Gegen den Krieg in der Ukraine: Über 700 russische Kletterinnen und Kletterer unterzeichnen offenen Brief

Die weltweite Solidarität mit der Zivilbevölkerung in der Ukraine ist gross. Als einer der ersten russischen Kletternden hat Vadim Timonov viel Mut gezeigt und sich pointiert geäussert. In einem kürzlich veröffentlichten offenen Brief machen nun über 700 russische Kletterinnen und Kletterinnen ihren Standpunkt deutlich: No war.

Sprachlos, fassungslos, konsterniert – Russlands Einmarsch in der Ukraine hat ganz viele Menschen vor den Kopf gestossen. Rasch ist dieser erste Schock einer grossen Welle der Solidarität gewichen. Zahlreiche Kletterinnen und Kletterer haben auf den sozialen Medien persönliche Gefühle und Schicksale geteilt und dazu aufgerufen, zusammenzustehen.

Jakob Schubert hat gestern Nacht über die internationale Verbundenheit der Kletterszene geschrieben und damit vermutlich vielen aus der Seele gesprochen: „Die Nachrichten in diesen Tagen zu sehen, war in vielerlei Hinsicht extrem schockierend und irritierend. Vielleicht wird das Gefühl des Schocks als Kletterer noch verstärkt, da es so viel kulturelle Interaktion sowohl bei Wettkämpfen als auch an den Felsen auf der ganzen Welt gibt, was das Gefühl vermittelt, dass die Kletterszene eher eine globale Familie ist.“

Display Ads Rectangle_Trailrunning

Vadim Timonov ruft dazu auf, nicht zu schweigen

In den klassischen Medien, wie auch auf den sozialen Medien, fand die russische Perspektive bisher relativ wenig Platz. Sprich: Wie denken die Menschen in Russland über den Krieg? Können, respektive dürfen sie sich frei äussern, ohne das Repressalien drohen? Der russische Profikletterer Vadim Timonov hat vor zwei Tagen das Schweigen gebrochen und ein Statement publiziert, das nicht nur sehr nahe geht, sondern auch von ganz viel Mut zeugt:

„Wir wollen keinen Krieg! Wir wollen Frieden! Was jetzt geschieht, ist im 21. Jahrhundert inakzeptabel!“

Vadim Timonov

Statement des russischen Kletterers Vadim Timonov

„Wenn ich sehe, was in der Ukraine geschieht, blutet mir das Herz. Verwandte, Freunde und Bekannte posten Dinge, die mir wirklich Angst machen, wenn ich mir vorstelle, ich wäre an ihrer Stelle. Wir wollen keinen Krieg! Wir wollen Frieden! Was jetzt geschieht, ist im 21. Jahrhundert inakzeptabel! Wie können wir sie bekämpfen? Ich weiß es nicht, ich kann es mir nicht einmal vorstellen. Und ich verstehe, dass dieser Beitrag die Situation nicht retten wird.

vadim-timonov-russischer-kletterer
Spricht sich gegen den Krieg in der Ukraine aus: Der russische Profikletterer Vadim Timonov. Bild Vladek Zumr


Gestern war ich auf meiner ersten Kundgebung gegen den Krieg, im Zentrum von St. Petersburg. Ein Satz wie ‚Nein zum Krieg‘ führt dazu, dass 20 Bereitschaftspolizisten in voller Montur und mit Schlagstöcken einen Mann packen, ihn in einen Polizeiwagen stecken und für unbestimmte Zeit hinter Gitter bringen. Die Menschen haben Angst, ihre Meinung zu sagen!

Deshalb appelliere ich an die Sportler, an die Kletterer: Leute, schweigt nicht! Habt keine Angst! Wenn es schon nichts an der Situation ändert, so rettet es doch zumindest eure Ehre und euren Ruf. Die ganze Welt glaubt, dass ihr mit dem, was jetzt geschieht, einverstanden seid. Ich weiß, dass ihr es nicht seid!

„Leute, schweigt nicht! Habt keine Angst! Wenn es schon nichts an der Situation ändert, so rettet es doch zumindest eure Ehre und euren Ruf.“

Vadim Timonov

Wir wollen in Zukunft an Wettkämpfen teilnehmen und reisen. Wir wollen Freunde sein und uns nicht für unsere Nationalität schämen, wenn wir uns ausserhalb unseres Landes wiederfinden!

Klettern ist ein Sport, der in einem engen Kreis von Freunden und Gleichgesinnten betrieben wird. Wir reisen gemeinsam, wir sind Freunde und unterstützen uns gegenseitig. Frieden!“

Geschlossen gegen den Krieg

Spätestens seit Gestern ist klar, dass viele Kletterinnen und Kletterer gleich denken wie Vadim Timonov. In einem gemeinsamen offenen Brief haben sich – Stand heute – 721 Athletinnen und Athleten gegen den Krieg in der Ukraine ausgesprochen. Nachfolgend ihr Statement:

regenbogen-frieden-in-der-Ukraine

In unserem Sport trennt uns das Alter nicht. Kinder, Erwachsene und ältere Menschen trainieren und klettern gemeinsam. Kinder wachsen neben den Älteren auf, und alte Menschen werden neben den Kindern jünger.

