Profiempörer: Stefan Glowacz kritisiert Erstbegeher fürs Einrichten von oben

Die Mehrseillängentour Profiempörer am Riffelkopf sorgt für erhitzte Gemüter. Dabei ist es weniger die Route selbst, um die sich die Diskussionen drehen, sondern die Tatsache, dass sie von oben eröffnet wurde. Geht gar nicht, findet Stefan Glowacz. Anders sehen dies die Erschliesser Dörte Pietron und Daniel Gebel. Wir haben mit beiden Parteien gesprochen.

Am Riffelkopf im Wettersteingebirge hat das bekannte Kletterpaar Daniel Gebel und Dörte Pietron eine neue Mehrseillängenroute erstbegangen und später frei geklettert. Dass sie ihre Linie Profiempörer von oben eingebohrt haben, ist für Stefan Glowacz nicht nachvollziehbar.

Der Profikletterer lancierte daraufhin auf seinen Social-Media-Kanälen eine Debatte zum Begehungsstil alpiner Routen, in die sich Daniel Gebel und Dörte Pietron jedoch nicht einschalteten. Darum haben wir für diesen Artikel beide Parteien um eine Stellungnahme gebeten.

Gerne laden wir auch euch ein, in der Kommentarspalte am Endes des Artikels mit konstruktiven Beiträgen zum Thema beizutragen.

Stefan Glowacz vertritt beim Erstbegehen alpiner Routen eine klare Meinung: Hoch geht's nur von unten. Bild: Tim Glowacz | Red Bull Content Pool
Stefan Glowacz vertritt beim Erstbegehen alpiner Routen eine klare Meinung: Hoch geht’s nur von unten. Bild: Tim Glowacz | Red Bull Content Pool

Entgegen der gängigen Praxis

Der Hauptkritikpunkt von Stefan Glowacz in der Causa Profiempörer betrifft den Begehungsstil, sprich, dass die Route von oben eingebohrt wurde.

Im Wettersteingebirge ist es Tradition, dass die Erstbegehungen von unten erschlossen werden. 

Stefan Glowacz

«Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass Dörte und Daniel einige Routen im Höllental ja bereits von unten eingerichtet haben», fährt Glowacz fort. «Es müssen grossartige Routen sein, in den höchsten Schwierigkeitsgraden. Daher wundert es mich umso mehr, dass sie die Route Profiempörer von oben eingebohrt haben.»

Dass alpine Routen von unten erstbegangen werden, ist im Bergsport die gängige Praxis – ein ungeschriebenes Gesetz quasi. Der DAV beispielsweise schreibt in seinen Handlungsleitlinien für Erstbegehungen unter Punkt 5: «Erstbegehungen von alpinen Routen werden grundsätzlich von unten durchgeführt.» Dies weiss natürlich nicht nur Stefan Glowacz, sondern auch Bergführer Daniel Gebel und Topalpinistin Dörte Pietron.

Eine Frage der Gewichtung: Prozess vs. Ergebnis

Warum sich die Beiden trotzdem gegen die gängige Praxis entschieden haben, erklären sie wie folgt: «Die Wandflucht, in der die Linie liegt, weist keine eindeutigen Strukturen oder Systeme auf. Man könnte überall und nirgends klettern.»

dörte pietron und daniel gebel_fotograf ralf dujmovits
Dörte Pietron und Daniel Gebel an den Mountain Guides World Championship in Sport Climbing. (Bild Ralf Dujmovits).

Unsere Sorge war, wenn wir von unten kommen, irgendwo in eine Sackgasse zu klettern und die Linie dann verlegen zu müssen.

Dörte Pietron und Daniel Gebel

«Wir wollten die optimale Linie mit möglichst homogenen Schwierigkeiten finden. Nicht zuletzt wollten wir auch mal die Erfahrung machen, so eine Tour von oben einzurichten, um die Hypothese zu prüfen, dass man so ein besseres Ergebnis erzielt. Wir haben für uns festgestellt – das Erschliessen von unten ist mehr Spass, mehr Abenteuer für die Erstbegeher ist. Das allein wäre aber eine sehr egoistische Betrachtung.»

Wir betrachten das Ergebnis für relevanter als den Prozess.

