Skyrunnning am Bietschhorn im Wallis

Nicht nur Profi-Athleten versuchen in mรถglichst kurzer Zeit imposante Gipfel zu erklimmen. Im heutigen Beitrag berichtet euch Chris Moser รผber seine Speedbegehung am Bietschhorn – auch Skyrunning genannt –ย und teilt wichtige Informationen fรผr ambitionierte Nachahmerinnen und Nachahmer.

Ein Erlebnisbericht von Chris Moser โ€“ Bรคchli Bergsport

Nachdem ich letztes Jahr am Matterhornย ebenfalls im Skyrunning-Stil unterwegs war, wollte ich es diesen Sommer mit dem Bietschhorn 3934m gleich tun. Der Berg gehรถrte ungefรคhr in dieselbe Kategorie wie dasย „Horu“: 2500 Hรถhenmeter Anstieg ab Talboden, ausgesetzte Kletterei im 3. Schwierigkeitsgrad, stellenweise komplexe Wegfindung. Max war sofort zu haben fรผr dieses Projekt, und so fieberten wir gespannt dem Tag X entgegen.

Ab durch den Lรถtschberg

Da der erste Zug erst um 05:50 Uhr durch den Lรถtschbergย fuhr, mussten wir fรผr einmal nicht so frรผh aus den Federn. An der Bernina 4049m (Biancograt) vor einigen Wochenhatte ich mir zuvor eine Nacht um die Ohren geschlagen. Wรคhrend wir das Lรถtschental hochfuhren, bekamen wir auch bald das Bietschhorn zu Gesicht. Blauer Himmel weit und breit, doch ausgerechnet das Bietschi war wolkenumhangen, super! Allerdings war es ja noch frรผh am Morgen, und bis wir dort oben standen konnte sich noch viel รคndern.

Bietschhorn-Skyrunning_Anstieg

Kurz nach halb sieben sind wir schliesslich in Ried Pkt. 1486m gestartet. Runter zur Lonza und รผber die Brรผcke, dann dem Wanderweg folgend hinauf zurย Bietschhornhรผtteย 2565m. Wir waren erst etwas mehr als eine Stunde unterwegs und brauchten noch keine Pause. Der Wegspur und den weissen Markierungen folgend stiegen wir hinauf zum Bietschjoch 3174m. Nun war es an der Zeit eine Pause einzulegen und zu verpflegen. Es war kein schlechter Ort dafรผr: Sonnig und warm, mit toller Sicht auf Mischabel und Weisshorn und natรผrlich auch auf den Bietschhorn 3934m Westgrat in seiner Gesamtheit, eine ziemlich eindrรผckliche Erscheinung.

Stรถcke weg, Helm auf

Nun schritten wir รผber den Bietschgletscher in einem Linksbogen dem Auslรคufer des Westgrates entgegen. Das ging gerade so ohne Steigeisen, allerdings kรถnnte man auch direkt รผber den Schafbรคrg 3240m schreiten und somit kaum einen Fuss auf den Gletscher setzen. Am Einstieg des Westgrates, circa 3150m, deponierten wir die Stรถcke und setzten den Helm auf den Kopf, nun ging es endlich zur Sache.

Bietschhorn-Skyrunning_Das-Ziel-rรผckt-nรคher
Das Ziel rรผckt nรคher.

Zuerst ging es รผber einfaches Blockgelรคnde hinauf zu Pkt. 3408m. Die folgenden Tรผrme umgingen wir sรผdseitig in der Schuttflanke und brรผchigem Fels. Ab und zu sahen wir Wegspuren, so waren wir einigermassen sicher richtig zu sein. Zurรผck auf dem Grat standen wir vor weiteren, scharfen Tรผrmen. Diese zu รผberklettern wรคre eine grรถssere Herausforderung. Wir mussten diese umgehen. In der Sรผdflanke sahen wir einige alte Spuren (im Schnee), doch dies schien uns zu heikel. Und wir sollten Recht bekommen. Nachdem wir eine Mรถglichkeit in der schattigen Nordseite suchten, fanden wir tatsรคchlich einige Bohrhaken und Wegspuren, hier ging es weiter. Sehr unรผbersichtlich alles, und die Tourenfรผhrerย schweigen sich aus รผber diesen Abschnitt.

Der Fels wird immer besser

Auf ca. 3500m konnten wir wieder auf den Grat aussteigen. Wir versuchten uns diese Stelle einzuprรคgen. Dann kletterten wir mehr oder weniger direkt auf dem Grat dem grauen Turm entgegen. Der Fels wurde nun deutlich besser und die Kletterei schรถner. Wir hielten uns mehrheitlich am Grat, ab und zu wichen wir aber erneut in die Sรผdflanke aus (Wegspuren). Den grauen Turm erkletterten wir direkt (III), eine Umgehung rechts herum wรคre ebenfalls mรถglich gewesen. Unterdessen begegneten wir einigen Bergfรผhrern mit ihren Gรคsten, dank frรผhem Aufbruch befanden sie sich bereits im Abstieg. Doch auch wir waren zeitlich noch voll im Fahrplan, es gab keinen Grund zur Eile. Die von uns gesetzte Zeit zur Umkehr (12:00 Uhr) wรผrden wir problemlos unterbieten.

