Streit um Kletterverbot am Battert wird zum Fall für die Justiz

Der DAV-Landesverband Baden-Württemberg klagt am Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen die ganzjährige Sperrung der Badener Wand. Dies nachdem das Karlsruher Regierungspräsidium im Streit um das umstrittene Kletterverbot ein sogenanntes Güteverfahren abgelehnt hat.

Im November 2022 verordnete das Karlsruher Regierungspräsidium zum Schutz der brütenden Wanderfalken die komplette Sperrung der Badener Wand am Battert für die nächsten fünf Jahre. Der DAV sowie die Bürgerinitiative 100% Battert halten diesen Entschluss weder für verhältnismässig noch für zielführend. Nachdem das Regierungspräsidium eine aussergerichtliche Lösung abgelehnt hat, kommt es nun zur gerichtlichen Auseinandersetzung. Ein konkreter Verhandlungstermin steht noch nicht fest.

Warum ziehen Gegner der Vollsperrung vor Gericht?

Kurz gesagt, halten der DAV-Landesverband Baden-Württemberg und die Bürgerinitiative 100% Battert die ganzjährige Vollsperrung der Badener Wand weder für verhältnismässig noch für zielführend. Zudem sind sie der Meinung, dass ihre Argumente nicht ausreichend gehört wurden.

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Den gegen die Allgemeinverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe eingelegten Widerspruch wies dieses vergangenen September als «zulässig, aber unbegründet» zurück.

In der seit zwei Jahren anhaltenden Diskussion seien von den Naturschutzbehörden von Beginn an ausschliesslich anthropogene Störungen für den rückläufigen Bruterfolg des Wanderfalken vermutet worden, schreibt der DAV-Landesverband Baden-Württemberg in seiner Medienmitteilung.

«Der DAV und andere Naturschutzverbände haben wiederholt die Berücksichtigung natürlicher Faktoren wie Prädatoren und Starkregen-Ereignisse gefordert sowie auf ein Monitoring per Wildtierkameras und eine Optimierung des Brutplatzes gedrängt.»

Das Regierungspräsidium Karlsruhe habe bestätigt, dass es in den vergangenen zwei Brutzeiten keine anthropogene Störungen gab, die zu einen Brutverlust führten. Vielmehr sei jeweils eine sogenannte Umverpaarung als Grund für den Ausbleibenden Bruterfolg des Wanderfalken festgestellt worden.

Es gibt keine stringente Argumentation für die ganzjährige Vollsperrung der Badener Wand

Kai Helmle, DAV-Landesgeschäftsführer

«Zum einen haben wir mit dem temporären Verschrauben der Sicherungshaken während der Brutzeit im Jahr 2022 eine gezielte Maßnahme umgesetzt, die in der Praxis den gleichen Effekt wie das vom Regierungspräsidium Karlsruhe durchgeführte vollständige Entfernen der Sicherungshaken hat. Zum anderen bestätigt die fachliche Stellungnahme der Vogelwarte Radolfzell, dass die Ausübung des Klettersports in der zweiten Jahreshälfte und damit ausserhalb der Brutzeit keine Relevanz bei der Wahl des nächstjährigen Brutplatzes spielt», erläutert DAV-Landesgeschäftsführer Kai Helmle die Hintergründe für den Gang vor das Verwaltungsgericht Karlsruhe.

Dass die Wanderfalken in der Badener Wand geschützt werden müssen, steht für alle Beteiligten ausser Frage. Grosse Uneinigkeit herrscht dagegen, wenn es um das Wie geht.  Bild: J. Bergmann
Dass die Wanderfalken in der Badener Wand geschützt werden müssen, steht für alle Beteiligten ausser Frage. Grosse Uneinigkeit herrscht dagegen, wenn es um das Wie geht. Bild: J. Bergmann

Umfangreiches Gutachten soll Klarheit schaffen

Nachdem die genauen Ursachen für den rückläufigen Bruterfolg des Wanderfalken weiterhin ungeklärt sind, hat der DAV-Landesverband ein umfangreiches ornithologisch-ökologisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches den gesamten Zeitraum von 2004 (Rückkehr des Wanderfalken an die Badener Wand) bis einschließlich der Brutsaison 2024 abdeckt.

Für 2004-2022 wird dies auf Grundlage vorliegender Daten geschehen, für 2023 und 2024 sollen auch eigene Erhebungen z.B. zum Vorkommen des Uhus erfolgen und die Aufnahmen der vom Regierungspräsidium Karlsruhe installierten Wildtierkameras an der Badener Wand ausgewertet werden.

Mit den neu erhobenen Daten erhofft sich der DAV-Landesverband Rückschlüsse, um differenzierte Maßnahmen zum Schutz des Wanderfalken ziehen zu können und dadurch eine – für den Naturschutz und den Klettersport – angemessene und einvernehmliche Regelung zur Nutzung der Badener Wand zu finden.

Prä­ju­di­zi­eller Entscheid erwartet

Die Bürgerinitiative 100% Prozent Battert will sich mit dem Klageweg vor dem Verwaltungsgericht nicht nur für die Badener Wand und eine für alle offene Natur einsetzen.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Vorgehen am Battert als Blaupause für weitere geplante Sperrungen dient. Die Tendenz: eine breite Einschränkung des Zugangs zur Natur und die Kriminalisierung derer, die gerne dort unterwegs sind.

Bürgerinitiative 100% Battert

Für das Klageverfahren wird mit zusätzlichen Kosten von 15’000 Euro gerechnet. Wer die Bürgerinitiative finanziell unterstützen will, kann dies hier tun.

Vollsperrung: Verabschiedung von bewährter Praxis

Der Alpenverein hatte bereits in den 90er Jahren zusammen mit dem Umweltministerium landesweite Regeln zum Schutz der Wanderfalken an Kletterfelsen eingeführt: Kletterverbote an Brutfelsen (bei grossen Felsen räumliche Teilsperrungen) vom 1.1. bis zum 31.7 eines jeden Jahres.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe verabschiedet sich mit der ganzjährigen Vollsperrung von dieser seit 30 Jahren gut gelebten Praxis im Einvernehmen zwischen Naturschutz und Natursport und schiesst damit eindeutig über das Ziel hinaus.

Michelle Müssig, stv. Vorsitzende Fachbereich Bergsteigen und Naturschutz im DAV-Landesverband

Während die Naturschutzstrategie des Landes Baden-Württemberg die Bedeutung von Kooperation, Motivation, Wertschätzung, Erlebnis und Begeisterung für den Naturschutz hervorhebe, werde an der Badener Wand mit einem unverhältnismäßigen Pauschalverbot eine gemeinsam getragene Lösung verhindert und nebenbei ein Keil zwischen den Naturschutz und die naturverbundenen Kletterinnen und Kletterer getrieben.

Dieses Vorgehen ist ein schlimmer Rückfall in die von Misstrauen und Konfrontation geprägten 1990er Jahre.

Michelle Müssig, stv. Vorsitzende Fachbereich Bergsteigen und Naturschutz im DAV-Landesverband

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Credits: Titelbild Panico Alpinverlag/Ronald Nordmann

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