Am El Capitan im Yosemite-Valley gelingt Babsi Zangerl und Lara Neumeier eine freie Begehung des Big-Wall-Linkups Muir Blast/El Corazon. Während sechs Tagen klettern sie 35 Seillängen mit Schwierigkeiten bis 8a und erleben beim Haulen in einer langen Traverse einen üblen Schreckmoment.
Für die österreichische Trad-Spezialistin Babsi Zangerl ist die Muir Blast/El Corazon bereits die sechste Bigwall-Route am El Capitan, die sie frei klettern kann. Für ihre Seilpartnerin Lara Neumeier hingegen sind die 1000-Meter-Granitwände im kalifornischen Yosemite Neuland – umso beeindruckender ist angesichts dieser Tatsache ihre freie Begehung.
Lara hat sich von Anfang an unglaublich gut geschlagen. Darum haben wir beschlossen, das gute Wetterfenster zu nutzen und unsere Mission zu starten, Muir-El Corazon in einem Push zu klettern.
Babsi Zangerl

Auftakt nicht nach Mass
Das Unterfangen der Beiden, die Kombination Muir Blast/El Corazon Groud-Up zu klettern, startete alles andere als optimal. «Ich habe meinen Finger verletzt, unser Haulbag hat sich verklemmt und Lara hat einen Schuh und einen Jumar fallen lassen», erzählt Babsi Zangerl.
Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten bewältigten sie am ersten Tag 11 Seillängen, am darauffolgenden Tag deren 6. Vom Bird Beak seien sie direkt zur Mammut Ledge abgeseilt, um am nächsten Tag alles Material zum höchsten Punkt zu befördern.

Der Hauling-Alptraum
Bereits morgens um 3 begannen sie mit der mühseligen Arbeit. Bei einem 50-Meter-Quergang mit ziemlich losem Fels verfing sich der schwere Haulbag an einer Schuppe. «Wir zogen von beiden Seiten am Seil, doch der Haulbag machte keinen Wank», erinnert sich Babsi Zangerl.
Einige Sekunden später haben wir bemerkt, dass sich die ganze Schuppe 20 Zentimeter von der Wand weg bewegte und beinahe abbrach.
Babsi Zangerl
Das sei definitiv der schockierendste Moment der ganzen Route gewesen. «Ein grosser Felsabbruch am El Cap bedeutete ein grosses Risiko für die anderen Kletterpartien unter uns sowie für die Touristen am Wandfuss.»
Als erstes haben die Beiden in der Folge den Haulbag fixiert. Danach kletterte Lara zu ihm rüber, löste ihn von der Schuppe und probierte diese zu fixieren.
Die Schuppe war jedoch zu schwer, um sie heben zu können und so rückte sie Lara in eine Position zurück, die uns sicher genug schien, um weiter klettern zu können.
Babsi Zangerl

Kletterhelm im Riss verkeilt
Tag 4 begann mit der 7c-Seillänge, welche das Duo in der prallen Sonne am Vortag nicht mehr befreien konnte. Während Lara eine dynamische Lösung fand, setzte Babsi auf feine Leisten. Über eine technisch-plattige 7b+ gelangten sie in ein System von Rissen, breiter als sie es gewohnt waren.
Ob ihnen wartete ein riesiger und einschüchternder Kamin. «Es war an mir vorzusteigen und ich muss sagen, dass ich mich in breiten Rissen immer noch wie ein Anfänger fühle», erzählt Babsi Zangerl.
Es ist so einschüchternd und auch immer extrem anstrengend, mich durch Offwidths und Kamine hochzukämpfen.
Babsi Zangerl
Dass sie für diese Seillänge ihren Helm nicht auszog, sollte sich bald als Fehler erweisen. «Wenig später steckte ich effektiv mit dem Helm fest und musste diesen mit meiner freien Hand rausziehen, ohne gleichzeitig selber aus dem Riss zu fallen.» Das Vorhaben gelang und Babsi kämpfte sich mit letzter Kraft zum nächsten Stand hoch.
Ich wusste, dass ich keine Energie mehr für einen zweiten Versuch hatte. Diese Seillänge war eine meiner stolzesten Onsight-Begehungen.
Babsi Zangerl
Dann war Lara an der Reihe. Sie gab alles und fiel erst kurz vor dem Stand raus. Zur Überraschung von Babsi Zangerl probierte sie es gleich nochmals. «Ich hätte nicht gedacht, dass sie dieses Ding nach einem so herzzerreissend langen Kampf jemals wieder würde probieren wollen.» Doch der zweite Versuch sass und die Beiden waren «back in the game».
Nach einem 6b Kamin, der sich angefühlt habe wie 8a, bezogen die Kletterinnen unterhalb der letzten Schlüsselseillängen ihren Schlafplatz. Mittlerweile war es ein Uhr in der Nacht. Um 2 Uhr waren sie fertig eingerichtet und gönnten sich eine Mahlzeit.
Selbst verordnete Zwangspause
Nach gerade mal drei Stunden Schlaf fühlen sich die beiden wie vom Lastwagen überfahren. Die vier vorangehenden Tage intensiver Kletterei und das pausenlose Haulen hatten ihre Spuren hinterlassen. So gönnten sie sich einen Tag Kletter- und Erholungspause und verfielen gleich wieder in Schlaf.
Wir waren von den Kämpfen am Vortag so zerschunden. Und Laras Finger – um ehrlich zu sein, ihr ganzer Körper – sah aus, als hätte sie einen Autounfall gehabt.
Babsi Zangerl

Die Zeit drängt
Insgesamt 10 Seillängen, davon eine 8a, drei 7c+ sowie einige tricky Siebner, trennten die Beiden noch vom Ausstieg. Angesichts ihrer Verfassung sei es alles andere als sicher gewesen, ob sie das in einem Tag schaffen würden, sagt Babsi Zangerl.
Jedenfalls waren wir sehr motiviert alles zu geben, da wir wussten, dass es unser letzter Tag in der Wand sein würde.
Babsi Zangerl
Die erste Crux-Seillänge befreiten beide im ersten Versuch, wobei Lara erstmals laute Kampfschreie von sich gab. Jetzt galt es nur noch das grosse Dach zu bewältigen.
«Ich versuchte sie zu einem Flash-Versuch zu überreden», erinnert sich Babsi, «und eine halbe Stunde später tat sie genau das: Sie flashte das Dach. Was für ein Moment!» Nachdem auch Babsi die Länge befreit hatte, gönnten sie sich eine ausgiebige Pause.

Danach kämpften sie sich Seillänge für Seillänge weiter. Und auch wenn die Schwierigkeiten gegen oben abnahmen, stellte sich die Wegfindung als schwierig heraus, zumal ihre Stirnlampen allmählich den Geist aufgaben. «Ehrlich gesagt, fühlte es sich nach einer Ewigkeit an, bis wir endlich oben waren.»
Um drei Uhr in der Früh erreichten wir komplett zerstört den Ausstieg.
Babsi Zangerl
«Wir fühlten uns shaky und hatten genug vom Bigwall-Klettern. Gleichzeitig fühlten wir uns so glücklich: Wir hatten unser Ziel erreicht, alles frei zu klettern und dafür mussten wir wirklich leiden. Ein weiteres grossartiges Abenteuer, welches uns für immer in Erinnerung bleiben wird.»

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Credits: Titelbild Miška Izakovičová