Histoire sans Fin: Erste freie Begehung durch Seb Berthe und Siebe Vanhee

Die beiden Belgier Siebe Vanhee und Sébastien Berthe verkünden die erste Rotpunktbegehung der Route Histoire sans Fin (8b+, 200m) am Petit Clocher du Portalet.

Ein Bericht von Siebe Vanhee

Letzte Woche hatten Sebastien Berthe und ich unglaubliches Glück. Wir durften die ersten beiden freien Begehungen der, unserer Meinung nach, besten Granit-Mehrseillängenroute in Europa machen. Es könnte sogar die einzige Route in diesem Schwierigkeitsgrad sein. Vor rund einem Jahr hörte ich von einer neuen, unglaublich ‚reinen‘ und harten Route am Petit Clocher du Portalet in der Nähe von Martigny, Schweiz.

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Im Jahr 2001 eröffneten Didier Berthod und François Mathey die berühmte zweite Seillänge vom Felsband weg, eine 45 Meter lange und gleichmässige Risslinie, die im Tradstil geklettert wird. Es ist eine der besten Linie. Der Riss endet bei einem Pfeiler, mitten im Nirgendwo, und gibt damit der Route ihren Namen: Never Ending Story. Die glattgestrichene Granitwand oberhalb des Risses ruhte nahezu 20 Jahre, bis Fabian Borter und Bertrand Martenet die Geschichte fortsetzten und sich über glatte Platten und die Kante hin zum Gipfel arbeiteten. Bis ins Jahr 2020 blieb es ruhig um die Route, doch dann kam Didier Berthod wieder ins Spiel. Er fand die fehlende Seillänge entlang einer wunderschönen orangenen Kante, bewertet mit 8b.

Siebe Vanhee in der Route Histoire sans Fin. (Bild Fred Moix)
Siebe Vanhee in der Route Histoire sans Fin. (Bild Fred Moix)

Ende Juni fanden wir, zusammen mit Jean-Eli Lugon ein kurzes Zeitfenster, um die Route Histoire sans Fin zu probieren. Ich bekam komplett einen auf den Deckel, war physisch in schlechter Verfassung, doch mir wurde bewusst: Das ist eine der besten Linien, die ich je versuchte.

Vergangene Woche kehrte ich zusammen mit Sébastien zurück zum Petit Clocher du Portalet, physisch besser vorbereitet, aber immer noch mit Respekt vor der Route. Ich stieg primär ein, um sie mir nochmals anzuschauen. Seb Berthe steckte mich schnell mit seinen Sending-Vibes an. Wir arbeiteten beide an der Schlüssellänge, bis Seb die Länge punktete. Ich hätte mehr Zeit zum Ausbouldern und frei klettern benötigt, doch Seb’s Zeit für eine Eintages-Rotpunktbegehung lief uns davon. Wir kletterten weiter und Seb zog sämtliche Register, kletterte mental als auch physisch stark – und wir Seb holte sich an diesem Tag die erste freie Begehung der Route Histoire sans Fin. Wie immer gab er alles, versuchte die einzelnen Länge immer und immer wieder, bis er sie punktete.

Topo Mehrseillängenroute Histoire sans Fin, Petit Clocher du Portalet. (Bild Siebe Vanhee)
Topo Mehrseillängenroute Histoire sans Fin, Petit Clocher du Portalet. (Bild Siebe Vanhee)

Drei Tage später war ich an der Reihe, ich kehrte mit Unterstützung von Seb und Soline zurück. Diesmal überzeugt, dass ich die Route klettern könnte. Ich stürmte den 7c+ Riss hoch und querte über die 7c-Traverse zum Stand vor der Schlüssellänge. Und schon war ich in der Schlüssestelle der 8b+ Länge, ein super technisches Boulderproblem, bei dem es von zentraler Bedeutung ist, Druck auf die rechten Mikrotritte zu bringen, um die schier unmöglichen Züge überhaupt klettern zu können. Es spielt sich alles im Kopf ab, man muss sich nur trauen, Druck auf die Füsse zu bringen.

Hier sind sauberes Anstehen und Balance gefragt. Kletterroute Histoire sans Fin.
Hier sind sauberes Anstehen und Balance gefragt.

Es lief wie am Schnürchen, ich punktete die Seillänge im ersten Versuch. Die 8b-Länge mit ihrer anstrengenden plattigen Kantenkletterei, war ein mentaler Kampf. Scary und magisch gleichermassen. Sie Länge fühlte sich beim ersten Versuch unmöglich an, doch sobald man die richtige Balance draussen hat und nur so viel Druck wie nötig auf die Füsse bringt, kommt die Magie zum Zug. Und wieder schaffte ich es im ersten Versuch, die 8b-Länge war geschafft.

Die letzte Herausforderung war eine knackige 8a+ Platte kurz vor dem Gipfel. Ich kletterte gut, war aber nervös. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit genügte und ich fiel bei der allerletzten schwierigen Stelle. Dank des Zuspruchs von Seb und Soline tankte ich schnell wieder Mut, kehrte zum Beginn der Seillänge zurück und punktete.

Siebe Vanhee nach der freien Begehung der Route.
Siebe Vanhee nach der freien Begehung der Route.

Es war mir eine Ehre, wirklich. Eine Ehre, an einer so schönen Wand klettern zu können, eine so magische Route zu punkten mit der Unterstützung von Jean-Eli, Seb und Soline. Aber nicht nur das, wir beide, Seb und ich, waren beeindruckt von der Offenheit und Freundlichkeit der lokalen Kletterer. Wir hatten das Vergnügen, Didier Berthod, François Mathey und viele andere Kletterer im gemütlichen Cabane de Orny von Yanik und seinem Team zu treffen. Es ist genial zu sehen, wie die Kletterszene in dieser Berghütte lebt. Danke für die Stimmung!

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Credits: Titelbild Fred Moix

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