Wie bindet man den Achterknoten oder Bullin fürs Klettern besser ein?

Wir möchten an dieser Stelle nicht erklären, wie man einen Achterknoten oder Bullin an sich fädelt. Viel mehr geht es um die Frage, ob man den gewählten Knoten besser von oben nach unten oder von unten nach oben einbindet. Ist die eine Variante sicherer als die andere? Chris Parker geht der Sache im heutigen Gastbeitrag auf den Grund.

Ein Gastbeitrag von Chris Parker – Content Manager bei Black Diamond

Beim Klettern ist das Einbinden fast schon ein heiliges Ritual. Das ist einfach so. Der heilige Bund all jener, die selber klettern und andere sichern, beruht ausschliesslich auf dem schlichten Akt des Einbindens, bei dem das Seil durch den Klettergurt gefädelt und mit einem speziellen Knoten versehen wird. Anders gesagt, beim Klettern hängt unser aller Leben davon ab.

Vor einigen Monaten traf Black Diamond Climbing Category Director und Ausrüstungsguru Kolin Powick (KP) völlig aufgelöst im Büro ein. Er war sichtlich besorgt, als er uns erzählte, was er am frühen Morgen in der Kletterhalle erlebt hatte.

„Ich sah einen Kletterer, der sein Seil von oben nach unten durch seinen Klettergurt gefädelt hat“, erzählte er aufgebracht. Dieser Kletterer hat also das Seil zuerst durch die obere Einbindeschlaufe des Klettergurts gefädelt.

What - Kolin Powik von Black Diamond

Zunächst wollten wir KPs Verdacht überprüfen und herausfinden, wie sich die meisten Kletterer einbinden.

Claire Buhrfeind bindet den Achterknoten von unten nach oben ein

Auf unserer Liste potentieller Interviewpartner zu diesem Thema stand unter anderem Claire Buhrfeind, U.S. National Champion in den Disziplinen Vorstieg und Speed. Natürlich weiss sie, welchen Knoten sie verwendet. Sicherlich wissen das alle Kletterer ganz genau. „Ich habe mir tatsächlich noch nie Gedanken darüber gemacht. Ich binde mich immer gleich ein“, erklärt sie. „Ich führe mein Seil von unten durch die Einbindeschlaufen. Ich glaube das ist einfach ein automatisierter Bewegungsablauf. Als mir mein Trainer den Bulinknoten gezeigt hat, habe ich es einfach so nachgemacht, wie er mir es vorgemacht hat, und habe das nie verändert. So weiss ich, dass ich keinen Fehler mache.“

Ich binde mich immer gleich ein. – Claire Buhrfeind

Auch der berühmte baskische Kletterer Patxi Usobiaga konnte keine neue Sichtweise auf KPs Fall werfen, da auch er sich stets von unten nach oben einbindet. Patxi schrieb Geschichte als erster Mensch, der eine 8c+ onsight klettern konnte. Man kann ihm also zutrauen, dass er etwas vom Einbinden versteht. Patxi, der heute keinen geringeren als Adam Ondra trainiert, gab uns eine sehr methodische Erläuterung zum Einbinden von unten nach oben: „Beim Einbinden von unten nach oben hast Du den Achterknoten flach vor Dir liegen“, erklärt er. „Ein in dieser Richtung gefädelter Achterknoten lässt sich perfekt visuell überprüfen und nachverfolgen“, so seine Argumentation.

Der Moment des Einbindens ist von grosser Bedeutung. (Bild Black Diamond)
Der Moment des Einbindens ist von grosser Bedeutung. (Bild Black Diamond)

Adam Ondra kann den Achterknoten nicht leiden

Und was meint Adam Ondra zu dem Thema? Laut seinem Coach ein treuer „von unten nach oben“-Typ. Wie bindet sich der wohl beste Kletterer der Welt ein? Kolin Powik traf Ondra bei den Weltmeisterschaften 2018 in Innsbruck und stellte ihm die entscheidende Frage: „Von unten nach oben oder von oben nach unten“? „Kommt auf den Knoten an“, antwortete dieser mit funkelnden Augen, als ob er schon vorher gewusst hatte, dass er KPs fragile Realität zerschmettern würde. „Den Bulin fädle ich von oben nach unten“, erläutert Ondra. „Den Achterknoten von unten nach oben.“ Aha! Da lag die Antwort, glänzend wie ein goldener Camalot #2, der in einem Riss in Indian Creek von der Sonne angestrahlt wird – Ondra bindet sich von beiden Seiten ein. „Aber …“, fügte er hinzu, „ich kann den Achterknoten nicht leiden, also verwende ich den nie.“

Wie soll ich nun einfädeln? Von oben nach unten oder von unten nach oben? (Bild Black Diamond)
Wie soll ich nun einfädeln? Von oben nach unten oder von unten nach oben? (Bild Black Diamond)

Kolin Powiks Empfehlung nach all den Befragungen

Wir haben uns entschlossen, den Mann zu fragen, der uns auf diese Reise geschickt hat. Nachdem KP das Black Diamond QC Lab nun schon seit über 11 Jahren leitet und den Grossteil seines Lebens technischen Entwürfen, Analysen und Zerstörungstests für Kletterausrüstung gewidmet hat, wussten wir, dass wir mindestens eine sehr fundierte Meinung erhalten würden „Von unten nach oben, immer und überall“, kommentierte unser Ausrüstungsguru. Für Kolin gibt es eindeutige Vorteile beim Einbinden von unten nach oben. Er nannte uns zwei Gründe und gab uns eine prägnante Erläuterung für das Einbinden von unten nach.