Dörte Pietron und Daniel Gebel
Daniel Gebel beim Einrichten einer Neutour. (Bild zVg)
Daniel Gebel beim Einrichten einer Neutour. (Bild zVg)

«Wenn sich jemand heroisch im Vorstieg in chaotischer Linienführung durch miesen Fels und mit schlechten und falsch platzierten Haken eine Wand hocherschliesst, dann war der Prozess vielleicht ethisch vorbildlich, das Ergebnis wird aber vermutlich überschaubar. Wenn sich jemand in schwer einzuschätzendem Gelände die Sache lieber erstmal genau und von oben anschaut, dann meinetwegen auch von oben auscheckt und einbohrt, die Linie ideal erwischt, alle Haken genau richtig platziert, dann glaub ich ist mir das Ergebnis wichtiger als der Prozess.»

Der Prozess ist der Ego-Moment des Erschliessers.

Dörte Pietron und Daniel Gebel

«Davon haben alle anderen hinterher nichts. Der gehört dem Erstbegeher allein. Und der darf sich dann in dem Moment Gedanken machen, was ihm wichtiger ist – der Prozess oder das Ergebnis.»

Dörte Pietron an ihrem Lieblingscliff
Dörte Pietron an ihrem Lieblingscliff. (Bild zVg)

Vorbildfunktion und die Wiederholungsgefahr durch Nachahmer

Stefan Glowacz bekundet in seinen Antworten mehrfach Respekt vor dem Kletterpaar und den alpinen Routen, die sie im Vorstieg erschlossen haben. Nichtsdestotrotz weist er gerade auch aufgrund ihrer Medienpräsenz und Reputation in der Kletterszene – Dörte beispielsweise leitet das Frauen-Expeditionskader beim DAV – auf die entsprechende Vorbildfunktion hin:

Wenn die Route Profiempörer kein Einzelfall bleibt, wird es Nachahmer geben und dann ist dieser Prozess nicht mehr aufzuhalten.

Stefan Glowacz

Mit Prozess meint Glowacz Entwicklungen wie im Sportklettern, die seiner Ansicht nach auch dem Alpinklettern drohen: «Ich bin als Sportkletterer in einer Zeit gross geworden, in der Erstbegeher von Sportkletterrouten wie die Wilden Griffe geschlagen haben. Waren sie nicht in der Lage die Route zu klettern, wurden die Griffe und Tritte entsprechend dem aktuellen Leistungsniveau angepasst.

Das nahm groteske Züge an, bis die Kletterer selber erkannten, dass sie sich damit in die Sackgasse manövriert hatten und in dieser Form keine Leistungssteigerung und Entwicklung möglich war. Es war die systematische Zerstörung von potentiellen Projekten für die nächste, leistungsstärkere Klettergenerationen. Das Einbohren alpiner Routen von oben hat für mich eine ähnliche Dimension.»

Dörte Pietron (rechts) mit dem aktuellen Frauen-Expeditonskader. Bild: DAV/Philipp Abels
Dörte Pietron (rechts) mit dem aktuellen Frauen-Expeditonskader. Bild: DAV/Philipp Abels

Dörte Pietron und Daniel Gebel sehen das «Gentlemen’s Agreement» zum Einrichten alpiner Routen wegen ihrer Ausnahme bei Profiempörer nicht in Gefahr:

Erschliessen von oben ist pure Arbeit. Kein Spass, kein Abenteuer, kein Ruhm. Reine Dienstleistung. Unbezahlt.

Dörte Pietron und Daniel Gebel

«Hört sich nicht nach einer Beschreibung für eine massentaugliche Aktivität an. In Ausnahmesituationen kann es aber zu einem besseren Ergebnis führen», so ihre Meinung.

Ihrer Vorbildfunktion sind sich die Beiden durchaus bewusst: «Deshalb überlegen wir uns ziemlich genau was wir machen und wie wir es machen.» In Ausbildungen wie beispielsweise dem Expeditionskader werde der Punkt «von oben» oder «von unten» gar nicht behandelt, zumal «von oben» überhaupt keine Option sei. «Ziel der Ausbildung ist expeditionsmässig auf Berge zu steigen. Dazu müssen die Teilnehmenden das Erstbegehen von unten lernen.»

