Glรผcklicherweise fรผhrten eingeschliffene, fรผr kurz oder lรคnger fix montierte Exen, bislang verhรคltnismรคssig selten zu Unfรคllen. Doch wenn es zu einem Seilriss kommt, sind die Auswirkungen oft verheerend. Wir haben mit Daniel Benz, Vereinsprรคsident von EastBolt, รผber eine Gefahr im Sportklettern gesprochen, die zwar vielen bekannt ist und trotzdem nicht die nรถtige Beachtung findet.
Markus Hutter hat in einem Gastbeitrag zum Thema Fixexen kรผrzlich seine Gedanken zu fixen Expressschlingen in Sportkletterrouten kundgetan. Sein Meinungsartikel ยซFixexen – Wird die Felswand zur Konsumarena?ยป ist intensiv gelesen und diskutiert worden. Ein Aspekt, den Markus Hutter bewusst ausgeklammert hat, wollen wir an dieser Stelle genauer anschauen: Das Risiko eingeschliffener Karabiner.
Wir haben mit Daniel Benz รผber Seilrisse, Fehlerkultur und Eigenverantwortung gesprochen. Der Sarganserlรคnder ist seit klein auf in den Bergen unterwegs und als Sportkletterer oft auch in Routen, die mit potenziell gefรคhrlichen Fixexen ausgerรผstet sind. Als Prรคsident des Vereins EastBolt engagiert er sich mit anderen passionierten Kletterern und Erschliessern fรผr die Sicherheit im Klettersport. Der Verein sorgt fรผr die Instandhaltung bestehender Kletterinfrastruktur und unterstรผtzt die Sanierung von Routen.
Daniel, warum machst du bei EastBolt mit?
Im Prinzip ganz einfach: Ich wurde von Fredy Tischhauser, der massgeblich zum Entstehen des Vereins beigetragen hat, angefragt, das Prรคsidium zu รผbernehmen. Ich wusste zwar nicht genau, was mich in dieser Funktion erwartet, doch ich hatte schon so meine Meinung zum Thema Sanieren. Ich hatte mich frรผher schon ab und an beschwert, wenn Routen durch eine Sanierung an Erlebniswert und Anspruch verloren haben, und da dachte ich: anstatt nur zu motzen, kรถnnte ich da ja wirklich einen Teil beitragen und dadurch auch mitbestimmen.
Wie oft begegnest du in deinem Kletteralltag eingeschliffenen Fixexen?
Wenn ich privat klettere, begegne ich leider immer wieder bedenklich eingeschliffenen Karabinern. Wenn man irgendwo in eine Route einsteigt, wo fixes oder zum Projektieren belassenes Material mit Alu-Karabinern hรคngt, so gibt es meistens solche, die schon mindestens in bedenklichem Status sind.
Aber zurรผck zum Thema: meine Wahrnehmung punkto Fixexen ist, dass in beliebten, schwierigen und steilen Routen mittlerweile fast immer Material hรคngt. Wird es entfernt, hรคngt einfach der Nรคchste wieder etwas rein. Ich finde, dass man dann wenigstens gutes Material verwenden sollte, welches nicht innert kรผrzester Zeit scharf geschliffen ist.
Wie schnell kann dies gehen?
Gerade wenn viele Leute eine Route probieren und diese vielleicht auch noch lang ist und viel Seil schleift, kann es schnell gehen. Auch tragen Sand oder andere feine Partikel, welche sich im oder am Seil befinden, massgeblich zum Schleif-Effekt bei. Ich habe schon beobachtet, dass in einer Route fabrikneue Alu-Karabiner hingen, und diese bereits eine oder zwei Wochen spรคter gefรคhrlich scharf geschliffen waren.
รber die Gefahr von Seilrissen durch eingeschliffene Karabiner ist spรคtestens seit dem tragischen Unglรผck 2012 in Magletsch viel geschrieben worden. Was hat sich aus deiner Perspektive seither verรคndert?