In unserem Sport trennen uns die Leistungen nicht. Weltmeister und Anfänger klettern in denselben Sporthallen. Wir sichern uns gegenseitig, wir feuern uns an, wir sind Freunde. Es ist uns egal, wer im Sport besser ist.

In unserem Sport trennen uns keine internationalen Grenzen. Wir klettern an denselben Felsen. Wir treffen Freunde aus der ganzen Welt. Wir vertrauen uns gegenseitig unser Leben an, auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen können. Wir verstehen uns ohne Worte, durch Zeichensprache. Wir feuern unsere Athleten bei Wettkämpfen an, und gleich danach feuern wir Athleten aus anderen Ländern an.

Wir haben den besten Sport und die besten Menschen, die besten Beziehungen ohne Grenzen.

Aber heute trennt uns der Krieg. Es ist unmöglich, hinzuschauen, und es ist unmöglich, wegzuschauen. Wir wollen diesen Krieg nicht, er ist schrecklich und abscheulich, es gibt keine Entschuldigung dafür. Der Angriff auf die Ukraine vergiftet die Seele und bricht uns das Herz. Er vergiftet unseren Sport und zerstört unsere Träume. Wir fordern ein Ende dieses Krieges.

Wie man konkret helfen kann

Wer gerne mehr tun möchte, als sich verbal oder schriftlich mit den betroffenen Menschen in der Ukraine zu solidarisieren, dem hilft vielleicht nachfolgende nicht abschliessende Liste:

  • Ukrainische Flüchtlinge aufnehmen: Interessierte können sich in die Liste der NGO Campax eintragen und angeben, wie viele Menschen sie beherbergen können
  • Geld spenden: Für die Menschen in Not sammeln Caritas Schweiz, die Glückskette, das Schweizerische Rote Kreuz oder Save the Children
  • Kleider, Wolldecken, Hygieneartikel oder Windeln spenden: Verein „Helfen Sie mit“. Sammelstelle: Samstag von neun bis zwölf Uhr in Hüttikon. Per Post: Helfen Sie helfen, Zürcherstrasse 24, 8115 Hüttikon.
  • Die ukrainische Botschaft in Bern sammelt für die Menschen in der Ukraine medizinische Güter, z.B. mobile Defibrillatoren, sterile Handschue, chirurgische Instrumente, Schmerzmittel oder Erste-Hilfe-Sets. Das Material kann von Montag bis Freitag von 16 bis 19 Uhr in der Botschaft in Bern vorbeigebracht werden. Vorgängige Anmeldung und weitere Informationen unter [email protected]

Das könnte dich interessieren

Gefällt dir unser Klettermagazin? Bei der Lancierung von LACRUX haben wir entschieden, keine Bezahlschranke (Paywall) einzuführen. Das wird auch so bleiben, denn wir möchten möglichst viele Gleichgesinnte mit News aus der Kletterszene versorgen.

Um zukünftig unabhängiger von Werbeeinnahmen zu sein und um dir noch mehr und noch bessere Inhalte zu liefern, brauchen wir deine Unterstützung.

Darum: Hilf mit und unterstütze unser Magazin mit einem kleinen Beitrag. Natürlich profitierst du mehrfach. Wie? Das erfährst du hier.

+++

Credits Titelbild: Heiko Wilhelm, Bild Statement: Alex Jackman

Aktuell

Gletschersterben: Alpenverein misst größten Längenschwund bei Pasterze seit Messbeginn

Der jährliche Gletscherbericht des ÖAV zeigt auf: 92 von 93 Gletscher in Österreich zogen sich zurück, die Pasterze um 203,5 Meter.

Boulder-Gold Nr. 16: Janja Garnbret gewinnt Weltcup-Saisonauftakt

Was für ein Saisonauftakt: Janja Garnbret sichert sich am Boulder-Weltcup in Keqiao eine weitere Goldmedaille.
00:33:56

Bon Voyage E12 (9a): Das steckt hinter Adam Ondra’s Begehung

Mit Bon Voyage hat sich Adam Ondra die erste Wiederholung der schwierigsten Trad-Route der Welt gesichert. Jetzt gibt's das Video zum Send.

TV-Tipp: Kletterlegende Beat Kammerlander im Portrait

Heute Abend, 20:15 Uhr auf Servus TV: Bergwelten portraitiert den Vorarlberger Ausnahmekönner Beat Kammerlander.

Newsletter

Abonniere jetzt unseren Newsletter und bleibe immer auf dem laufenden.

Gletschersterben: Alpenverein misst größten Längenschwund bei Pasterze seit Messbeginn

Der jährliche Gletscherbericht des ÖAV zeigt auf: 92 von 93 Gletscher in Österreich zogen sich zurück, die Pasterze um 203,5 Meter.

Boulder-Gold Nr. 16: Janja Garnbret gewinnt Weltcup-Saisonauftakt

Was für ein Saisonauftakt: Janja Garnbret sichert sich am Boulder-Weltcup in Keqiao eine weitere Goldmedaille.
00:33:56

Bon Voyage E12 (9a): Das steckt hinter Adam Ondra’s Begehung

Mit Bon Voyage hat sich Adam Ondra die erste Wiederholung der schwierigsten Trad-Route der Welt gesichert. Jetzt gibt's das Video zum Send.