Vergangenes Jahr punktete er innert Wochenfrist die beiden 9a-Routen Jungfraumarathon und Inferno in Gimmelwald. Ende Februar folgte die erst fünfte Begehung von Im Reich des Shogun (9a), dem Prüfstein im Basler Jura. Zeit, den jungen Franzosen Lucien Cousin etwas besser kennenzulernen.
Eat. Sleep. Climb. Repeat. Auch wenn diese Lebensphilosophie als T-Shirt Aufdruck reichlich abgedroschen daherkommt, lassen sich Lucien Cousin’s aktuelle Lebensumstände damit ziemlich treffend zusammenfassen. Wenn der 26-Jährige nicht gerade an der ETH-Zürich promoviert, klettert er. Und dazwischen: Eat. Sleep.

Climb more, work more
Auf die Frage, wie es ihm denn gelinge, zu doktorieren und gleichzeitig so stark zu klettern, äussert er sich fast schon entschuldigend: «Es klingt etwas traurig, ich mache nur das. Ich studiere und daneben klettere ich.»
Dass seine sportliche und seine akademische Karriere so gut harmonieren, führt Lucien auf sein Team an der ETH zurück. «In meiner PhD-Gruppe sind alle super nett und auch mein Professor ist sehr hilfsbereit. Dafür bin ich sehr dankbar.» Er geniesse dies im Moment sehr, zumal ihn beides sehr begeistere. «Also ich bin voll für „climb more“, aber nicht für „work less“.»
Früh übt sich
Lucien Cousin wurde das Klettern quasi in die Wiege gelegt. Er wächst als Sohn zweier kletterbegeisterter Eltern im französischen Klettermekka Briançon auf. Mit drei ist er das erste Mal am Fels, genau kann er sich jedoch nicht mehr an seine ersten vertikalen Gehversuche erinnern.
Nach Grundschule und Gymnasium zieht es ihn fürs Studium in die französische Landeshauptstadt, später nach Zürich, wo er an der ETH in Zürich seinen PhD macht. Mit diesem geographischen Szenenwechsel haben sich auch die Klettergebiete verändert, die er in seiner Freizeit ansteuert. Statt nach Ceüse geht’s nun ins Basler Jura.
Schlechte Reibung, zu starke Gravitation
Mit Im Reich des Shogun (9a) konnte der 26-Jährige vor kurzem das Testpiece im Basler Jura schlechthin wiederholen. Seit der Erstbegehung durch Eric Talmadge im Jahr 2001 ist dies erst drei Kletterern vor ihn gelungen: Adam Ondra, Alex Megos und Philipp Geissenhoff.
«Im Reich des Shogun war ein grosser mentaler Kampf für mich», erzählt Lucien Cousin. Schon vor zwei Jahren konnte er von unten bis zur oberen Crux klettern. Aber nicht darüber hinaus. Mal sind es die falschen Schuhe, dann ist er verletzt. «Wenn man dann noch die schlechte Reibung und die zu starke Gravitation erwähnt, hat man alle klassischen Ausreden beim Sportklettern zusammen», ergänzt Lucien und lacht.
Mit der Zeit verkommt die Route zunehmend zur mentalen Herausforderung, zumal er die individuellen Züge drauf hat. «Ich habe immer wieder dumme Fehler gemacht und dadurch wuchs der Stress.» Ob er diesen am Tag des Durchstiegs effektiv überwunden hat, ist sich Lucien nicht sicher. «Es war bereits der fünfte Versuch. Vielleicht hatte ich deswegen auch keine grossen Erwartungen.»
Ein weiterer möglicher Grund für seinen Erfolg sieht er in seiner damaligen Kletterpartnerin Solveig Korherr. «Sie hat den ersten Teil der Route probiert und konnte sehr schnell alle Züge machen. Das hat mich sehr beeindruckt.»
Im Reich des Shogun ist für den gebürtigen Franzosen die sechste Route im Grad 9a. Gereizt an dieser Basler Knacknuss habe ihn die schiere Perfektion der Griffe und Bewegungsabfolgen: «Von unten sieht die Route komplett blank aus. Ist man drin, erkennt man die kleinen Griffe und winzigen Tritte und allesamt sind sie komplett natürlich.» Geködert hätten ihn auch die beiden besten Griffe der Route: Die zwei Einfingerlöcher.»
Nächstes Projekt? Streng geheim
Apropos kleine Griffe: Diese sind ihm am liebsten und mitunter ein Grund dafür, dass er dem Wettkampfklettern den Rücken gekehrt hat. «Der moderne Wettkampfstil gefällt mir nicht. Dafür klettere ich viel zu langsam und mag Crimps viel zu sehr.» Wenig verwunderlich, dass der Leisten-Liebhaber des öfteren am Voralpsee anzutreffen ist.
Nach seinem jüngsten Erfolg im Basler Jura will Lucien sich im angrenzenden Ausland eine 9a+ vornehmen. Welche es ist, darüber schweigt er sich aus. Unnötigen Druck will er sich ersparen, die vorhandenen Selbstzweifel reichten – Stichwort Impostor-Syndrom. Fest steht, dass er sein Geheimnis offenbaren wird, sobald das Prozedere von eat, sleep, climb und repeat genug oft wiederholt hat.
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Credits: Titelbild Jon Shen