Man trifft heute viel รถfter auf Stahlkarabiner, wo frรผher Alu ยซverbautยป war. Das heisst ein gewisser Wandel hat durchaus stattgefunden. รbrigens nicht nur outdoor, auch in den Kletterhallen werden heute Stahlkarabiner verwendet. Karabiner aus Stahl schleifen zwar auch ein, dieser ganze Prozess dauert aber ein Vielfaches so lange wie beim Aluminium. Es ist bei Stahlkarabiner nicht so, dass sie quasi von einem Tag zum anderen scharfkantig werden. Wenn man erste Abnutzungserscheinungen feststellt, hat man noch genรผgend Zeit, zu reagieren.
Findest du, dass insgesamt genug zum Thema eingeschliffene Karabiner sensibilisiert wurde?
Auf der einen Seite ja, das Thema wurde breit gestreut und jeder kann es wissen. Aber wenn ich mich umsehe, hรคngen dennoch immer wieder Alu-Karabiner, und โ wenig รผberraschend โ hรคngen auch immer wieder scharf eingeschliffene Alu-Karabiner. Von dem her habe ich das Gefรผhl, dass es immer noch Leute gibt, die sich dieser Gefahr nicht, oder zu wenig bewusst sind.
Zudem kann man hier noch anfรผgen, dass eingeschliffene Karabiner โ auch wenn sie noch nicht im Kapp-Stadium scharf sind – die Lebensdauer von Seilen stark beeintrรคchtigen. Die Leute bestrafen sich mit dem ยซSchrottยป also auch noch finanziell.
Spielt bei der Wahl zwischen Stahl und Alu auch der Kostenaspekt eine Rolle?
Ich denke, der Kostenaspekt spielt eher eine untergeordnete Rolle. Viel mehr spielt die Verfรผgbarkeit eine Rolle, Stahlkarabiner sind schwieriger erhรคltlich und die Meisten haben keine solchen vorrรคtig, somit nehmen sie als Permanentmaterial halt das, was sie haben.
Manchmal passiert es aber auch, dass jemand eine Route projektiert, einen Teil davon mit gutem Material ausrรผstet und den Rest jedes Mal aus der Kletterposition einhรคngt. Dann kommt der Nรคchste und ergรคnzt mit Material, das qualitativ zu Beginn schon in Ordnung ist, sich jedoch fรผr diesen Zweck nicht eignet und deshalb rasch scharf eingeschliffen wird.
Das lรคsst sich wohl kaum verhindern, oder?
Ein Tipp, der mir von Marcel Dettling zugespielt wurde und den ich inzwischen fรผr mich selber auch รผbernommen habe: Ich verwende fรผr die erste Zwischensicherung beim Sportklettern immer eine Exe mit Stahlkarabiner, denn so hรคlt das Material einfach lรคnger. Wenn ich eine Route fรผr einen Tag mit eigenem Material projektiere, so verwende ich inzwischen auch an den Stellen, an denen ich รถfter stรผrze oder das Seil stark umgelenkt wird, lieber Stahlkarabiner.
Schรถn wรคre es, wenn sich viele Leute der Problematik bewusst wรคren und jeder immer ein paar Stahlkarabiner im Gepรคck dabei hรคtte. Entdeckt man einen scharf eingeschliffenen Karabiner, kann man ihn tauschen. An dieser Stelle sei erwรคhnt, dass der Preis fรผr einen Stahlkarabiner heute im Bereich von drei Franken liegt, wenn man ihn รผber geeignete Kanรคle beschafft.
Ich wรผrde gar so weit gehen und sagen: Es ist immer noch besser, einen scharf eingeschliffenen Karabiner rauszunehmen, auch wenn man keinen Ersatz dabei hat. Immerhin hat man dann die Gefahrenquelle entfernt. Schlimmstenfalls kommt spรคter jemand an dieser Zwischensicherung vorbei und kann mangels eigenem Material nicht klippen. Dann muss man halt zurรผck klettern, abspringen oder ohne zu klippen weiter steigen. Besser als ein allfรคlliger Seilriss ist das alleweil.
Fixexen hรคngen tendenziell in schwierigen Routen, entsprechend sind meist starke Kletterer betroffen. Woher kommt das mangelnde Bewusstsein?
