belgier definitiv nicht vorwerfen: Dass er sich in der Dawn Wall nicht ordentlich angestrengt oder genug Geduld bewiesen habe. Seit er Anfang Jahr mit einem Segelboot in die Staaten gereist war, kannte Sébastien Berthe nur ein Ziel, die Dawn Wall.
Zusammen mit Seilpartner Siebe Vanhee verbrachte er Wochen in der Wand. Und auch nach dessen Abreise aus dem Yosemite gab er nicht auf und setzte alles auf eine Karte. „Nach 23 Tagen in der Wand, 16 davon in der Seillänge 14, musste ich die Niederlage akzeptieren“, so Berthe.
Sein Commitment in der Dawn Wall bringt dem Belgier viel Anerkennung, nicht zuletzt von Erstbegeher Tommy Caldwell himself: „Oh wow. Solche eine Arbeit, um an diesen Punkt zu gelangen. Mich hat diese Seillänge bei zwei Versuchen gestoppt. Aber 23 Tage habe ich es da oben nie ausgehalten.“
Und auch Adam Ondra, der die Route vom 14. bis 21. November 2016 in Rekordzeit durchstieg, hätte Berthe einen Erfolg von Herzen gegönnt. „So ein Pech, dass er beim letzten Zug rausgefallen ist. Ich bin sicher, dass es das nächste Mal klappt.“
Zeit frisst Motivation und Selbstvertrauen
Während der 23 Tage in der Wand habe er alles gegeben und seiner Haut gleichzeitig immer wieder Pausen gegönnt, sagt Sébastien Berthe. „Aber es hat einfach nicht funktioniert.“ Als die vorgesehene Zeit verstrichen und der Proviant verbraucht war, überlegte er für einen Moment, Freunde für eine Hauling Mission anzufragen. Aber dies habe sich für ihn falsch angefühlt. „Die Route auf diese Art zu punkten, machte für mich keinen Sinn.“
In den letzten Tagen machten sich bei Sébastien Berthe wie zuvor auch schon bei Siebe Vanhee Ermüdungserscheinungen breit. „Mein Selbstvertrauen nahm ab und es fiel mir immer schwerer, den Prozess dort oben zu geniessen.“ Er sei geistig müde geworden und habe vor seiner Abreise im Mai noch einige andere Dinge im Yosemite klettern wollen.
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Credits: Titelbild Siebe Vanhee