Unterschiedliche Haltungen beim Erstbegehen

Einig sind sich Stefan Glowacz, Dörte Pietron und Daniel Gebel darin, dass die Ressource Fels knapp ist und neue Routen deshalb mit Bedacht eröffnet werden sollten. Jedoch gehen die Meinungen auseinander, wenn es um den Fokus geht. Das Kletterpaar regt dazu an, bei Erstbegehungen bereits potenzielle Wiederholende im Hinterkopf zu haben:

«Überlegt euch gut, welche Linien wirklich eine Bereicherung darstellen. Überlegt, wer die Wiederholer sein werden. Erschliesst die Route für die Wiederholer und nicht für euer Ego. Wenn ihr feststellt, dass ihr einen Haken falsch oder zu wenig gesetzt habt – repariert das. Entfernt Haken ggf. so, dass keine Reste sichtbar bleiben. Setzt langlebiges Material ein.

Uns geht es weniger darum, ob von oben oder von unten, sondern eher um den Paradigmenwechsel klientelorientierte Routen, Verpflichtung gegenüber den Wiederholern, schonender Umgang mit der Ressource, perfektes Hakenmaterial vs. der Erstbegeher hat jedes Recht an seiner Linie, der heroische Akt der Erstbesteigung von unten, je tödlicher desto mehr Ruhm…»

Stefan Glowacz während einer Erstbegehung in der Türkei. Bild: Tim Glowacz | Red Bull Content Pool
Stefan Glowacz während einer Erstbegehung in der Türkei. Bild: Tim Glowacz | Red Bull Content Pool

Anders Stefan Glowacz, der das Erstbegehen vielmehr als eine individuelle Auseinandersetzung mit sich selbst und der Wand sieht: «Eine Ground Up Erstbegehung erfordert so viel mehr, als nur gut klettern zu können. Es geht um die Ästhetik, mit einer Erstbegehung eine Linie nur anhand der kletterbaren Strukturen in den Fels zu zeichnen, die ewig Bestand haben wird. Das erfordert sehr viel Erfahrung, Kreativität und das ehrliche Einschätzen seiner persönlichen Fähigkeiten.»

Es gibt kaum einen spannenderen Moment beim Klettern, als bei einer Ground Up Erstbegehung in ein Meer aus Fels zu steigen, ohne zu wissen was mich tatsächlich erwartet.

Stefan Glowacz

«Das erfordert Mut und Überwindung, ist verbunden mit einem ständigen Auf- und Ab der Emotionen und an einem erfolgreichen Ende, mit einer unbeschreiblichen Befriedigung. Beim Einrichten einer Route von oben würde ein Grossteil davon verloren gehen und der Erstbegeher zum ersten Wiederholer seiner eigenen Route werden.»

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Credits: Titelbild Tim Glowacz | Red Bull Content Pool

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28 Kommentare

  1. MMn sehen es die beiden Erstbegeher genau richtig: Nur das Ergebnis zählt. Das Wort Tradition ist für mich in unserer heutigen Zeit der Gleichberechtigung, des freien Gedankens und Auslebens persönlicher Neigungen als eher schwierig zu definieren. Früher mußten wir alle zum Wandern in den Bergen Pumphosen anziehen.- weil man das eben so macht, aus Tradition…
    Also, hier geht es um eine Mehrsellängen-Sportkletterroute, da ist es mMn wurscht, wie man die Tour einbohrt, ob von oben, von unten oder von quer. Die Haken müssen sicher gesetzt sein.

    • Wie kann man sich nur selbst um das Schönste einer Erstbegehung rauben: das knisternde Ungewisse der überhaupt möglichen Route, diese man manchmal auch übers Jahr hinaus aufrecht erhält. Von OBEN ist es keine alpine Eroberung mehr, sondern mit Kakül gesetzte Haken in einer vorweg (dem eigenen Leistungsstand entsprechenden) gesuchten Wand mit jenen Wandstellen ausgesucht, die für den angehenden Erstbegehern in seiner phy. und psy. Verfassung gerecht wird.
      Nicht allein das Ergebnis des hinaufkommens zählt. Denn dafür wurde ja von OBEN das Gelände ausgesucht und somit dem Umstand des „noch nie von Menschen betretenes Stück Fels“ beraubt. Das ist weg, noch bevor ich es geklettert habe….
      Um Nachfolgenden die beste Linie zu bieten ist eine Ausrede; es könnten ja Leute kommen, die von unten her durch bessere Vorbereitung (Bewerten der Wandstellen) und größerem Können ohnehin die ideale Linie finden und neuen Klettergenerationen noch Steigerungen bieten zu können.
      Denn hier handelt es sich um ALPINE Touren die Kletterer bewältigen wollen und keine vorgefertigten Klettersteige.
      Wolfgang Schwarz Österreich