Da kann ich nur mutmassen. Zum einen gibt es viele Kletterer, die in der Halle ยซaufwachsenยป und rasch stark werden. Dort wird das Material regelmรคssig gewartet und Seilrisse sind kaum ein Thema. Wenn sie irgendwann nach draussen gehen, sind sie sich der Gefahr oft nicht bewusst. Nur weil man stark geworden ist, heisst das noch nicht automatisch, dass man auch wirklich Erfahrung in diesen Dingen hat.
Eine weitere, ebenso plausibel scheinende Erklรคrung wรคre die folgende: Es sind eher die erfahrenen und starken Outdoorkletterer, welche die Sicherheitsaspekte tief gewichten, z.B punkto Verwendung von Helm, Material oder Seil, welches gebraucht wird, bis der Kern sichtbar wird.
Vor nicht allzu langer Zeit ist es in Nassereith zu einem Beinahe-Seilriss gekommen, ihr habt auf Estbolt.ch darรผber berichtet. Betroffen war ein erfahrener Kletterer.
Zufรคllig hatte ich mit der in den Vorfall involvierten Sicherungsperson eine Woche davor genau dieses Thema noch diskutiert. Natรผrlich waren wir uns auch einig. Das Beispiel, das zum Glรผck glimpflich ausging, zeigt also einfach, was passieren kann und wie heimtรผckisch das Ganze ist.
Was sind konkrete Vorsichtsmassnahmen, die Kletterer treffen kรถnnen?
Ein wichtiger Punkt ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen: Warum wird ein Karabiner scharf eingeschliffen? Im Prinzip ist es selbsterklรคrend. Wenn man beispielsweise an Punkten, wo das Seil deutlich umgelenkt wird, die Schlinge verlรคngert, reduziert dies nicht nur den Seilzug, sondern schont auch den betroffenen Karabiner. Im besten Fall schafft man es, dass die Sicherung beim Ablassen des Kletterers nicht belastet wird. Dann hรคlt ein solcher Karabiner meiner Erfahrung nach sehr lange.
Karabiner werden gefรคhrlich scharf eingeschliffen, wenn das Seil in einem stumpfen Winkel durch den Karabiner fรผhrt. Man kann sich vereinfacht eine Rundfeile vorstellen, die anstelle des Seils am Express schabt. So bekommt man eine gute Vorstellung davon, was fรผr ein Schleifmuster dies hinterlรคsst.
Anders verhรคlt es sich bei der Umlenkung am Stand. Aber auch das ist selbsterklรคrend, wenn man sich einen Moment Zeit nimmt, darรผber nachzudenken.
Seilrisse durch eingeschliffene Fixexen: Das kannst du dagegen tun
- Eigenverantwortung tragen und sich mit dem Thema auseinandersetzen
- Verantwortung fรผr andere รผbernehmen, indem man eingeschliffene Karabiner ersetzt oder zumindest entfernt
- Stahlkarabiner statt Aluminiumkarabiner verwenden
- Fixexen beim Projektieren nur so lange wie nรถtig hรคngen lassen
- Exen verlรคngern, um Schleifwirkung zu vermindern
- Beim Sichern und Ablassen nahe an der Wand stehen
Zurรผck zur Vorkehrung, was kann man weiter tun?
Wenn man scharf eingeschliffene Karabiner aus einer Route entfernt hat, neigen ehrliche Leute dazu, das Material am Einstieg der Route zu deponieren, da man sie ja nicht stehlen will. Nur leider habe ich mehrfach beobachtet, dass dieselben Karabiner dann wenige Tage spรคter wieder in der Route hingen. Daher betrachte ich das Entfernen von Alukarabiner mittlerweile eher als Mรผllentsorgung.
Ansonsten wรคre noch etwas zu erwรคhnen, das zwar nichts mit Seilrissen zu tun hat, jedoch ebenso zu einem Bodensturz fรผhren kann: das Versagen einer Zwischensicherung auf den ersten Metern einer Route. Fix installierte Schlingen altern aufgrund der UV-Strahlung. Ebenso kommt es vor, dass die Rรผckseite der Schlinge auf einer Felsunebenheit reibt und die Schlinge dadurch unbemerkt an Materialstรคrke verliert, bis sie im schlimmsten Fall einer Sturzbelastung nicht mehr standhรคlt.
