Mehrere dünne Kleidungsstücke anstatt ein dickes – das Zwiebelprinzip hat sich über die Jahre etabliert. Dennoch wird es oft falsch interpretiert und umgesetzt, denn so simpel das System klingt, der Clou liegt in der optimalen Wahl von geeignetem Material. Und nicht zuletzt auch im persönlichen Körperempfinden. Damit die Schichten funktionieren, gibt es wichtige Grundsätze und einige praktische Tipps und Tricks.
Ein Beitrag von Fabian Reichle – Bächli Bergsport
Feuchtigkeit weg, Wärme speichern und Wettereinflüsse draussen halten. So das Credo für mehr Komfort am Berg, insbesondere während der kalten Jahreszeit. Diesem Grundsatz nimmt sich das Zwiebelprinzip an. Inspiriert von den etlichen Schichten der Knolle, die für Tränen in der Küche sorgt, werden beim Bergsport – und auch bei anderen Aktivitäten – idealerweise mehrere Lagen an Kleidungsstücken übereinander getragen, die allesamt eine spezifische Funktion innehaben und als Gesamtsystem miteinander harmonieren.
Die Basisschicht: Feuchtigkeitstransport nach draussen
Im anstrengenden Aufstieg kommt der Körper ins Schwitzen. Die kühlende Funktion dabei ist im Sommer hilfreich, bei kalten Temperaturen hingegen kontraproduktiv bis gefährlich. Das heisst, die Feuchtigkeit soll so effizient wie möglich von der Hautoberfläche weggeleitet werden. Hier kommt die erste Schicht der Zwiebel, die sogenannte Basisschicht zum Zug.
Passform und Material
Damit dies optimal gelingt, spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle: Passform und Material. Wichtig ist, dass die erste Schicht direkt auf der Haut liegt und somit den Schweiss aufnehmen kann. Das locker sitzende T-Shirt taugt demnach wenig.
Materialtechnisch wird es bereits etwas komplexer. Kunstfasern wie Polyester oder Polyamid eignen sich bei besonders schweisstreibenden Aktivitäten am besten, da sie selbst kaum Feuchtigkeit aufnehmen. Hingegen sorgen Naturfasern wie Merinowolle für ein hervorragendes Körperklima und sind geruchshemmend, nehmen jedoch selbst in der Regel mehr Feuchtigkeit auf und sind unter Umständen gerade für Personen, die schnell und viel schwitzen ungeeignet.
Ein weiterer Punkt bei der Basisschicht ist die Isolation. Bei sehr kalten Temperaturen respektive höherem Kälteempfinden darf das Kleidungsteil gerne dicker und mit langen Ärmeln sein.
Beispiele für die Basisschicht
Die Isolierschicht: Wärmerückhalt und Feuchtigkeitsregulierung
Die zweite Schicht hat zwei Funktionen inne. Einerseits der Weitertransport der Feuchtigkeit weg von der ersten Schicht, andererseits dient sie der Isolation von Wärme, die ebenfalls vom Körper abgestrahlt wird.
Die Atmungsaktivität steht dabei nach wie vor im Vordergrund, sie ist deshalb weder wind- noch wasserdicht. Zumindest nicht zur Gänze. Ideal sind beispielsweise Fleecejacken – sprich Bekleidung aus Polyester-Kunstfasern. Aber auch Materialien wie Daune sowie deren künstlichem Pendant Primaloft oder (Merino-)Wolle können Wärme speichern und gleichzeitig atmungsaktiv sein.
Gerade die mittlere Schicht ist äusserst witterungsabhängig, daher gibt es hier keine fixe Norm. Bei milden Temperaturen oder bei intensiver Anstrengung sollte die Isolierschicht nicht zu dick auftragen – die Daunenjacke bleibt dann besser im Rucksack. In solchen Fällen kann auch ein dünnes Langarmshirt getragen werden. Je nach körperlichem Empfinden wird man dabei selbst bei Minustemperaturen nicht frieren. Ganz im Gegenteil kann die zweite Schicht auch erweitert werden. Bei eisiger Kälte trägt man über dem Fleecepulli eine weitere Jacke, beispielsweise aus Softshell- oder Daunenmaterial.
Beispiele für die Isolierschicht
Der Wetterschutz: Nässe und Wind fernhalten
Die Atmungsaktivität der ersten beiden Schichten birgt einen logischen Nachteil – sie schützt nicht vor Wettereinflüssen. Eine nasse Isolationsschicht ist nutzlos und bissiger Wind, der durch die Textilien pfeift, ist ebenfalls unangenehm. Daher kommt die dritte und letzte Schicht des Zwiebelprinzips zum Zug: Der Wetterschutz.