      • Aber anderen Menschen vorschreiben zu wollen, wie sie es etwas tun oder lassen sollen, ist eben auch daneben. Die Berge gehören nicht nicht nur der Elite, oder die sich als solche sehen. Ich verstehe, dass eine Route von unten einzurichten ein anderes Erlebnis ist als von oben und es einen besonderen Reiz ausmacht. Trotzdem sollte die Menschen sich mal um ihren eigen scheiß kümmern und nicht ständig Fehler bei anderen suchen. Gerade in der heutigen Zeit ist das in vielen Bereichen zu beobachten.
        Der Glowacz hört sich mehr und mehr nach einem verbitterten alten Mann an, der mit neuen Zeiten und dem altern nicht zurecht kommt. Damit möchte ich schmälern, was er alles erreicht und geleistet hat, aber das gibt ihm einfach nicht das Recht so zu urteilen. Ähnliches konnte man ja schon in anderen Gebieten beobachte.

        • So ein Flecken Erde ist so eine Felswand, die einzigartig ist und deshalb nicht irgendwie „bearbeitet“ werden soll, denn diese gehört ja allen, die noch bei „fair means“ Erstbegehungen machen wollen. Und sie gehört auch nicht der Elite, aber nur diese kann das Stück Fels auch nutzen, da es sich von z.B. Klettersteiggehern durch hartes Training und auch Willenskraft von diesen unterscheidet.
          Ein solches Stück Fels wurde vor mehr als 100 Jahren von Paul Preuß am Donnerkogel (Gosaukamm) allein erstmals erklettert. Heute geht genau über diese Route ein Klettersteig, wo sich die Leute an Stahlseilen und Eisentritten hinaufziehen, – Die sogenannte Himmelsleiter! Für Kletterer nicht mehr zu begehen.
          Ja, alle sind frei und dürfen alles, nicht nur die Elite? Ich hoffe Stefan (den du alten Mann nennst) erlaubt dir, ihm da Wasser zu reichen…..

  2. Mit dieser Erklärung sind die Beiden für mich echte Vordenker im Klettern. Eine Synthese aus Altem und Neuem. Gratulation!

  3. Sportherz im Wilden Kaiser ist auch vor langer Zeit, sogar von einem Hessen (Saupreiß:-)), erstbegangen worden. Mittlerweile saniert ist sie eine der beliebtesten MP im Kaiser ohne dass eine Erschließungslawine von oben eingesetzt hat.
    Alle Stile sollten ihren Platz haben.
    Und Profiempörer find ich einen tollenNamen;-).

  4. Da sich bestimmt nicht alle Berge aufgrund Ihrer Schwierigkeiten von oben erschließen lassen (ausgenommen mit technischen Hilfsmitteln wie z.B. sich mit Heli absetzen zu lassen), muss ich Stefan zu 100 % Recht geben, die Berge gehören von unten erschlossen!

    • Da man alle Berge von unten hochbohren kann (siehe Kompressorroute am Cerro Torre von Maestri), kann man das so leider nicht festlegen.

  5. Erstbeteiungen werden von unten errichtet/eingebohrt, erschließungen können auch von oben gebohrt werden, sind aber keine Erstbegehungen!!! Mehrseilängen sollten von unten erschlossen werden, aber es ist genug fels für alle da, und viele sind die Genießer dieser touren. Kepp cool and climb on

  6. Wie wärs mit dem:
    Kletterer die den 8ten Grad beherrschen dürfen nur Routen ab dem 8. aufwärts einbohren. Kletterer im 10ten, nur Routen ab dem 10ten Grad aufwärts usw.

    Meine Überlegung dazu: Wenn 8er Kletterer Routen im 5ten Grad einrichten, wirds für 5er Kletterer oft harakiri. Logisch, bei einem 5er move 7 Meter über der letzten Sicherung fordert dies ein 8er Kletterer kaum. Für 5er.Touristen wirds dann aber je nachdem bereits zur Umkehrstelle.
    Später zusätzlich (top rope !) Nachrüsten ist ja auch ethisch fragwürdig wie eine erst kürzlich hier lancierte Diskussion darstellen wollte…

    Bohre ich im Vorstieg aus dem cliff, habe ich den onsight meiner eigenen Kreation auch bereits verspielt und werde später nur zum Wiederholer. Und es gibt auch Gebiete in denen Routen von unten, alpin, den „natürlichen Linien“ nach eingerichtet wurden. Zick-zack und mit einer Route eine ganze Wand belegt…
    Nun bin ich in zwei neuen Stil-Dilemmen: erstens, darf eine neue Linie eine alte, bestehende kreuzen? Darf ich die alte Linie benützen und daraus, untenliegender top Fels von oben her zum Sportklettern einrichten?