Wenn ich eine Route mit fixem Material ausstatte, verwende ich dazu oft Seilschlingen anstelle von Expressschlingen. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass man die Schlingenlรคnge optimal an die Gegebenheiten anpassen kann. Im Vergleich zu den oft dรผnnen Expressschlingen dรผrfte aber auch die UV-Bestรคndigkeit deutlich besser sein – Stichwort Eindringtiefe. Und nicht zuletzt ist es auch viel teurer, wenn man mehrere Expressschlingen ineinander hรคngt.
Im Endeffekt lebt der Klettersport ja von der Eigenverantwortung. Sprich: nutze ich etwas bestehendes, muss ich es selber prรผfen und einschรคtzen.
Ja das ist so. รber Eigenverantwortung, und wie diese unserer modernen Gesellschaft immer mehr abhandenkommt, kรถnnte man ein ganzes Buch schreiben. Gerade auch in unserem Sport ist Eigenverantwortung unverzichtbar. Trotzdem besteht der Bergsport nicht nur aus Eigenverantwortung, sondern beispielsweise auch aus Kameradschaft, was automatisch auch bedeutet, dass man nicht nur Verantwortung fรผr sich selber, sondern bis zu einem gewissen Grad auch fรผr seine Mitmenschen รผbernimmt. Hat man also die Mรถglichkeit, einen sich anbahnenden Unfall zu verhindern, dann sollte man das auch tun, ganz egal in wessen Verantwortung dies nun liegt, oder?
Zweifellos.
Dazu kommt mir ein Beispiel aus Sizilien in den Sinn, wo ich die Mรถglichkeit gehabt hรคtte, einen Unfall zu verhindern, dies aber aus Bequemlichkeit unterlassen hatte.
Erzรคhl.
Im Klettergebiet San Vito Lo Capo brach vor einigen Jahren mit einer Platte ein ganzer Stand aus. Ich war die betroffene Route Jahre zuvor in den Ferien geklettert. Auf den letzten Metern vor dem Umlenker klang der Fels massiv hohl und dies ziemlich grossflรคchig. Und genau in dieser hohlen Schuppe steckte der Stand. Glรผcklicherweise konnte ich relativ leicht an den Stand der Nachbarroute queren und diesen benutzen.
Ich ahnte zwar, dass der Stand nicht hรคlt, hatte aber weder Werkzeug dabei, noch sprach ich italienisch oder kannte jemanden von den Locals. Also beliess ich es dabei, davon ausgehend, dass sich da wohl niemand reinsetzen wรผrde, denn die Gefahr war meinem Empfinden nach wirklich offensichtlich.
Einige Zeit spรคter plante ein Kollege in dieses Gebiet zu gehen. Er nahm seine Bohrmaschine mit, um vielleicht noch selber etwas zu erschliessen. Da ich mich noch an den betroffenen Stand erinnerte, wies ich ihn darauf hin, dass er doch den Stand erneuern solle. Ich sagte es ihm aber eher beilรคufig als eindringlich. Wohl deshalb hat er vor Ort dann nicht daran gedacht. Und da er die Route nicht kletterte, ist es ihm natรผrlich nicht aufgefallen.
Danach vergingen weitere Jahre, bis schliesslich tatsรคchlich eine Person mit diesem Stand abstรผrzte und sich schwer verletzte.
Machst du dir deswegen Vorwรผrfe?
Nein, aber ich versuche aus solchen Dingen zu lernen und Fehler, die mir oder anderen passiert sind, mรถglichst nicht zu wiederholen.
Wรคr sich eingehender mit der Thematik befassen mรถchte, dem seien folgende Links empfohlen:
- Unfallursache: Seilriss! | Bergundsteigen
- Fixe Exen: bequem, aber gefรคhrlich! | Blog Marcel Dettling
- Schnittstelle Exe | DAV Panorama
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Credits: Titelbild Eastbolt.ch