Gleich mehrere Kletterinnen und Kletterer schlagen Alarm: In der Finestra Wall im weltbekannten spanischen Klettergebiet Margalef wurden berรผhmte Routen wie Victimas Perez (9a) oder Gancho Perfecto (9a+) gechippt. Unbekannte haben mehrere Griffe vergrรถssert sowie aggressive Kanten abgefeilt.
Griffe in Kletterrouten zu modifizieren, ist in spanischen Klettergebieten kein neues Phรคnomen. Trotzdem sind die jรผngsten Entwicklungen besorgniserregend. Mehrere Klassiker im Sektor Finestra Wall in Margalef wurden gechippt, darunter die von Chris Sharma eingerichteten Linien Victimas Perez (9a) und Gancho Perfecto (9a+).
Griffe verbessert und Kanten entschรคrft
Den Stein ins Rollen brachte Angie Scarth-Johnson, die erst kรผrzlich als erste Frau Victimas Perez kletterte. Sie stellte wรคhrend des Projektierens eine Verรคnderung bei einer Leiste fest, nachdem sie nach einer Pause in die Route zurรผckkehrte. ยซBestimmte Dellen in einem Griff wurden entfernt.ยป
Von der australischen Kletterin darauf hingewiesen, stellt Jorge Dรญas Rullo fest, dass der gechippte Griff auch die benachbartee Route Gancho Perfecto tangierte. ยซMit der anderen Hand gehalten, ist die Leiste nun positiverยป, so der madrilenische Kletterer, der diesen Frรผhling oft in Margelef anzutreffen war.
Angie Scarth-Johnson prรผfte daraufhin Victimas Perez im Detail auf Verรคnderungen. Dabei stellte sie fest, dass der letzte Griff zu einer glatten, kantenlosen Tasche abgeschliffen wurde. ยซDie Schรคrfe, die der Griff einmal hatte, war weg.ยป Jorge Dรญas Rullo kletterte die Route ebenfalls und bestรคtigte die Entdeckung der Australierin.
Der Spanier prรผfte daraufhin auch die anderen Linien und glaubte in Gancho Perfecto Verรคnderungen festzustellen. ยซIch war mir aber nicht sicher, da ich die Route vor รผber einem Jahr geklettert bin und mich nicht mehr so gut daran erinnern konnte.ยป Mehrere einheimische Kletterer hรคtten die von Chris Sharma eingebohrten Klassiker daraufhin geprรผft und noch mehr gechippte Griffe in den beiden Routen gefunden.
Verรคnderungen in den Kletterrouten Victimas Perez und Gancho Perfecto
Bewusstsein schaffen
In den Sozialen Medien haben verschiedene Kletterprofis auf die Situation in Margalef aufmerksam gemacht. Einerseits machen sie damit ihrem รrger Luft, dass klassische Linien irreparabel verรคndert werden, andererseits hoffen viele, so fรผr die Thematik des Chippens sensibilisieren zu kรถnnen.
Das Manipulieren von Griffen in etablierten Routen sei das Schlimmste, was es gibt, findet Tom Bolger, ein Kletterer mit manchen Linien aus dem Finestra-Sektor in seinem Routenbuch. ยซWir hoffen, dass die Sensibilisierung der รffentlichkeit dazu beitrรคgt, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommt.ยซ
Dieser Konflikt fรผhre zu Spannungen in der lokalen Klettergemeinschaft, erklรคrt Beto Rocasolano. ยซNiemand weiss, was vor sich geht, obwohl wir alle darin รผbereinstimmen, dass dies ein enormer Mangel an Respekt ist gegenรผber allen Kletterinnen und Kletterern, die Zeit und Enthusiasmus investiert haben, um diese Routen zu versuchen.ยป Symboltrรคchtige Linien wรผrden so ihren Ruf und ihr Niveau verlieren.