    Ich finde: Man darf ein tolles stück Fels auch von oben mit einer sorgfältig durchdachten Linie beehren und nachfolgenden Seilschaften ein lohnendes Unternehmen hinterlassen. Dies braucht ebenfalls viel Erfahrung und Einsatz. Denn als Wiederholer habe ich ja sowieso nur eingeschränkt etwas von der Heldentat am Limit des Erstbegehers, da ich ja bereits infos zur Route habe.

  7. Eine Msl-Tour von oben einbohren , ist keine Erstbegehung , sondern das Erstellen eines Sportgeräts .
    Für mich keine abenteuerliche Leistung !!!
    Nur wer unten das Land erobert sollte solche Touren erstbegehen/erschließen – siehe Ethik Elbsandstein .
    Wer keine Eier hat , soll es lassen !!!

    • Klettern ist eben nicht nur Abenteuer, sondern auch Sport. Die Ethik aus dem Elbsandstein ist auch nicht über die Grenzen dessen gültig. Was das alles mit Eiern zu tun hat, erschließt sich mir nicht so ganz.

  8. sollen alle die mein einen dass das zu sicher ist einfach die Bohrhaken weglassen und wegen Tradition, dann sollten sie mit Hanfseilen um den Bauch Kettern wegen der Tradition wo zu dann Cams und co.

  9. Schade, dass sich zwei Alpinisten von ihrem Format auf den schlechtmöglichsten Stil einlassen. Meiner Meinung nach ist das Einbohren von oben eine Sackgasse für den Alpinismus, da so Tourenmöglichkeiten für die nächste stärkere Generation verbohrt werden. Auch ihr Argument, sich in diesem Wandteil möglicherweise zu verklettern und mehrere Anläufe für den Durchstieg zu benötigen kann ich nicht nachvollziehen. Ist es nicht die Kunst des Erstbegehens, unter schwierigen Umständen und moralischer Belastung den besten Weg zu finden?! Aber es ist doch irgendwie ein Spiegel unserer Zeit, den schnellen Weg zum Erfolg zu suchen und mögliche Widrigkeiten oder „schlimmer“ noch ein (vorläufiges) Scheitern unter allen Umständen zu vermeiden. Echte Herausforderung und fortschrittlicher Alpinismus schauen anders aus. Schade eigentlich…

  10. „Erschliessen von oben ist pure Arbeit. Kein Spass, kein Abenteuer, kein Ruhm. Reine Dienstleistung. Unbezahlt.“
    Dann wäre es wohl in beiderseitigem Interesse, dass sowas einfach nicht gemacht wird, oder?

  11. Ich plädiere dafür, die Teildisziplinen des Bergsports nicht hierarchisch zu denken (Bouldern -> Klettergarten -> Tannheimer Alpen -> Wetterstein -> Dolomiten – Chamonix -> Berge der Welt), sondern innerhalb des Bergsports als gleichwertig anzusehen.
    Auch bei den Ballsportarten käme niemand auf die Idee, den Fuß, die Hand oder den Hockeyschläger als die einzig wahre Art der Ballbewegung anzusehen. Im Skisport wäre es verwunderlich, wenn Abfahrer, Slalomfahrer, Langläufer oder Skispringer in dieser Form aufeinander losgehen würden.
    Ich wünsche mir Respekt vor den anderen Sportlern und ihren Sportarten.

    PS: Auch die Route „Perlen vor die Säue“ war ein Tabubruch.

