So gelingt der Einstieg ins Drytooling

Drytooling ist ein hocheffektives Kraft- und Techniktraining fürs schwierige Eis- und Mixedklettern. Auch Alpinisten, die in kombiniertem, alpinem Gelände besser und sicherer unterwegs sein wollen, profitieren enorm. Immer mehr Leute betreiben Drytooling zudem als eigenständige Sportart. Dieser Artikel gibt einen kompakten Einblick in die Grundlagen dieser faszinierenden Disziplin.

Ein Beitrag von Peter von Känel â€“ präsentiert von Petzl, Bächli Bergsport und Esbit

Das lernst du in diesem Artikel

Drytooling eröffnet die Möglichkeit, anspruchsvolle Felspassagen frei klettern zu können. Bild: Peter von Känel
Drytooling in schwierigem, kombiniertem Gelände.

Der Nutzen von Drytooling

Mittels Drytooling kann man viele Felspassagen klettern, die in klassischer Freikletterei nur sehr schwer oder sogar unmöglich zu bewältigen wären. Insbesondere feine Risse, Löcher und kleine, positive Kanten bieten ideale Placements für die Spitzen der Hauen und die Frontzacken der Steigeisen.

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«Drytooling eröffnet auch im alpinen Gelände neue Möglichkeiten.»

Peter von Känel

Diese Klettertechnik eröffnet auch im alpinen Gelände neue Möglichkeiten, wie beispielsweise Silvan Schüpbach und Peter von Känel bei ihrer Begehung der Douves Blanches Nordwand im November 2022 gezeigt haben (Lacrux berichtete).

Drytooling in der Douves Blanches Nordwand.
Drytooling in der Douves Blanches Nordwand.

Drytooling als eigene Disziplin ist unabhängig von Wetter, Temperatur und Eisverhältnissen und kann das ganze Jahr betrieben werden. Es ist eine sehr vielseitige Disziplin und je nach Steilheit und Felsbeschaffenheit kommen unterschiedliche Techniken zum Tragen. Dieser Artikel stellt einige grundlegende Techniken vor.

Grundlegender Bewegungsablauf

Bezüglich Klettertechnik ist Drytooling vielfältiger als das Eisklettern. Der folgende Bewegungsablauf stellt eine solide Basis dar, auf der man seine Drytooling-Technik aufbauen und weiter verfeinern kann.

«Der Schub für die Fortbewegung kommt aus den Beinen (aufdrücken) und aus dem Rumpf (eindrehen).»

Peter von Känel

Bild A

Aus einer möglichst bequemen, stabilen Position plant man den nächsten Zug. Die Planung umfasst den nächsten Hook, sowie die Placements für die Steigeisen. Feine Risse und Löcher im Fels eignen sich besonders gut als Hooks. Den Kletterzug spielt man im Kopf schon mal durch.

Bild B

Bei unverändert tiefem Körperschwerpunkt platziert man präzise die Steigeisen. Falls das Gelände stark überhängend ist, platziert man nur dasjenige Steigeisen, welches dem haltenden Arm gegenüberliegt. Das andere Bein verwendet man zum Ausbalancieren oder zum Andrücken.

Nun löst man die Bewegung aus, indem man das Bein durchstreckt und die dem haltenden Arm gegenüberliegende Hüfte gegen die Wand eindreht. Der Schub kommt zu einem möglichst grossen Teil aus dem Bein und dem Rumpf, und der haltende Arm wird nur so wenig wie nötig angewinkelt.

Bild C

Das Eisgerät setzt man in den neuen Hook und testet diesen. Der Test umfasst die zulässigen Winkel in allen drei Freiheitsgraden, sowie die Festigkeit des Hooks. Diese testet man mit einem kurzen, kräftigen Zug. Anschliessend nimmt man wieder eine möglichst bequeme, stabile Position ein, bei welcher der obere Arm idealerweise gestreckt ist, erholt sich und plant den nächsten Zug.


Petzl Lynx – Das modulare Steigeisen

Petzl-Lynx-Steigeisen

Das Lynx ist ein modulares Steigeisen zum Eis- und Mixedklettern, welches über ein universelles Bindungssystem verfügt, das sich je nach Bedarf an alle Bergschuhe mit hinterem Sohlenrand anpassen lässt.