Fragen รผber Fragen
Wie weit kann das menschliche Ego gehen? Wenn wir keinen Erfolg haben, ist es dann nicht besser, einen anderen Weg zu gehen und gestรคrkt zurรผckzukommen? Die Ereignisse in Margalef werfen viele Fragen auf, nicht nur bei den Gebrรผdern Pou, die sich in den Sozialen Medien ebenfalls zum Thema รคussern.
In den Kommentarspalten wird beispielsweise auch darรผber debattiert, ob Chippen in einfacheren Routen legitimer ist als in schwierigeren Klassikern. Oder ob Top-Kletterer, die den Fels fรผr einen bestimmten Stil modifizieren, nicht auch ihre Vorbildfunktion unterschรคtzen, da es im Endeffekt darum geht, die Natur an die persรถnlichen Bedรผrfnissen anzupassen.
Video: Tom Bolger klettert Victimas Perez
Bertrand Martenet regt gar dazu an, den gesamten ethischen Prozess zu รผberdenken. ยซDie meisten schweren Routen in Spanien sind modifiziert und die Kletter-Community kรผmmert sich einen Dreck darum.ยป Als Beispiele nennt er La Dura Dura, First Round First Minute, Golpe de Estado oder auch den oben erwรคhnten Finestra-Sektor in Margalef. Es sei ein grosses Tabu, darรผber zu sprechen. ยซWer hat das Recht zu chippen? Niemand. Warum akzeptieren wir, das Kletterer, die Routen einrichten, chippen, kleben oder anderes machen kรถnnen?ยป
Das Thema Chippen ist ein weltweites Phรคnomen und bietet viel Raum fรผr Debatten. Erst kรผrzlich haben wir darรผber berichtet, dass im Tessin systematisch Kletterrouten gechippt werden. Und jetzt wird publik, dass in Margalef High-End-Routen modifiziert werden.
Wie steht ihr dazu? Schreibt uns Eure Meinung in die Kommentarspalte.
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Credits: Titelbild Angie Scarth-Johnson
Wie war das doch? Mord am Unmรถglichen, eine Sackgasse, ethisch nicht vertretbarโฆDiretissima Zeit in den 50ern und 60ernโฆBohrhaken Leitern im Sinne eines fallenden Tropfensโฆ mรถglichst direkte Linien durch die Grossen Wรคndeโฆ dann die Besinnung, zurรผck zu Paul Preussโฆ Freies klettern, Felshaken nur zur Sicherung und nicht zum Fortbewegen verwendenโฆ soweit so gutโฆ1974 mit 10 Jahren mein erster 3000 er, 1979 das Freiklettern findet grossen Anklang bei den Jugendorganisationen der Alpenclubs in der Schweizโฆ1980, mit Heinz Jost erschliessen wir in den Calanqes, bei der Grotte Alibaba unsere erste neue Route. Selbstverstรคndlich von unten mit Felshaken die wir aus Cliffs setzten. Es war die wirklich erste Routeโฆmehr als 1500 sollten es werden, rรผckblickend auf eine 44 jรคhrige Kletterlaufbahn voller Passionโฆ kommen wir nun zur Sache, chippen von Routenโฆja, ich lehne es ganz klar ab, wenn Routen nachtrรคglich auf das eigene Niveau angepasst werden! Meistens geschieht dies aus falsch verstandenem Ego. Mehr Schein als Sein!
Als Erschliesser von Routen betrachte ich das verรคndern selbiger nicht einfach Schwarz- Weiss, Gut und Bรถseโฆ so ist die Welt nicht, und noch weniger die Kletterwelt.
Schnell sind ein paar bรถse Worte gesagt, Anklagen verbreitetโฆ und diese sind dann nicht so einfach widerrufbar.
Schรถn ist, die Kletterszene sei den 80 ern aktiv zu verfolgen, und ab und zu mit gestaltet zu haben. Vor dem Hintergrund dieses Wissens, versuche ich ein differenziertes Bild wiederzugeben. Da gab es immer wieder starke Statements von ganz nahrhaften Kletterern, die das Chippen als Krebsgeschwรผr ganz klar ablehntenโฆdas Problem an der jeweiligen Weltspitze, also im Highend Bereich bleibt immer das Ego.
