Vergangene Woche gelang Katherine Choong der Durchstieg der schwierigen Mehrseillängenroute La Ramirole (150, 8b) in der Verdonschlucht. Im Interview spricht die starke Jurasserin über ihre Vorbereitung, ihren Kampf in der Route und ihre Gefühle am Umlenker.
Katherine Choong macht seit Jahren regelmässig mit der Begehung harter Routen auf sich aufmerksam. So kletterte sie 2017 in Oliana die zwei 8c-Routen Mind Control und Fish Eye innerhalb von nur vier Tagen. Im Sommer 2018 gelang es ihr als erste Schweizerin überhaupt, mit Cabane au Canada den Grad 9a zu knacken. Ihr jüngster Husarenstreich: La Ramirole (150m, 8b) in der Verdon-Schlucht.
Katherine, herzliche Gratulation zur Begehung von La Ramirole. Kannst du die Route für alle, die sie nicht kennen, kurz charakterisieren?
La Ramirole ist eine 150 Meter lange Linie, bestehend aus fünf Seillängen (8a+, 8a, 8b, 8a, 6c+), wovon vier im achten Schwierigkeitsgrad liegen. Die Tour führt durch eine stark überhängende Wand im gleichnamigen Sektor auf der linken Seite der Verdon-Schlucht. La Ramirole zeichnet sich durch sehr physische Kletterei an Sintern und Leisten aus.
Was hat dich daran gereizt, diese Tour zu klettern?
Ich hatte vor langer Zeit ein Foto von Nina Caprez in dieser Route gesehen. Seither habe ich davon geträumt, diese Linie zu klettern. Aber die beeindruckende Wand und deren schwierige Bewertung haben mich ein wenig eingeschüchtert. Vor eineinhalb Jahren kletterte ich Ultime démence (150m, 8a+) direkt neben La Ramirole. Es war also ganz natürlich, dass ich diese Route ausprobieren wollte.
Wie hast du dich auf La Ramirole vorbereitet?
Ich habe erst vor ca drei Jahren damit begonnen, Mehrseillängenrouten zu klettern. Um La Ramirole schnell klettern zu können, musste ich mehr Erfahrungen in längeren und vor allem auch überhängenden Routen sammeln, gerade auch was die Seilhandhabung betrifft. Alles ist komplizierter, wenn du den ganzen Tag in der Luft baumelst.
Ausserdem musste unsere Seilschaft zu 100 Prozent effizient sein, damit ich mich voll und ganz auf die Route konzentrieren konnte. Mein Partner Jim Zimmermann und ich verstehen uns wirklich gut, und es ist zu einem grossen Teil auch ihm zu verdanken, dass ich diese Route geschafft habe.
Als ich dieses Jahr in Verdon ankam, fühlte ich mich nicht unbedingt in bester körperlicher Verfassung, aber ich wusste, dass ich mental bereit war, mich einer solchen Herausforderung zu stellen.
Mit welcher Strategie bist du in La Ramirole eingestiegen?
Am ersten Tag haben wir uns einfach alle Seillängen angesehen, um herauszufinden, an welcher wir am meisten arbeiten mussten. Dann haben wir statische Seile eingehängt, um einfacher an den einzelnen Seillängen arbeiten zu können.
Am fünften Tag habe ich einen ersten richtigen Versuch gestartet. Ich bin ganz oben aus der 8b rausgefallen. Ich ging runter, um es erneut zu versuch, fiel jedoch wieder ganz oben in der schwersten Seillänge. Da wir noch ein paar Tage bis zu unserer Abreise hatten, beschlossen wir, eine Pause einzulegen und es Tags darauf erneut zu versuchen. Am sechsten Tag schaffte ich es, alle Seillängen sturzfrei zu klettern.
Vier Routen im achten Grad zu schaffen, ist für mich eine Menge an einem Tag. Ich musste entsprechend alle Seillängen beim ersten Versuch des Tages schaffen. Wir starteten früh am Morgen, damit wir zwischen den einzelnen Seillängen grosszügige Pausen einlegen konnten. Da wir beide eine Rotpunktbegehung versuchten, seilte ich jedes Mal ab, um Jim im Vorstieg zu sichern. Sobald das geschafft war, stieg ich am Jumar wieder auf, um die nächste Seillänge zu klettern.
Video: Katherine Choong in Seillänge 2
Wie hat es sich für dich angefühlt, La Ramirole sturzfrei klettern zu können?
Es war unglaublich. Wir hatten seit unserer Ankunft in Verdon kaum einen Ruhetag gehabt und ich fühlte mich sehr müde. Entsprechend war ich mir nicht sicher, ob ich diese Route schaffen würde. Die erste Seillänge fühlte sich schon schwierig an. Es war stressig zu wissen, dass noch weitere schwere Längen bevorstanden. Aber der Druck war generell auf meiner Seite. Jede Seillänge war ein Kampf der Widerstandsfähigkeit.
Es war ein unglaubliches Abenteuer, das ich mit meinem Freund Jim teilen konnte. Er war auch sehr nahe am Erfolg und es war eine schöne Erfahrung, ihn ebenfalls unterstützen zu können.
Was steht bei dir als nächstes an?
Ich werde mit der Organisation ClimbAID, deren Botschafterin ich bin, in den Libanon reisen. Ich habe sie bereits 2019 besucht und freue mich darauf, alle Involvierten wiederzusehen.
Was meine Projekte anbelangt, möchte ich diesen Sommer gerne lange, schwierige Routen in der Nordwand des Titlis klettern. Ich habe auch immer noch den Plan, die Route Mollasse’son (8c+/9a) in Mollans sur Ouvèze en France zu schaffen.
Über den Fotografen
Jan Virt ist Fotograf, Kletterer und Videofilmer und lebt in Paris. Nachdem er 2018 die Nose am El Capitan bestiegen hatte und nach Frankreich gezogen war, beschloss er, die Fotografie professionell zu betreiben. Jetzt verbindet er als Vollzeitfotograf seine Liebe zum Klettern und zur Natur mit der Dokumentation von Kletterwettbewerben auf der ganzen Welt.
Klettern im Verdon ist ein ultimatives Erlebnis. Fast jede Klettertour in den Gorges du Verdon beginnt mit einer exponierten Abseilstelle, oft mit engagierter Sicherung. Oh, und habe ich schon die beeindruckenden Verdon-Geier erwähnt, die in Formationen wie Kampfjets vorbeifliegen? Oh ja, es ist ein Paradies für Kletterer.
Wir hatten schon seit einiger Zeit eine Reise nach Verdon mit Kathy geplant. Nur wenige Tage vor unserer Reise kam ich vom IFSC Climbing World Cup in Meiringen als offizieller Fotograf zurück. Endlich standen die Daten fest, und ich war so aufgeregt zu hören, dass Kathy La Ramirole klettern wollte. Eine solide Mehrseillängenroute, die in einer mythischen Höhle gleichen Namens liegt.
Was mich beim Fotografieren von Kletterern in ihrer Umgebung wirklich inspiriert, ist ihre Hingabe und ihr ewiges Feuer, das vor meiner Kamera lodert. Beim Klettern von anspruchsvollen Routen wie La Ramirole kommen das wahre Talent und die Persönlichkeit zum Vorschein. Es war ein Vergnügen, mit einer so talentierten Profi-Sportlerin wie Kathy Choong und ihrem Partner Jim zu arbeiten. Besuche www.janvirt.com um sein ganzes Portfolio zu entdecken oder Prints zu kaufen.
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Credits: Titelbild Jan Virt Photography