Eine kleine, jedoch relevante Anmerkung gleich vorneweg. Der Name dieser Schicht impliziert bereits, dass dieses Bekleidungsstück dann getragen wird, wenn die äusseren Bedingungen garstig sind. Ansonsten droht ein Wärmestau und der Körper kann überhitzen. Moderne Wetterschutzjacken sind atmungsaktiv, kommen jedoch gerade bei Anstrengungen irgendwann an ein Limit.
Wer von Wetterschutz spricht, spricht meistens von Hardshell. Und in dieser Hinsicht kommt in vielen Fällen Gore-Tex ins Spiel. Die Marke steht sinnbildlich für wasser- und winddichte Membrane, die in den Textilien verarbeitet sind (Gore ist jedoch beileibe nicht der einzige Hersteller). Diese Membrane bestehen aus Milliarden von Poren, die um ein Vielfaches kleiner als Wassertropfen sind. Das lässt Flüssigkeit und Wind draussen und bringt Feuchtigkeit vom Körper dennoch weg. Wie erwähnt, dies jedoch in reduzierter Quantität als die ersten zwei Schichten.
Eine Wetterschutzjacke sollte überdies den Anspruch haben, abriebfest und widerstandsfähig zu sein; je nachdem, welcher Sportart nachgegangen wird. Hardshelljacken gibt es mit unterschiedlichen Membran-Lagen: Zwei, zweieinhalb oder drei sind gängig. Je mehr davon vorhanden, desto robuster wird das Material, jedoch erhöhen sich Gewicht und Packmass.
Als Wetterschutz taugt übrigens vor allem im Sommer auch eine leichte Regen- oder Windjacke. Letztere ist durch das fehlende, wasserdichte Membran deutlich atmungsaktiver als eine vollwertige, typische Hardshelljacke.
Kleiner Bonus: Die Hybridjacke ist ein Zwischending der ersten und zweiten Schicht. Wie sie funktioniert und für wen sie geeignet ist, lest ihr in unserem separaten Artikel.
Beispiele für den Wetterschutz
Das Zwiebelprinzip ist nicht in Stein gemeisselt
Die Beschreibung der einzelnen Elemente der drei Lagen lässt es bereits erahnen, ein Zwiebelprinzip ist sehr individuell. Körperbefinden und Witterung ergeben etliche Kombinationen, die eine strikte Umsetzung von Basisschicht, Isolationsschicht und Wetterschutz kaum nötig machen.
Aber genau darin liegt die Stärke des Zwibelprinzips. Der modulare Aufbau lässt ein schnelles Adaptieren von äusserlichen und befindlichen Zuständen zu. Strahlt die Sonne und bleibt es windstill? Dann bleibt der Wetterschutz vorneweg. Sinken die Temperaturen ins Bodenlose? Dann wird die zweite Schicht mit mehr Isolation ausgestattet. Regnet es an einem warmen Sommertag? Dann reicht die Regenjacke über dem Funktionsshirt – oder die Softshell bei Wind.
Das Zwiebelprinzip bedarf demnach einigen persönlichen Tests. Es ist sinnvoll, herauszufinden, welche Materialien für den eigenen Komfort am besten sind. Darüber hinaus spielen Präferenzen wie Gewicht, Packmass oder Einsatzmöglichkeiten für unterschiedliche Bergsportarten eine Rolle. Die Überlegung, wann man draussen unterwegs ist, schränkt die grosse Auswahl an Kombinationsmöglichkeiten bereits ein.
Wo das Zwiebelprinzip ebenfalls Anwendung findet
Mit den Schichten bedecken und regulieren wir unseren Oberkörper. Jedoch lässt sich das Prinzip auch auf andere Körperstellen anwenden – stets auch nach dem Grundgedanken der drei Eigenschaften Feuchtigkeitsabgabe, Wärmeisolation und Wetterschutz.
So wird beispielsweise das Skitourenglück ordentlich getrübt, wenn die Oberbekleidung zwar bestens harmoniert, jedoch unter der Hose Baumwoll-Unterwäsche getragen wird. Selbiges gilt für Socken oder Handschuhe. Gerade letztere können ebenfalls in Schichten getragen werden. Dazu haben wir einige Tipps und Tricks in einem eigenen Beitrag zusammengefasst. Und auch am Kopf kann das Zwiebelprinzip zum Zuge kommen: Eine leichte Mütze plus Kapuze ist flexibler als eine einzelne, dicke Kappe.
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Credits: Titelbild und Artikelbilder: Bächli Bergsport