Die Frontzacken sind als Doppel- oder Monozacken positionierbar, lang, kurz oder asymmetrisch. Ob fürs Drytooling, grosse Eiswände oder kürzere Schneecouloirs – das Lynx kann jedem Terrain und verschiedensten Touren angepasst werden.

Das Zauberwort dabei heisst Petzl Alpen Adapt. Dieses modulare System für Eispickel und Steigeisen ermöglicht es, die verschiedenen Komponenten einfach auszutauschen und den persönlichen Bedürfnissen und Aktivitäten anzupassen.


Umgreifen am selben Eisgerät

Im Gegensatz zum Eisklettern wechselt man beim Drytooling häufig die Hand am selben Eisgerät. Dabei ergreift man mit der freien Hand den oberen Griff des bereits gesetzten Eisgeräts – man hält das Eisgerät «kurz» und gewinnt so rund 10 cm zusätzliche Höhe.

Auch beim Erholen an einem guten Hook greift man oft am gleichen Eisgerät mehrmals um, um die Arme auszuschütteln. Das Umgreifen sollte möglichst effizient und kraftsparend ablaufen. Die nachfolgend vorgestellte Methode eignet sich für die meisten Situationen am besten, aber sie braucht etwas Übung.

Das freie Eisgerät legt man jeweils auf das Daumen-Basisgelenk der haltenden Hand – siehe Bilderserie. Da man das freie Eisgerät immer hält, kann es kaum runterfallen.

  • Ausgangslage
  • Das Eisgerät aufs Daumen-Basisgelenk legen.
  • Umgreifen
  • Das Eisgerät wiederum aufs Daumen-Basisgelenk legen.
  • Weitergreifen

Daneben gibt es weitere Methoden. Oft sieht man, dass sich Kletterer das Eisgerät über die Schulter legen. Bei dieser Technik muss man ständig aufpassen, dass das Eisgerät nicht runterfällt, besonders wenn die Kletterei stark überhängend ist. Ausserdem besteht beim Bouldern ein erhöhtes Verletzungsrisiko.


Wärme in eisiger Umgebung: Thermobehälter von Esbit

Esbit-Thermobehälter

Ob noch während der Tour am Standplatz oder am Fuss der Route: Wenn der Körper nach neuer Energie verlangt, kommt eine heisse Mahlzeit genau richtig.

Perfekt, wenn man sie bereits zu Hause vorbereitet und im doppelwandigen Thermobehälter aus Edelstahl mitgenommen hat.

Die Food Jugs von Esbit halten Speisen bis zu 24 Stunden warm oder kalt, wobei letztere Eigenschaft beim Eisklettern vermutlich weniger gefragt ist.

Die breite Öffnung ermöglicht ein einfaches Befüllen und Reinigen. Der Verschluss ist absolut dicht und verfügt über einen Druckablassknopf. Der Deckel kann bei Bedarf auch als Schüssel verwendet werden.

Im Sculptor Sortiment finden sich neben Thermobehältern auch Isolierflaschen, Thermobecher und Trinkflaschen.


Weitere Tipps rund ums Drytooling

Bei sehr weiten Zügen kann man die haltende Hand an den Brustkorb drücken und so blockieren. In Kombination mit dem Eindrehen kann man beim Überkreuzen nochmals ein paar Zentimeter Reichweite gewinnen.

Auch mit dem Umgreifen auf «kurz» gewinnt man nochmals ca. 10 cm Reichweite. Der Schub für die Fortbewegung kommt aus den Beinen (aufdrücken) und aus dem Rumpf (eindrehen). Die Arme bleiben dabei möglichst gestreckt. Die Tritte wählt man idealerweise so, dass die Beine beim Erreichen des nächsten Hooks praktisch durchgestreckt sind.

Mehr Reichweite mit der Kombination aus Eindrehen, Überkreuzen und «kurz» halten des unteren Eisgeräts.
Mehr Reichweite mit der Kombination aus Eindrehen, Überkreuzen und «kurz» halten des unteren Eisgeräts.

Oft ist es am effizientesten, weite Züge von guten (ausgetesteten) Hooks aus zu machen. Durch das Anpeilen des nächsten Hooks und das Setzen der Steigeisen am gestreckten Arm versucht man, die Phase des Ziehens mit dem Oberarm möglichst kurz zu halten.