So wurden Griffe entfernt und danach wieder befestigt damit kein anderer vorher das Projekt machen konnteโฆ Griffe zugepflastert, damit keine andere Beta mรถglich sein konnte und natรผrlich Griffe gebohrt, oder Sika -Leisten geklebtโฆ
Eigene Routen erschlossen, geputztโฆ und da beginnt es nun. Was heisst jetzt putzen? Was ist denn da erlaubt, was nichtโฆ?? Erst einmal bin ich der Meinung, dass ein Erschliesser hier mit Eigenverantwortung arbeiten sollte. Wie gefรคhrlich ist es, wenn beispielsweise eine lose Schuppe ausbricht. Soll ich sie ankleben, oder entfernen? Was kann ich tun, wenn ein รคusserst wichtiger Griff zur Beta lose ist? Soll ich diesen fixieren oder soll ich es lassen und die angestrebte Route wird auf dieser Linie nicht mehr mรถglich seinโฆ
Soll ich die scharfe Kannte abfeilen, oder jedes Mal beim Kletterzug mit blutigem Finger weiterziehen?
Und hier ist hรถchstwahrscheinlich jeder Purist dankbar,wenn die gefรคhrliche Schuppe vom Erschliesser fixiert wurde, und er nicht fรคllt und die Schuppe das Seil nicht durchtrenntโฆ wie gesagt, es gibt nicht Gut und Bรถse, das wรคre zu einfach!
Und klar, auch ich habe Routen manipuliert . Angepasst auf mein Kรถnnen. Aber immer vor der Erstbegehung und immer mit der vollen Ehrlichkeit!
Wer dann den Sika- Griff ablehnte, der musste da nicht hochโฆ
โฆ Mit nun 58 Jahren ist so vieles an mir vorbei gegangen und ich weiss aus erster Handโฆ โund wer glaubt unschuldig zu sein, der werfe den ersten Steinโ๐
PS: Die Gedankengรคnge von Adam Ondra zu diesem Thema finde ich sehr gelungenโฆ
Pesche
Eines von mehreren spannenden Themen. Wichtig finde ich erstmal, dass es nach meiner Vermutung zehntausende Begehungen gibt bei denen die kรผnstlich entstandenen Griffe nicht wahrgenommen wurden. Z.B. ist dies in den Klettergรคrten im val durance mein Eindruck. Aber die Touren sind gut ich klettere dort gerne! Lange Zeit habe ich auch gedacht ich wรผrde so etwas nie gutheiรen. Aber als in einer meiner Erstbegehungen an der Schlรผsselstelle ein Griff ausgebrochen ist, habe ich einen Stein in gleicher Grรถรe angeklebt. Natรผrlich wรคre das nicht notwendig gewesen, die Route war die zweitschwerste im Gebiet, hat vermutlich noch keine handvoll von Begegnungen und stรคrkere kletter*innen gehen da nicht hin. Also habe ich mir das gegรถnnt. Somit ist es aus meiner Sicht eine Frage der Verhรคltnismรครigkeit. Wenn 30m Fels eine schรถne 6b ergeben und der Erstbegehungen das erkennt und durch eine Verรคnderung dies umsetzt (weil das Teil sonst unschรถne einzelstelle 8a wรคre), ist dies mit allem drumherum abzuwรคgen. Nachtrรคglich Routen anderer zu verรคndern geht aber gar nicht. Auch wenn in Deutschland einige Erstbeher mehr Fans hรคtten wenn sie nutzerfreundlicher einbohren
oder sanieren wรผrden. Die Aussage „die deutschen mรถchten รผberall viele Haken auรer an ihren eigenen Felsen“ (Zitat aus „klettern“) hat mir zu denken gegeben. Aber das ist ein anderes Thema. Rolf