«Er stürzte gefühlt endlos – mir blieb das Herz stehen» | Winterbegehung Badile

2024 war ein Jahr voller Höhen und Tiefen für den Schweizer Alpinisten Filippo Sala. Nach anfänglichen Erfolgen folgten Rückschläge – doch das Jahr endete mit einer aussergewöhnlichen Besteigung am Badile.

Ein persönlicher Bericht von Filippo Sala

Nach einer schwierigen Phase mit dem Verzicht auf gewisse Projekte und der körperlichen Fitness, die einfach nicht zurückkehren wollte, beschloss ich, eine Pause von den grossen Wänden einzulegen. Stattdessen widmete ich mich dem Sportklettern und tankte neue Energie und Motivation.

Weihnachten steht vor der Tür, und wie seit einigen Jahren ist es für mich Tradition, mich an einer bedeutenden Besteigung zu versuchen. Letztes Jahr war es die Nordwestwand des Pizzo Badile mit dem «Grande Dietro». Dieses Jahr frage ich mich: «Warum nicht wieder auf den Badile? Und vielleicht dieses Mal über die Nordostwand?»

Filippo Sala und seine beiden Seilpartner klettern Cassin und Supercombo in der Badile Nordostwand. (Bild Filippo Sala)
Filippo Sala und seine beiden Seilpartner klettern Cassin und Supercombo in der Badile Nordostwand. (Bild Filippo Sala)

Schnell bildet sich ein eingeschworenes Team

Ich kontaktiere sofort die Einheimischen im Tal, um die Bedingungen zu checken, und tatsächlich scheinen die Bedingungen in Ordnung zu sein. Zufällig fragt mich Olivier, ob ich zwischen dem 29. und 31. Dezember Zeit habe. Ich schlage ihm den Badile vor, und er ist sofort begeistert. Er erwähnt, dass auch Marc motiviert sei, und so steht das Team fest.

Am Abend des 28. kommen die beiden zu mir nach Hause, und am 29. Dezember brechen wir nach Bondo auf, wo Luzi und Severin uns erwarten. Sie bringen uns bis an das obere Ende des Bondascatals, um den Zustieg zur Hütte Sacs Furä zu verkürzen.

Die imposante Wand des Badile. (Bild Filippo Sala)
Die imposante Wand des Badile. (Bild Filippo Sala)

Der Badile ist wirklich eine fantastische Formation, eine der schönsten der Welt, und den Badile so weiss zu sehen, ist noch beeindruckender.

Der Beginn des Abenteuers
Nach zwei Stunden erreichen wir die Hütte. Nach einer kurzen Pause brechen wir weiter auf, um den Wandfuss zu erreichen, die Spur anzulegen und Material zu deponieren. Glücklicherweise liegt wenig Schnee, und nach weiteren zwei Stunden stehen wir unter der Wand. Die riesige Granitplatte ist beeindruckend.

Die Nacht ist wie immer viel zu kurz, aber die Vorfreude auf das Klettern überwiegt.

Wir kehren zur Hütte zurück, um uns auszuruhen. Nach dem Abendessen stellen wir den Wecker auf 3 Uhr morgens. Die Nacht ist wie immer viel zu kurz, aber die Vorfreude auf das Klettern überwiegt.

Filippo Sala im Aufstieg am Badile_Bild Filippo Sala

Im Licht unserer Stirnlampen folgen wir der Spur vom Vortag. Obwohl wir die Wand über uns nicht sehen, spüren wir ihre Präsenz – sie bedrückt und motiviert uns gleichermassen.

Um 5.30 Uhr erreichen wir den Einstieg. Durch einmaliges Abseilen gelangen wir auf ein grosses Band, von dem aus die Route beginnt. Ich starte mit einigen einfachen Seillängen, die uns schnell voranbringen. Bald erreichen wir einen Riss (5b) und ich wechsle auf Kletterfinken.

Als ich aus dem Riss hinausklettere begrüsst mich das erste Tageslicht – und mit ihm eine unangenehme Überraschung: Die nächsten beiden Seillängen sind mit einer instabilen Schneeschicht bedeckt. Ich übergebe das Material an an Olivier, während ich meine Bergschuhe wieder anziehe.

Ein dramatischer Moment
Olivier findet einen Bohrhaken, klippt ihn und steigt weiter über die instabile Platte. Gerade als es so aussieht, als hätte er es geschafft, bricht alles unter ihm zusammen. Er stürzt – mein Herz bleibt stehen. Sein Sturz scheint endlos.

Er stürzt – mein Herz bleibt stehen. Sein Sturz scheint endlos.

Zum Glück ist Marc aufmerksam und hält ihn rechtzeitig. Ich bin wie erstarrt. Doch Olivier steht auf und lacht, als wäre nichts passiert. Er findet eine alternative Linie und erreicht die nächste Standplatz. Ich übernehme wieder und führe uns bis zu den schwierigsten Seillängen der Route.

Eiskletterpassage am Badile. (Bild Filippo Sala)
Eiskletterpassage am Badile. (Bild Filippo Sala)

Herausforderungen und Entscheidungen
Der Schlüsselabschnitt (5c+) stellt sich mit schwerem Rucksack, kalten Händen und viel Material als noch härter heraus. Wir klettern weiter bis wir auf Eis stossen. Olivier übernimmt erneut die Führung und nach fünf bis sechs Seillängen erreichen wir ein grosses Schneefeld in der Wandmitte.

Wir diskutieren, ob wir umkehren sollen. Doch Olivier entscheidet, es zu versuchen.

Von hier scheint der Weiterweg unmöglich: dünnes Eis bedeckt die Felsen und Risse, mobile Sicherungen anzubringen ist fast unmöglich. Wir diskutieren, ob wir umkehren sollen. Doch Olivier entscheidet, es zu versuchen. Während ich ihn sichere, schlägt mein Herz schneller – ein Fehler könnte katastrophal sein.

Der Triumph am Gipfel
Nach einer nervenaufreibenden Passage erreichen wir um 17 Uhr die letzten schwierigen Längen. Noch 300 Meter liegen vor uns, diesmal technisch einfach, aber ohne Absicherungsmöglichkeiten. Marc übernimmt die Führung und um 21 Uhr stehen wir auf dem Grat.

Die Biwakschachtel am Badile. (Bild Filippo Sala)
Die Biwakschachtel am Badile. (Bild Filippo Sala)

Erst um 22 Uhr erreichen wir den Gipfel. Erschöpft, aber glücklich brechen wir in Jubel aus. Die Anspannung fällt ab und wir geniessen den Moment. Die Nacht im winzigen Biwak vergeht schnell und bei Tagesanbruch beginnen wir den Abstieg. Um 11:30 Uhr erreichen wir die Bagni di Masino, wo Max uns abholt.

Filippo Sala und seine Seilpartner auf dem Gipfel des Badile.

Ein weiteres Mal hat der Badile zu Weihnachten eine tiefe Verbindung zu mir geschaffen. Danke, Badile, für dieses Geschenk – du bist der schönste Berg der Welt. Wir sehen uns nächstes Jahr wieder!

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Credits: Bildmaterial und Text Filippo Sala

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