Bietschhorn-Skyrunning_Der scharfe Grat nach dem roten Turm.jpg
Der scharfe Grat nach dem roten Turm.

Der ominรถse Rote Turm, mit der nominellen Crux (III), war Klettergenuss pur und entgegen unserer Annahme total harmlos. Der zuvor erkletterte Turm war anspruchsvoller. Die darauf folgenden Meter รผber den scharfen Grat und einige Tรผrme erforderten noch einmal hรถchste Konzentration, dann erreichten wir bereits den Nord- oder Talgipfel. Es folgten die letzten Meter in einfacher Kletterei รผber den Grat bis zum Gipfelkreuz. Das war nun eine super Bergfahrt, viel besser als wir es erwartet hatten. Die im Internet kursierenden Berichte verbanden den Westgrat fast ausschliesslich mit nervigem Bruchgelรคnde, dies konnten wir so nicht bestรคtigen. Im Gegenteil: es war eine grossartige Tour.

Sofort waren wir in ernsthaftem Gelรคnde

Wir installierten uns auf diesem erhabenen Gipfel und genossen fรผr einige Minuten die wunderbaren Aus- und Tiefblicke. Das Wetter war immer noch stabil und die Temperaturen angenehm. Daher wollten wir uns auch Zeit lassen im Abstieg. Bis oberhalb des roten Turms kletterten wir seilfrei, aber dann waren wir uns nicht zu schade trotzdem das Seil hervorzunehmen, auch wenn die folgenden Kletterstellen nicht wirklich schwierig waren. Trotz Seil kamen wir gut und zรผgig voran. Die nรคchste Schwierigkeit bestand darin, den Einstieg auf circa 3500m in die nordseitige Umgehung der Tรผrme zu finden. Prompt hatten wir einen kleinen Verhauer produziert. Wir kletterten zu frรผh in die Nordflanke hinein, und befanden uns danach sofort in ernsthaften Gelรคnde. Immerhin bemerkten wir den Fehler bald und korrigierten den Kurs, indem wir zurรผck auf den Grat kletterten. Einige Meter weiter unten am Grat fanden wir dann eine Schlinge und schon bald auch einen Sauschwanz (Bh), welcher den korrekten Einstieg in die Umgehung wies. Fรผr diesen Abschnitt im wenig vertrauenswรผrdigen Fels waren wir froh einige Sicherungen zwischen uns zu wissen.

Bietschhorn-Skyrunning_Der-Westgrat-mit-viel-Luft-unter-den-Sohlen
Der Westgrat – eine luftige Angelegenheit.

Im Tal wartete ein kรผhles Weizenbier

Nachdem wir bei Pkt. 3408m zurรผck auf den Grat gelangten, verstauten wir das Klettermaterial, und machten uns an den restlichen, nun deutlich einfacheren Abstieg zurรผck zum Materialdepot am Fusse des Westgrates (Steinmรคnner). Eine Pause wollten wir aber erst auf dem Schafbรคrg 3240m einlegen, welchen wir nach wenigen Minuten erreichten. Noch einmal bot uns das umwรถlkte Bietschhorn 3934m spektakulรคre Anblicke, bevor wir uns an den finalen Abstieg ins Tal machten. Noch vor der Bietschornhรผtte 2565m hatten wir auch den letzten Bergfรผhrer (mit immer noch angebundenem Gast) eingesammelt. Die Hรผtte liessen wir erneut rechts liegen, und rannten stattdessen in einem Zug hinunter ins Tal. Was nun folgte lag ebenfalls auf der Hand: die Belohnung in Form eines kรผhlen Weizenbiers.

Fazit des Skyruns auf das Bietschhorn

Das prominente Bietschhorn 3934m ist ein grossartiger Berg, dessen Besteigung nur schon รผber den Westgrat absolut lohnenswert ist. Viel (negatives) steht geschrieben รผber diesen brรผchigen Grat. Fรผr den unteren Abschnitt ist das wohl zutreffend, aber der obere Gratabschnitt bietet dagegen schรถnsten Kletterfels und Genuss pur. Und auf die ganze Tour gesehen nimmt der Anteil in brรผchigem Fels weniger als einen Viertel in Anspruch.

Der Bietschhorn Westgrat eignet sich perfekt fรผr einen Skyrun mit minimaler Ausrรผstung. Man betritt nur sehr wenig oder gar keinen Gletscher, und kann demnach auf Steigeisen und Pickel verzichten. Das technische Kรถnnen vorausgesetzt lรคsst sich der Grat auch gut seilfrei Klettern, sogar in Turnschuhen. Allerdings sollte man sich รผber die Verhรคltnisse informieren, denn sobald noch Schnee oder Eis am Grat liegt, dann sieht die Geschichte wieder ganz anders aus.

