Louis Gundolf gelingt die erste freie Begehung von Ganesha Extension, einer schwierigen Route von Hansjörg Auer an der Elefantenwand im Ötztal. Im Interview erzählt der Profikletterer, wie eine Verletzung ihn zu dieser Linie führte, was ihm diese Begehung bedeutet und wie ihn eine unkonventionelle Beta in der zweiten Schlüsselstelle zum Erfolg führte.
Die Elefantenwand befindet sich im hinteren Teil des Ötztals. In diesem Klettergebiet hat Hansjörg Auer 2010 die Route Ganesha Extension eingebohrt. Stew Watson vermochte 2012 den ersten Teil erstzubegehen. Die komplette Linie konnte bislang noch niemand befreien. Am 8. November hat Louis Gundolf genau dies geschafft und sich die erste freie Begehung von Ganesha Extension gesichert.
Louis, herzliche Gratulation zu deiner freien Begehung von Ganesha Extension. Wie würdest du diese Linie kurz und knapp umschreiben?
Ganesha Extension hat zwei herausstechende und sehr boulderlastige Schlüsselstellen. Eine ganz am Anfang, welche in der ursprünglichen „Ganesha“ die Schlüsselstelle ist. Danach folgt noch ein Boulder, welchen ich als genau so schwer, vielleicht sogar noch schwerer empfunden habe.
Wie bist du dazu gekommen, diese Linie zu probieren?
Im Dezember 2023 hatte ich mich gerade am Finger verletzt und musste zur Therapie gehen. Stew Watson ist im Bereich Finger meiner Meinung nach der mit Abstand beste Therapeut. Während unserer Sitzungen sind wir auf Hansjörg und eben auf diese Route zu sprechen gekommen.
Wie lange hat der Prozess vom ersten Auschecken bis zum Durchstieg gedauert?
Überraschenderweise gar nicht so lange. Das erste Mal bin ich am 2. August eingestiegen, der Durchstieg erfolgte am 8.November. Insgesamt hab ich sieben Sessions für alles gebraucht – zwei für den ersten Teil von Ganesha, fünf weitere bis zum Durchstieg von der Extension.
Du hast zu deiner Begehung geschrieben, dass es dir sehr viel bedeutet hat, eine von Hansjörg Auer eingebohrte Route komplettieren zu können. Warum ist das so?
Wie viele andere grosse Namen in der Kletterszene war auch Hansjörg immer sehr angesehen für seine Leistungen – und für mich zugleich ein grosses Vorbild.
Besonders eindrücklich eingeprägt hat sich mir eine Begegnung mit ihm in der Imster Kletterhalle, als ich noch sehr jung war. Er sprach mich von sich aus an und fragte, welche Route ich gerade ausprobieren würde. Ich war unglaublich nervös, doch irgendwie entwickelte sich ein angenehmes Gespräch.
Hansjörg hatte in unserer Familie stets eine besondere Bedeutung. Später, als mein Papa mit Hansjörg, David und Peter auf einer Expedition war, entstand eine noch engere Verbindung. Obwohl mein Papa dort als Kameramann und Safety-Guy gearbeitet hatte, kehrte Hansjörg auch danach immer wieder bei uns zu Hause ein. Mit der Zeit wurde er ein echter Freund, vor allem für meinen Papa!
Es fällt mir schwer, einen bestimmten Moment herauszufiltern, der den Ausschlag dafür gegeben hat, dass Hansjörg mich so stark in meinem Weg als Kletterer beeinflusst hat. Doch ein Zitat von ihm ist mir besonders im Gedächtnis geblieben.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wortwörtlich wiedergeben kann, aber sinngemäss sagte er, dass er nach einem Tag in einer alpinen Wand zufriedener wäre, als nach einem Tag im Sportklettergarten. In der alpinen Wand habe er das Gefühl, mehr gemacht und erlebt zu haben. Dieses Gefühl kenne ich nur zu gut, vor allem, wenn ich mich gerade alpinen Projekten widme.
Kannst du etwas zum Stil und Charakter von Ganesha Extension erzählen?
Die Route ist sehr boulderig mit guten Rastpositionen dazwischen und einem, wenn man gepumpt ist, sehr spannenden Ende…
Das, was diese Route zur wahrscheinlich besten Route macht, die ich je geklettert bin, ist auch der Fakt, dass man in der zweiten Schlüsselstelle die Füsse über den Kopf schmeissen muss und dann einen Heel-Toe-Cam machen muss, um weiter zu kommen.
Was hat dich an dieser Route am meisten herausgefordert?
Wahrscheinlich die Tatsache, dass man zwei wirklich schwere Boulder hintereinander klettern muss, die beide perfekt eingeschliffen sein müssen. Wenn man beispielsweise beim oberen Boulder rausfällt, muss man unweigerlich den ersten voll schweren Boulder genau so wieder erst einmal durchsteigen. Die Challenge war also definitiv mental.
Was nimmst du aus dieser Begehung für dich mit?
Dass in dieser Tour wahrscheinlich das erste mal für mich der Grad der Route überhaupt keine Rolle gespielt hat. Das versuche ich für künftige Begehungen mitzunehmen.
In welcher Grössenordnung spielt Ganesha Extension deiner Meinung nach?
Diese Saison habe ich mich nur auf den Fels konzentriert und keine Wettkämpfe geklettert. Vor allem wegen meines Fingers, aber auch aus persönlichen Gründen. Wegen meines Fingers war für mich das Ziel heuer, eher viele mittelschwere Routen in meiner Umgebung zu klettern, als mir an einem voll schweren Projekt den Finger wieder kaputt zu machen. Darum bin ich diesen Sommer viel im Ötztal und Umgebung gewesen und habe 18 Routen im Grad 8c und schwerer klettern können.
Beim ersten Teil von Ganesha gehen die Meinungen auseinander, ob es 8c oder 8c+ ist. Meiner Meinung nach kann man den ersten Teil nicht mit anderen Routen aus demselben Gebiet, oder dem Ötztal vergleichen, die mit 8c bewertet sind. Ich finde sogar, dass der erste Teil von Ganesha deutlich schwerer ist als Klassiker wie Don Pedro (8c+ Niederthai) und One Night Stand (8c+ Niederthai).
Man kann sich also vorstellen man klettert die Ganesha 8c bis 8c+, danach hat man eine mittlere bis gute Ruheposition und klettert dasselbe noch einmal. Zusammen ist die Route ca. 35 Meter lang und nicht nur boulderig sondern auch voll ausdauernd.
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Credits: Titelbild Matteo Mocellin