  12. Denke von oben einbohren ermöglicht sinnvollere Routenführung und Hakenpositionen. All in all eine bessere Linie für Wiederholer. Ist es nicht heroisch wie die Erschliesser ihren eigenen Onsight aufgeben, um Wiederholern ein besseres Erlebnis zu bieten und die begrenzte Ressource Fels bestmöglich zu nutzen? Im Gegensatz dazu: Ganz fies die von unten erschlossene Kompressorroute von Maestri am Cerro Torre. Von unten eingebohrt aber sehr respektlos. Wer wirklich Abenteuer und den Berg erobern will sollte Clean / Trad klettern. Wenn eine Tour dann nicht geht war wohl der Berg zu stark oder du zu schwach 😉

  13. Ich weiß nicht, ob ein Stefan Glowacz hier wirklich mit Steinen werfen sollte. Ich erinnere mich an einen Film über eine Expedition, bei der zuerst von unten versucht wird und im zweiten Anlauf mit Hubschrauber nach oben und dann abgeseilt…
    Entscheidend ist doch letztendlich das Ergebnis. Relativ konsistente Schwierigkeiten, angemessene Absicherung. Kein Wiederholer wird danach fragen, ob das von oben oder von unten eingebohrt wurde. Gerade beim Bohren von unten kommt es doch häufig dazu, dass die Schlüsselstellen obligatorisch zu klettern sind und oft deutlich über dem Haken. Das mag der reinen Lehre entsprechen, Wiederholungen regt das aber eher nicht an.

  14. Stefan, Dörte und ich hatten im August 2022 im Hotel Steingletscher eine längere Diskussion um das Erschließen von MSL-Routen. Stefans Aussage an diesem Tag war wörtlich: „Die Wiederholer sind mir scheißegal, das ist meine Tour und da kann ich machen, was ICH will.“ In zweierlei Hinsicht kann ich die Aussage nachvollziehen: Stefan hat viele Routen zu einer Zeit erstbegangen, in der Fels endlos war im Vergleich zur Anzahl der Kletterer. Zum anderen ist seine Ansicht im Rahmen der üblichen Kletterethik absolut zulässig – die Tour gehört dem Erschließer.
    Wir waren der Meinung, dass, wenn dies Teil unserer Ethik ist, wir diese nicht mehr teilen wollen, weil sich die Rahmenbedingungen zunehmend ändern.
    Wie schon ein paar von euch richtig bemerkt haben, kann man eine Tour nur einmal erstbegehen aber tausendfach wiederholen. Es wäre daher unserer Meinung nach schön, wenn die Erschließer der nächsten Generation nicht ihr persönliches Abenteuer und ihren Ruhm, sondern das Erlebnis der Wiederholer beim Erschließen in den Vordergrund setzen würden. Ob das dann von oben oder unten passiert, interessiert uns zweitrangig, wenn es eine schöne Route ist und sie adäquat eingerichtet ist.

  15. Dörte Pietron und Daniel Gebel bringen es auf den Punkt: „Prozess vs. Ergebnis“. Man könnte auch sagen „Erstbegehernutzen vs. Wiederholernutzen“.

    Eine von unten erstbegangene Route – damit meine ich nicht, der nächste Bohrhaken wird per Trittschlinge aus dem letzten gesetzt – hat sicher einen viel höheren sportlichen Wert für den Erstbegeher. Aber der Weg und die Positionierung der Sicherungspunkte folgen dann eben nicht primär der optimalen Clipposition, sicherheitstechnischen Erwägungen oder zwangsläufig der besten Kletterlinie, sondern ein Stück weit den Voraussetzungen für die Platzierung technischer Hilfsmittel im Fels.

    Wer von oben einrichtet, hat andere Möglichkeiten, die beste Linie mit adäquater Absicherung zu verknüpfen.

    Die Argumentationslinie von Stefan Glowacz ist ganz klar auf den individuellen Nutzen und die mentale und technische Herausforderung für den Erstbegeher gerichtet. Eine Berücksichtigung der Wiederholer ist zumindest seinem Wording nicht zu entnehmen.

    Bei der Routenwiederholung tritt für mich die heroische oder auch nur ethisch einwandfreie Leistung des Erstbegehers – vorsichtig ausgedrückt – in den Hintergrund. Wichtiger sind: Guter Fels, tolle Linie, angemessene Absicherung.

    Den Vergleich mit dem Negativbeispiel „Künstliche Griffe“ kann ich nicht nachvollziehen, da durch das Erschließen von oben der Fels nicht verändert wird und freie Kletterei dadurch technisch nicht einfacher wird.

    Und auch der Rückgriff auf die Mottenkiste „Zerstörung der Projekte künftiger Generationen“ ist zumindest diskussionsfähig, denn es geht – wieder einmal – um die elitäre Zielgruppe einiger weniger Spitzenalpinisten, die trotzdem ihren Linien finden werden – ganz sicher. Und es beinhaltet die Festlegung, dass deren Interessen höher zu gewichten sind, als die einer breiteren Schicht von Kletterern, die sich aktuell an der Wiederholung der Route erfreuen können.

