Dem Expeditions-Team von Dolma Outdoor Expedition ist es nicht gelungen, dem K2 eine Winterbesteigung abzuringen. Die nepalesischen Bergsteiger um Nima Gyalzen Sherpa hatten versucht, die 28-jährige Grace Tseng auf den Gipfel des K2 zu führen. Die Taiwanesin wäre damit die erste Frau gewesen, die im Winter zuoberst auf dem zweithöchsten Gipfel der Welt steht.
„Gipfelversuch abgebrochen. Alle Bergsteigenden sind sicher zurück im Basislager. Die Expedition ist für diese Saison vorbei, wird aber im Sommer fortgesetzt.“ Dies verkündete in der Nacht auf Montag Everest Today. Der nepalesische Blog beruft sich dabei auf Aussagen des Expeditionsveranstalters.
Dem starken Team um Nima Gyalzen Sherpa war es am 23. Februar gelungen, die Route am K2 bis ins Camp 4 mit Fixseilen zu sichern. Letztlich sah das Team aufgrund der vorherrschenden Wetterverhältnisse aber keine Möglichkeit, den 8611 Meter hohen Gipfel vom Camp 3 (7300 Meter) aus zu besteigen.
Paradigmenwechsel im Winterhöhenbergsteigen
Lange Zeit war das Winterbergsteigen an den Achttausendern nur den zähesten Extrembergsteigerinnen und Extrembergsteigern vorbehalten. Zu den Koryphäen dieser Disziplin zählten und zählen beispielsweise Jerzy Kukuczka, Maciej Berbeka, Anatoli Boukreev, Simone Moro, Alex Txikon oder Denis Urubko.
Dass Veranstalter mittlerweile auch im Winter Expeditionen auf die schwierigsten 8000er anbieten, läutet eine neue Phase des kommerziellen Höhenbergsteigens ein. Die Taiwanesin Grace Tseng steht vielleicht sinnbildlich für diese Entwicklung, die der Journalist Stefan Nestler treffend als „vollbetreutes Winterbergsteigen“ betitelt hatte.
Nima Gyalzen Sherpas Agentur Dolma Outdoor Expedition ist es in den letzten drei Jahren bereits fünfmal gelungen, Stammgast Grace Tseng auf einen Achttausender zu führen (Manaslu, Everest, Lhotse, Dhaulagiri und Kangchenjunga). Das Erfolgsrezept: ein äusserst starkes und höhenerprobtes Team, ausreichend Flaschensauerstoff sowie der intensive Betreuungsschlüssel am Berg. Am Kangchenjunga beispielsweise haben vier Sherpas die Taiwanesin auf den 8586 Meter hohen Gipfel begleitet.
Die 14 Achttausender und ihre Erstbegehungen im Winter
Gipfel | Höhe | Erstbesteigung | Besteiger |
Mount Everest | 8848 Meter | 17. 2. 1980 | Leszek Cichy (Polen), Krzysztof Wielicki (Polen) |
K2 | 8611 Meter | 16.1.2021 | Nirmal Purja, Mingma David Sherpa, Mingma Tenzi Sherpa, Gelje Sherpa, Pem Chiri Sherpa, Dawa Temba Sherpa, Mingma Gyalje Sherpa, Dawa Tenjin Sherpa, Kilu Pemba Sherpa, Sona Sherpa (alle Nepal) |
Kangchenjunga | 8586 Meter | 11. 1. 1986 | Jerzy Kukuczka (Polen), Krzysztof Wielicki (Polen) |
Lhotse | 8516 Meter | 31. 12. 1988 | Krzysztof Wielicki (Polen) |
Makalu | 8485 Meter | 9. 2. 2009 | Simone Moro (Italien), Denis Urubko (Kasachstan) |
Cho Oyu | 8201 Meter | 12. 2. 1985 | Maciej Berbeka (Polen), Maciej Pawlikowski (Polen) |
Dhaulagiri | 8167 Meter | 21. 1. 1985 | Andrzej Czok (Polen), Jerzy Kukuczka (Polen) |
Manaslu | 8163 Meter | 12. 1. 1984 | Maciej Berbeka (Polen), Ryszard Gajewski (Polen) |
Nanga Parbat | 8125 Meter | 26. 2. 2016 | Simone Moro (Italien), Alex Txikon (Spanien), Ali Sadpara (Pakistan) |
Annapurna | 8091 Meter | 3. 2. 1987 | Artur Hajzer (Polen), Jerzy Kukuczka (Polen) |
Gasherbrum I | 8080 Meter | 9. 3. 2012 | Janusz Golab (Polen), Adam Bielecki (Polen) |
Broad Peak | 8051 Meter | 5. 3. 2013 | Adam Bielecki (Polen), Artur Malek (Polen), Maciej Berbeka (Polen; beim Abstieg gestorben), Tomasz Kowalski (Polen; beim Abstieg gestorben) |
Gasherbrum II | 8034 Meter | 2. 2. 2011 | Simone Moro (Italien), Cory Richards (USA), Denis Urubko (Kasachstan) |
Shishapangma | 8027 Meter | 14. 1. 2005 | Simone Moro (Italien), Piotr Morawski (Polen) |
Anspruchsvolle Wintersaison
Verschiedene Expeditionen versuchten diesen Winter, den harschen Bedingungen zu trotzen und einem der 8000er-Riesen eine Begehung abzuringen. Den Meisten machten jedoch die anhaltenden Schneefälle, die starken Höhenwinde und fehlende Schönwetterfenster einen Strich durch die Rechnung.
