So verhaltet ihr euch richtig bei Gewitter am Berg

Aufgrund der Klimakrise werden Wetterextreme immer häufiger – das gilt auch für heftige Gewitterstürme, die für Bergwanderer gleich mehrere Gefahren mit sich bringen. Wie ihr euch bei Gewitter in den Bergen richtig verhaltet, lernt ihr in diesem Artikel.

Starke Gewitterstürme zählen in der Alpenregion während der Sommersaison zu den größten Risiken für Wanderer am Berg. Erst zuletzt kamen in den Stubaier Alpen drei Wanderer aus Österreich bei einem Blitzeinschlag ums Leben: Die Gruppe war am Vormittag zu einer Tour auf die 2.635 Meter hohe Mittagspitze aufgebrochen und von einem plötzlichen Wetterumschwung überrascht worden.

Um Berggeher besser auf Gewitter vorzubereiten und Risiken zu minimieren, hat der Alpenverein Österreich wichtige Tipps zusammengefasst.

Die Mittagsspitze bei Flirsch, auf der sich das Unglück ereignete. (Bild Alpenverein/Hannah Rösemann)

Wetter beobachten, früh starten

Neben den Gefahren durch Kälte und Feuchtigkeit, die eine Unterkühlung und erhöhte Sturzgefahr verursachen, besteht bei Gewittern die unmittelbare Gefahr von Blitzeinschlägen. Um diese Risiken im Vorfeld zu minimieren, rät der Österreichische Alpenverein zu einer gewissenhaften Tourenplanung (etwa mit Diensten wie dem Alpenvereinswetter) und aufmerksame Wolkenbeobachtung am Tag der Tour.

Jörg Randl, Leiter Abteilung Bergsport (Bild Alpenverein)

Laut Experte Jörg Randl, Leiter der Abteilung Bergsport beim Alpenverein, zeigen Wetterprognosen immer nur Wahrscheinlichkeiten auf – Gewitter könnten auch früher entstehen als vorhergesagt. Daher sei es ratsam, die Wetterentwicklung der vergangenen Tage und die aktuellen Verhältnisse während der Tour aufmerksam zu verfolgen.

Falls sich Quellwolken jeden Tag früher entwickeln und schon vormittags Kumuluswolken sichtbar sind, ist schon am frühen Nachmittag mit Gewittern zu rechnen.

Jörg Randl, Abteilungsleiter Bergsport ÖA

Vor allem in der Sommersaison bringt ein zeitiger Start deutliche Vorteile mit sich, so Randl: «Bei entsprechenden Warnungen sollte die geplante Route angepasst werden, um im Idealfall bis Mittag bereits den Rückweg angetreten zu haben oder bestenfalls bereits in einer Berghütte Unterschlupf gefunden zu haben.» 

Unmittelbare Warnsignale

Warnsignale für ein herannahendes Gewitter sind turmhoch aufragende und ambossförmige Gewitterwolken, böig auffrischender Wind und ein hörbares Surren in der Atmosphäre.

Ambossförmige Auftürmung einer Gewitterwolke. (Bild Alpenverein/Melcher)

Die ungefähre Distanz zu einem Gewitter in Kilometern errechnet sich, indem die Sekunden zwischen Blitz und Donnergrollen durch 3 geteilt werden: Bei einer Zeitspanne von zehn Sekunden zwischen Blitz und Donner liegt das Gewitterzentrum nur noch etwa drei Kilometer entfernt.

Wenn das Gewitter kommt

Wer trotz Planung von einem Gewitter am Berg erfasst wird, kann sich mit diesen Tipps schützen:

  1. Ausgesetzte Grate und alleinstehende Erhebungen wie Gipfelkreuze und Felstürme schnellstmöglich verlassen
  2. Falls möglich, größere Felshöhlen zum Schutz aufsuchen, Abstand zur Felswand mindestens 1,5 m
  3. In Kauerstellung auf Rucksack oder Seil hockend und mit geschlossenen Beinen auf dieser isolierenden Unterlage abwarten, dass das Gewitter vorübergeht.
  4. Auf Klettersteigen sowie im absturzgefährdeten Gelände mittels Klettersteigset am Steilseil gesichert bleiben: Das Absturzrisiko ist größer als das Blitzschlagrisiko!
  5. Gegen Nässe und Auskühlung mit Biwaksack und Funktionsbekleidung schützen

Gewitter gehen häufig mit starken Regenfällen einher. Innerhalb kurzer Zeit können in Felswänden gefährliche Sturzfluten entstehen und Steinschlag verursachen. Randl warnt deshalb: «Die Hauptgefahr bei Starkregen liegt in der kompletten Durchnässung und der damit verbundenen Unterkühlung.» 

In alpinen Kletterrouten und auf Klettersteigen sind schnelle Ausweichmanöver nicht möglich, was die Situation zusätzlich erschwert. Findet man einen geschützten Platz, ist es meist sinnvoller, das Gewitter dort abzuwarten, anstatt hastig Richtung Ausstieg weiterzuklettern und dann schutzlos zu sein.

An stark wetterlabilen Tagen vermeiden: ausgedehnte Touren oder Routen mit Drahtseilsicherungen an exponierten Graten und freistehenden Gipfeln.

Jörg Randl, Abteilungsleiter Bergsport ÖA

Video: Verhaltensregeln bei Gewitter am Berg

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Credits Titelbild: Alpenverein Österreich/Melcher

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