    Aus der Perspektive ambitionierter Normalkletterer sind bereits heute zahlreiche Projekte zerstört, indem sie einmal (von unten) geklettert, mangelhaft ausgerüstet und so gut wie nie bzw. „alle Jubeljahre“ von ausgewiesenen Experten wiederholt werden. Dieser Aspekt kommt in der vorliegenden Diskussion – m. E. zu Unrecht, weil mit erheblich mehr Breitenwirkung – überhaupt nicht zum tragen.

  16. Aus der Sicht eines aktiven Elbsandstein-Kletterers und -erstbegehers:
    Es ist bei uns als Regel festgehalten, von unten zu erschließen. Dies ist historisch so gewachsen. Meistens ist es dabei möglich, dass es ein Abenteur für den Erstbegeher darstellt UND am Ende eine brauchbare Tour für Wiederholer rauskommt. Weil die unerschlossene Felsfläche geringer wird und die Schwierigkeiten steigen, ist es aber in manchen Fällen leider so, dass man sich auch in Sackgassen verrennt. Hätte man da vorher wenigstens mal schauen können, wären ein paar unnötige Löcher weniger im Fels. Auch kommt/kam es doch immer wieder vor, dass die Sicherungspunkte (Ringe) nicht ideal stecken für die Kletterei an sich. Dies liegt daran, dass man manchmal den Ring im Vorstieg nicht dorthin schlagen kann, wo er gebraucht wird. Alles in allem sind das aber immer Sonderfälle und der Großteil der Community, erschließt Routen für das eigene Abenteuer und mit Blick auf die Wiederholer. Es gibt aber auch Leute, die fühlen sich elitär, wenn ihre Erstbegehung keine Wiederholungen bekommen. Dies ist bei der begrenzten Resource Fels natürlich ein egoistischer Ansatz.

    Es wird daher bei uns so gehandhabt, dass eine Erstbegehung von einem Gremium des Bergsteigerbundes überprüft wird und bei Anerkennung geht die Erstbegehung in „gesellschaftliches Allgemeingut“ über. Klar, der Name der Erstbegeher und deren Stil sind auf immer mit der Route verbunden, aber er hat die Linie für die Gemeinschaft erschaffen. Dies gibt uns die Möglichkeit im Nachhinein als Community über Dinge wie nachträgliche Sicherungen oder Versetzungen von Ringen zu entscheiden. Dabei hat der Erstbegeher ein Mitspracherecht, aber er ist nicht „Besitzer“ dieses Stückes Fels und seiner Kreation. Auch werden aus dem Grund die Sicherungsmittel vom Verein subventioniert.

    Ich persönlich suche auch außerhalb des Elbsandsteins daher den Kompromiss aus Abenteuer von unten und einer tollen Tour für die Nachwelt. Manchmal klappts, manchmal bohrt man was mit Hilfshaken oder von oben, je nachdem. Manchmal richtet man eine Sportkletterroute auch „einfach“ von oben ein.

    Unser Sport ist so individuell und hat so viele Facetten, da sind wohlüberlegte Entscheidungen wie die von Daniel und Dörte doch nur zu begrüßen. Im Endeffekt ist es auch immer wieder ein Generationenkonflikt und wieviele haben schon den Untergang des Bergsteigens/Alpinismus/Kletterns,… prophezeit.

    „Tradition ist wie eine Laterne, der Dumme hält sich daran fest, dem Klugen weißt sie den Weg“ (George Bernard Shaw)