«Während der Könner den Oberarm bei Bedarf kurz, gezielt und intensiv nutzt, ist der Oberarm beim Einsteiger meist dauernd angespannt.»

Peter von Känel

Beim Klettern schwieriger Routen verbringt man oft einen grossen Teil der gesamten Kletterzeit in Ruhepositionen. Dort atmet man tief in den Bauch und hält sich jeweils immer nur mit einer Hand möglichst locker an einem Eisgerät, schüttelt den freien Arm aus und greift falls nötig mehrmals um.

Im Moment des Loskletterns wechselt man vorübergehend bewusst vom Entspannungsmodus in den Leistungsmodus: Man klettert entschlossen, präzise und zügig bis zur nächsten Ruheposition.

Sicherheit beim Drytoolen

Wie beim Eisklettern, gehören Handschuhe und Helm auch beim Drytooling zur Grundausstattung. Handschlaufen bergen eine hohe Verletzungsgefahr und sollen daher nicht verwendet werden.

In alpinen Routen, wo ein Verlust eines Eisgeräts grosse Konsequenzen hat, können die Eisgeräte mittels Leash am Anseilring des Klettergurtes befestigt werden.

«Beim Herumturnen im Drytool-Klettergarten ist die Leash störend und erhöht das Verletzungsrisiko.»

Peter von Känel
Bodensturzgefahr im Startbereich von stark überhängenden Routen.
Bodensturzgefahr im Startbereich von stark überhängenden Routen.

Ein weiterer Punkt betrifft stark überhängende Routen: Im Bereich der ersten zwei bis drei Zwischensicherungen besteht je nach Gelände das Risiko eines Bodensturzes. Der Sichernde muss in dieser Phase besonders aufmerksam sein.

Allenfalls ist es sinnvoll, die ersten Zwischensicherungen vorzuhängen. Besonders bei steilem Drytooling mit dynamischen Zügen wirken oft grosse Kräfte auf den Bewegungsapparat. Gutes Aufwärmen vor dem Klettern hilft, Verletzungen zu vermeiden.

Zum Autor

Peter von Känel, Jahrgang 1973, ist Bergführer, Aviatik-Ingenieur und leidenschaftlicher Kletterer. Nicht nur mit dem Eis- und Mixedklettern, sondern auch mit dem Faktor Mensch setzt sich Peter bereits seit vielen Jahren intensiv auseinander.

Nebst einigen aufsehenerregenden Eis- und Mixed-Erstbegehungen wie beispielsweise der Route B.A.S.E im Lauterbrunnental, hat Peter viele extrem anspruchsvolle Routen wiederholt, teilweise als Bergführer.

Mit diesen Touren, sowie in vielen Diskussionen mit versierten Kletterkollegen, hat sich Peter über die Jahre einen grossen Wissensschatz über das Eis- und Mixedklettern angeeignet. In Kursen, Coachings und mit seinem neuen Lehrbuch gibt er dieses Wissen weiter.

Peter von Känel: Bergführer, Aviatik-Ingenieur und leidenschaftlicher Kletterer.
Peter von Känel: Bergführer, Aviatik-Ingenieur und leidenschaftlicher Kletterer.

Steep Frozen: Ein praxisbezogenes Lehrbuch

Diese Eis-Serie kratzt nur an der Oberfläche dieses faszinierenden Themas. Für all diejenigen, die es genauer wissen wollen, ist Anfang November 2022 ist das Buch Steep Frozen erschienen.

Dieses praxisbezogene Lehrbuch vom Peter von Känel fasst in kompakter Form eine Fülle von nützlichem Wissen rund ums Eisklettern, Mixedklettern und Drytooling zusammen.

Abschnitte zu mentalen Aspekten und Ausrüstung runden dieses übersichtlich strukturierte Werk ab. Dank dem kompakten Format lässt sich das Buch auch als nützliches Nachschlagewerk für unterwegs verwenden.

Das Buch ist im Filidor Verlag erschienen und kostet Fr. 32.00. Weitere Informationen inklusive Leseprobe und Leserfeedbacks findest du auch auf Peter von Känel’s Website.

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Credits: Titelbild Vladek Zumr

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