David Göttler, Hervé Barmasse, Mike Arnold und Qudrat Ali entschieden sich am Nanga Parbat am 23. Januar, die Expedition abzubrechen. Wenig später warfen auch Simone Moro, Iñaki Álvarez, Oswald Rodrigo Pereira und Álex Txikon im komplett eingeschneiten Basecamp am Fusse des Manaslu das Handtuch.
Der Deutsche Solo-Alpinist Jost Kobusch verweilt immer noch am Everest. Er hoffte bis vor kurzem auf ein geeignetes Wetterfenster. „Der Jet-Stream scheint zwar etwas abzunehmen, aber es herrschen immer noch hohe Windgeschwindigkeiten. Ich bin jetzt trotzdem wieder im Aufstieg“, schrieb Kobusch am 24. Februar.
Die einzige Chance, die noch bestehe, sei, dass er höher komme als das letzte Mal. Wichtig ist es dem Deutschen, am Berg keine Spuren zu hinterlassen. „Ist das Risiko zu hoch, dann ist es keine Schande, einfach wieder abzusteigen. Es wäre aber eine Schande, die Ausrüstung am Berg zu lassen. Das wäre Umweltverschmutzung.“
Jost Kobusch in einer technischen Passage auf 6400 Metern Höhe
Stimmt das Live-Tracking auf Kobuschs Website, so schaffte es der Alleingänger, nochmals auf eine Höhe von 6464 Meter aufzusteigen. Am frühen Nachmittag des 28. Februar befand er sich bereits wieder auf 5277 Metern über Meer im Abstieg Richtung Gorak Shep.
Am Montagabend folgte dann mit etwas Verzögerung die offizielle Bestätigung: „Heute habe ich entschieden, nicht weiter aufzusteigen“, so Kobusch. Unter diesen Bedingungen weiterzugehen, mache wenig Sinn. Der Wetterbericht hatte in letzter Minute nochmal höhere Geschwindigkeiten vorausgesagt, die einen Aufstieg im Alleingang mit einem zu grossem Risiko verbunden hätten.
Die Route sei und bleibe technisch, betont Kobusch: „Glaubt mir, es war auf jeden Fall spannend genug, das harte Eis unter hohen Windgeschwindigkeiten rückwärts und im Dunklen runter zu klettern.“
Letzte Chance am Cho Oyu
Ebenfalls auf ein letztes Schönwetterfenster hoffen auf der nepalesischen Seite des Cho Oyu die beiden Expeditionen von Gelje Sherpa sowie von Mingma Dorchi Sherpa. Beide Teams versuchen, auf der Südseite des Cho Oyu eine neue Route zu erschliessen, die auch für kommerzielle Expeditionen tauglich ist.
Die nepalesische Seite des Berges ist deutlich anspruchsvoller und auch stärker lawinengefährdet als die tibetische Seite, von wo aus die Expeditionen für gewöhnlich starten. Dafür wären die nepalesischen Expeditionsanbieter nicht mehr den Launen Chinas ausgesetzt, wenn es um die Vergabe der Permits geht.
Gelje Sherpa schrieb am 27. Februar nach ein paar Tagen ohne Internetverbindung, dass sich das ganze Team im Lager 2 befinde und auf ein nächstes Fenster für einen Gipfelversuch warte. „Wir alle wissen, dass es hart werden wird, aber wir wollen uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, es in diesem Winter zu versuchen“, so der Expeditionsleiter.
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Credits Titelbild: Grace Tseng