Der seilfreie Aufstieg war problemlos mรถglich

Da wir vorgรคngig keine Informationen hatten, entschieden wir uns fรผr die leichten Bergschuhe und Steigeisen, gebraucht hatten wir die Eisen allerdings nicht. Der seilfreie Aufstieg war problemlos mรถglich, fรผr den Abstieg war das Seil mit einigen Zwischensicherungen angenehm.

Zeitlich wรผrde im Aufstieg noch so einiges drinliegen, falls man dem Berg eine schnelle Begehung abringen mรถchte. Im Abstieg sollte man sich am Westgrat aber die nรถtige Zeit nehmen. Trotzdem waren wir mit 4:45 Std. base to summit, respektive 8:45 Std. fรผr die ganze Tour, mehr als zufrieden.

Das-Bietschhorn-mit-seinem-Westgrat

Facts zur Tour auf das Bietschhorn

  • Route: Ried – Nรคstwald – Bietschhornhรผtte – Bietschjoch – Bietschgletscher – Westgrat – Bietschhorn – Westgrat – Schafbรคrg – Bietschjoch – Bietschhornhรผtte – Ried.
  • Distanz: 18.6km
  • Hรถhenmeter: 2460m
  • Schnittpuls: 109bpm
  • Maxpuls: 137bpm
  • Verpflegung: 1 Gel, 3 Energieriegel, 1 Sandwich, 1 Liter Iso, 0.5 Liter Wasser
  • Terrain: 50% Berg- und Wanderwege, 50% weglos (oder alpine Routen).

Ausrรผstung

  • Ausrรผstung: Leichte Bergschuhe und Steigeisen, Stรถcke, Helm, Klettergurt, 30m Seil, einige Express und Karabiner, Abseilgerรคt, Bandschlingen und kurze Reepschnรผre, Rettungsdecke, kleines Medipack, Fotokamera, Sonnenbrille, Sonnencrรจme, lange Laufhose, dรผnne รœberhose, T-Shirt, Gore-Tex Jacke, Isolationsjacke, Armlinge, Handschuhe, Smartphone inklusive Swiss Map Mobile, Kartenausdruck,ย Suunto 9.

Die Schwierigkeiten der Tour

Zwischen Pkt. 3408m und 3500m: Die ersten Tรผrme kรถnnen sรผdseitig durch die Schuttflanke und brรผchigen Fels umgangen werden (vereinzelte Wegspuren), bis man zurรผck auf den Grat gelangt. Die folgenden, scharfen Tรผrme werden dann nordseitig im Bruchfels umgangen (Wegspuren, einige Bh und Sauschwรคnze). Ausstieg auf den Grat auf 3500m.

  • Einfacher wรคre es sรผdseitig, allerdings nur bei guter Firnauflage, bei Ausaperung heikel und gefรคhrlich
  • Bis zum grauen Turm auf dem Grat bleiben oder ab und zu in die Sรผdseite ausweichen (Wegspuren).
  • Die Nadel (grauer Turm?) direkt erklettert (III, 1 Bh), kann rechts (S) umgangen werden (brรผchig).
  • Roter Turm: Super Fels und eher gutmรผtig zum Klettern (III, Bh).
  • Nach dem roten Turm bis zum Talgipfel ziemlich scharf und exponiert, Kletterstellen II, einige Bh vorhanden.

Die Zeiten

  • Start Ried Pkt. 1486m um 06:37 Uhr. – Zwischenzeit Bietschjoch Pkt. 3173m um 08:32 Uhr.
  • Zwischenzeit Einstieg Westgrat 3150m um 09:04 Uhr. – Ankunft Bietschhorn 3934m um 11:19 Uhr.
  • Start Bietschhorn 3934m um 11:33 Uhr.
  • Zwischenzeit Einstieg Westgrat 3150m um 13:39 Uhr.
  • Ankunft Schafbรคrg 3239m um 13:55 Uhr.
  • Start Schafbรคrg 3239m um 14:10 Uhr.
  • Ankunft Ried Pkt. 1486m um 15:23 Uhr. (68min von Bietschjoch bis ins Tal)
  • Total mit Pausen: 8:46 Std.

Bemerkungen

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รœber Bรคchli Bergsport

Bรคchli Bergsportย ist das fรผhrende Schweizer Fachgeschรคft fรผr Klettern, Bergsteigen, Expeditionen, Wandern, Skitouren und Schneeschuhlaufen. An derzeit 11 Standorten in der Schweiz bietetย Bรคchli Bergsportย seiner Kundschaft fachkundige Beratung und hochstehenden Service. Auf LACRUX publiziertย Bรคchli Bergsportย in regelmรคssigen Abstรคnden spannende Beitrรคge zu den Themen Klettern, Bouldern und Bergsteigen.


 

Credits: Bild und Text Bรคchli Bergsport

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