  17. Meiner Meinung nach muss überhaupt nichts mehr erschlossen werden. Naturräume, wo Tierwelt und Pflanzenwelt sich ungestört entfalten können sind zunehmends im Rückgang. Artenserben weltweit so hoch wie noch nie. Da stellt sich eher die Frage, ob die Egobefriedigung der Erstbegeher das Allgemeininteresse der Artenvielfalt übersteigen kann und darf. Es gibt mehr als genügend Angebot zum Klettern, wo sich jeder Einzelne sein ganzes Menschleben lang austoben könnte. Ersterschliessung ist, wenn überhaupt, überwiegend Dienst für die nachfolgenden Generationen. Zum Thema Kletterethik fällt mir auf, dass diese oftmals reflektionslos übernommen wird. Würden irgendwo so alte Gesetzestexte in irgendeinem Gesetzbuch stehn würde diese jeder anzweifeln. Bei Kletterethik scheint das ein unumstössliches Faktum zu sein, das auf ungeschriebenen Regeln basiert, die vor über 100 Jahren aufgestellt wurden, in einer Zeit, wo der „Bergsport“ begründet wurde. Seither hat sich aber vieles verändert. Nicht nur im Alpinsport selbst, sondern auch in der Umgebung in der er stattfindet. Eine weitere Frage, nämlich, die der Legitimierung von Regelaufstellung muss sich auch gestellt werden, denn der Alpinsport findet nicht im leeren Raum oder im “ toten Umfeld“ statt,sondern eben in der Natur, in welcher wir Bergsportler und auch wir Menschen nur EIN Teil sind.

  18. Wir leben in einer Zeit in welcher sehr oft Individualismus mit Egoismus verwechselt wird.
    Hat leider meine Generation eingeleitet.
    Eine Route mit mehr Seillängen von oben einzurichten ist keine Erstbegehung sondern eine Erstbeseilung.
    Scheitern und eventuell die Linie ändern, gehört nun mal zum Wesen einer Erstbegehung.
    Da ich mich seit 40 Jahren wenig bis gar nicht für die sogenannte Szene interessiere sind mir die beiden Erstbeseiler dieser Route unbekannt. Da Klettern zwischenzeitlich ein Lifestyle Sport mit allen negativen Auswirkungen geworden ist sollten jedoch gerade Meinungsbildner besonders vorsichtig sein welche Aktionen sie setzen. Die Berge und die Natur gehören uns nicht, wir haben sie lediglich von den nächsten Generationen geliehen und sollten Kletterern die kreativ und mutig genug sind diese fair zu erschließen genug Möglichkeiten übrig lassen um auch in den Genuß dieser außergewöhnlichen Erfahrung zu kommen.

  19. Dörte und Daniel haben es sicher gut gemeint. Persönlich brauche ich allerdings eine solche „Dienstleistung“ nicht. Für mich als Wiederholer zählt der Spirit einer Route mindestens genauso viel wie die Schönheit der einzelnen Klettermoves. Warum sollte ich denn ein von oben eingebohrtes Retorten-Produkt konsumieren, wenn ich mit gleichem Aufwand auch ein echtes Kunstwerk etwa von Kaspar Ochsner oder Michel Piola zelebrieren kann? Aber soll sich doch der Alpinismus entwickeln wohin er will und lassen wir die Leute machen was sie wollen. Das hat ja bisher ganz gut geklappt in unserem Sport.

    • Ja, was sich daraus entwickeln kann, oder schon vor Jahren passiert ist, sieht man am Donnerkogel im Gosaukamm.
      Vor mehr als 100 Jahren hat Paul Preuß eine sehr schöne 4er Route am Donnerkogel allein erstbestiegen.
      Heute geht genau über seine Route der Himmelsleiter Klettersteig hinauf, an dem sich die Leute über Seile und Tritte aus Stahl hinaufziehen.
      Alle dürfen nach vielen Wortmeldungen hier alles. Wo das hinführt, sieht man am Donnerkogel, – na Prost!

    • Angelehnt an die hier geführte Diskussion möchte ich mit einem Augenzwinkern anmerken: „Es kommt nicht immer alles dort hinunter, wo es hinaufgekommen ist“

      In der ganzen Diskussion gehen mir ganz simpel die Normalkletterer (sagen wir einmal bis 6a) völlig vergessen. Von mir aus können Profikletterer ihre Linien einrichten wie immer sie wollen, mit persöhnlichen Vorgaben und Selbstbeschränkungen jeglicher Art. Nur erwarte ich dann von ihnen auch, dass sie, wenn sie später im Alter einmal nicht mehr ihr ursprüngliches top level haben, das Beklettern von „sportlich wert-, nievau- und spiritlos“ für den kletternden Pöbel eingebohrten Routen sein lassen.
      Ich habe bereits mehrfach von „alten Kämpfern“ erfahren, die ihre ehemaligen „Heldentaten“ inzwischen als eigentlichen Unsinn aus Ermangelung mangelder Erfahrung, Ressourcen oder übertriebenem Sportsgeist betitelten, und erneut zur Bohrmaschine griffen um die eigenen „Sünden“ zu korrigieren…

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