Interview: Bernd Zangerl begeht Il Colonel Sit im Valle dell’Orco

Dem Österreicher Bernd Zangerl gelingt die Erstbegehung des Boulders Il Colonel (sit) im italienischen Valle dell’Orco.

Im Jahr 2015, noch vor dem folgenschweren Unfall, kletterte Bernd Zangerl den Stehstart des Boulders Il Colonel (8a+). Die ästhetische Linie zog Bernd jedoch weiterhin in ihren Bann. Er wollte den Sitzstart des Boulders noch vollenden. Doch ein Unfall beim Bouldern machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Entgegen allen medizinischen Prognosen kämpfte sich Bernd wieder zurück an den Fels. LACRUX hat mit dem sympathischen Österreicher über sein Projekt im Valle dell’Orco und seinen Unfall gesprochen.


Interview mit dem Boulderprofi Bernd Zangerl

Wann hast du mit dem Projektieren des Sitzstartes begonnen?
Im Frühjahr 2015 hab ich im Valle dell’Orco (Italien) den wilden Highball 29Dots eröffnet. Dazwischen habe ich Il Colonel ( 8a+) wiederholt.  Die Linie war aber noch nicht vollendet sozusagen. Ich habe sofort nach „Haltepunkten“ gesucht. Der Sitzstart war offensichtlich, nur dazwischen gab es wenig zum festhalten.

Bernd bei der Erstbegehung des Highball Boulders 29Dots

Wie viele Sessions hast du in Il Colonel investiert?
Il Colonel hab ich im ersten oder zweiten Versuch gemacht. Den Sitzstart hab ich  dann in den Tagen darauf schon versucht, aber hatte nicht wirklich einen Auftrag. Es war einfach mal eine Idee. Ende 2015 war dann der Unfall, 2016 Reha, 2017 war ich nicht im Valle dell’Orco und 2018 hat es mich verregnet, weshalb ich nur ein paar Tage projektieren konnte. 2019 war ich insgesamt drei Wochen in der kleinen Gemeinde Noasca. Nach einer verregneten Woche war ich dann bei guten Bedingungen im Projekt. Insgesamt investierte ich also einige Tage.

Was fasziniert dich an der Linie?
Dieses Stück Fels ist einer der schönsten Granitblöcke die ich je geklettert habe. Es ist super, dass Niky Ceria da ein Absprungegelände gebaut hat, damit das Teil überhaupt „boulderbar“ wird. Il Colonel ist ein Diamant unter den Boulderlinien, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Linie zieht mitten durch eine stark überhängende Verschneidung. Klarer kann eine Linie nicht sein. Sie schreit richtig danach geklettert zu werden.

Die Verschneidung des Boulders Il Colonel im Valle dell’Orco. (Bild Stefan Kuerzi)

Von Anfang an haben mich die zwei harten Einzelstellen fasziniert. Für den einen „Griff“, wenn man das so nennen will, braucht es recht viel Vorstellungsvermögen und Spannung, um überhaupt Druck aufzubauen und am Ende musst du von dem Minihaltepunkt zum nächsten Griff dynamisieren.

Wie schwer ist Il Colonel an sich und wie schwer mit Sitzstart?
Sauschwer. Der Stehstart wurde von Niky Ceria glaube ich mit 8a+ bewertet. Der Sitzstart ist sauschwer und das Ganze zusammenzuhängen ebenfalls.

Die drei zusätzlichen Züge zu bewerten ist unglaublich schwer. Ganz abgesehen davon ist mir der Grad nach der langwierigen Verletzung – zuvor eigentlich auch – egal. Der Boulder gehört zu meinen absoluten Highlights. Es ist die Freue über all die Schwierigkeiten, die ich bis zur Begehung gemeistert habe, die mich erfüllt. Ich bin happy, dass mir die Linie gelungen ist und deshalb will ich nicht über den Schwierigkeitsgrad nachdenken.

„Meine Gedanken sind schon bei den nächsten Projekten.“

Bernd Zangerl

Du hast dir vor vier Jahren schwere Verletzungen beim Bouldern zugezogen. 2017 hast du mit Into the Sun die Kletterszene aufhorchen lassen. Nun begehst du Il Colonel sit. Fühlst du dich wieder 100% fit?
Ja, bin wieder 100% fit. Und da geht noch mehr. Nach dieser Begehung bin ich gerade unglaublich motiviert noch stärker zu werden und nochmals hart zu trainieren. In meinem Geiste sind noch ein paar Traumlinien gespeichert, die ich noch umsetzen möchte.

Ist wieder 100% fit. (Bild Bernd Zangerl)

In einem Interview hast du gesagt, du hättest zeitweise – und gezwungenermassen – mit dem Gedanken gespielt, in Zukunft nicht mehr zu klettern. Jetzt kletterst du wieder viel und auf hohem Niveau. Kannst du dir ein Leben ohne klettern momentan vorstellen?
Ich habe nicht mit dem Gedanken gespielt, mit dem Klettern an sich aufzuhören, sondern mit dem Spitzensport. Klettern, bouldern und in die Berge gehen wird immer ein Teil von mir bleiben. Und wenn ich nicht die schwersten Wege auf den Gipfel gehen kann, dann gibt es andere Möglichkeiten, den Gipfel zu erreichen.

No pain, no gain. (Bild Bernd Zangerl)

Wie hat dich die lange Verletzungszeit verändert?
Ich habe mich mit dem Leben und der Depression auseinandergesetzt und mich auf diese Weise noch näher kennengelernt. Erst durch solche Extremsituationen und einschneidende Erfahrungen wird der Mensch gezwungen, sich auf einer tieferen Ebene mit sich zu befassen. Dann kommen die interessanten und schwereren Aspekte des Charakters zum Vorschein, die sonst vielleicht ein Leben lang unter der Oberfläche des Menschen schlummern.

Durch diesen Unfall habe ich viel über Körper und Geist gelernt. Meine Sichtweise auf Verletzungen, Rehabilitation und Medizin hat sich sehr verändert. Ich bin in Sachen Medizin neue Wege gegangen und habe mich weitergebildet. Die Neuromedizin steckt ja sozusagen noch in den Kinderschuhen.

„Der Glaube versetzt Berge, dass möchte ich den Menschen mitgeben!“

Nachdem mir die besten Ärzte prophezeit haben, nie mehr wieder schwer bouldern zu können, bin ich nun wieder so stark wie vorher. Sogar ein bisschen stärker auf der verletzten Seite, wo ich alle Klettermuskeln verloren hatte.

Herzlichen Dank Bernd für deine inspirierenden Worte und deine Offenheit. Keep crushing!


Bernd Zangerl bei der Erstbegehung des Boulders Il Colonel sit im Valle del’Orco

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Credits: Titelbild Ray Demski/Red Bull Content Pool, übrige Bilder Stefan Kuerzi

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