Kolin Powik empfiehlt das Einbinden von unten nach oben

„Beim Einbinden von unten nach kannst Du gut beobachten, wie Du das Seil erst durch die untere und dann durch die obere Einbindeschlaufe fädelst“, erklärte KP. „So ist es visuell leicht überprüfbar, dass Du in beide Schlaufen eingebunden bist. Wenn Du von oben nach unten fädelst, verstellt Dir Deine Hand den Blick, sodass es schwierig zu erkennen ist, ob beide Schlaufen korrekt gefädelt wurden – vor allem die untere Einbindeschlaufe (Beinschlaufe).

Die Beinschlaufe fängt die grösste Belastung bei einem Sturz auf

Aber wie wichtig ist es denn wirklich, das Seil durch beide Einbindeschlaufen zu fädeln? Wäre dies ein Argument, sich für die „von unten“-Methode zu entscheiden? „Bei unseren Labortests haben wir festgestellt, dass die Beinschlaufen zwischen 70 und 80 % der Belastung bei einem Sturz auffangen“, sagte KP. „Wenn Du also aus Versehen nur eine Einbindeschlaufe erwischst, dann wären es optimalerweise die Beinschlaufen, da sie den Grossteil der Belastung auffangen.“

Das klingt einleuchtend. Wenn Du beim Einbinden von unten anfängst, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Du mindestens die untere Einbindeschlaufe (die Beinschlaufen) erwischst, die statistisch gesehen den grösseren Teil des Fangstosses bei einem Sturz auffängt.

Achtung: Unbedingt beide Schlaufen fädeln (Bild Black Diamond)
Achtung: Unbedingt beide Schlaufen fädeln (Bild Black Diamond)

Das Argument mit den Beinschlaufen hat einen Haken

„Wenn Du Dich nur in den Einbindepunkt der Beinschlaufen einbindest, wird zwar ein Grossteil der Belastung aufgefangen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Du nach hinten überkippst und dabei aus dem Klettergurt herausfällst ist ebenfalls wesentlich höher. Daher ist es vielleicht sogar sicherer, mehr auf die obere Einbindeschlaufe zu achten. Früher haben sich die Leute einfach nur ein Seil um Beine und Hüfte geschlungen und hatten auch kein Problem damit.“

Darum hier die abschliessende Empfehlung:

Am Ende des Tages haben wir uns geeinigt: das Einbinden, ganz gleich von welcher Seite, ist der wichtigste Moment Deines gesamten Klettertags. Du darfst Dich niemals ablenken lassen. Also ganz gleich, für welche Methode Du Dich entscheidest, wenn Du stets beide Einbindeschlaufen fädelst, ist dies die „sicherste“ Methode.

„Ich habe eine Freundin, die sich beim Einbinden mit dem Gesicht ganz nah zur Kletterwand stellt“, fügte Kolin hinzu. „Das signalisiert den anderen, sie in Ruhe zu lassen und nicht mit ihr zu sprechen, weil sie gerade etwas Wichtiges tut.“

Das könnte dich auch interessieren

Expressschlingen: Karabiner entgegengesetzt oder gleich?

Credits: Text Chris Parker, Bildmaterial Black Diamond

Aktuell

Seb Berthe wiederholt Trad-Masterpiece Bon Voyage (9a)

Seb Berthe sichert sich die dritte Begehung von Bon Voyage in Annot, der vermutlich schwierigsten Trad-Route der Welt.

Elias Iagnemma klettert Burden of Dreams (9A)

Elias Iagnemma wiederholt in Lappnor Burden of Dreams und sichert sich damit die vierte Begehung des ersten 9A-Boulders der Welt.

16 Gipfel, 110 Km, 11850 Hm: Benjamin Védrines K2-Vorbereitung läuft auf Hochtouren

Benjamin Védrines realisiert innerhalb von zwei Tagen die Umrundung des Serre-Chevalier-Tals im Herzen der französischen Alpen.

Altmeister Dai Koyamada befreit das härteste Projekt seines Lebens: Yugen (8C/8C+)

8C/8C+ Boulder mit 47 Jahren: Die japanische Kletterlegende Dai Koyamada eröffnet mit Yugen neue Mega-Linie.

Newsletter

Abonniere jetzt unseren Newsletter und bleibe immer auf dem laufenden.

Seb Berthe wiederholt Trad-Masterpiece Bon Voyage (9a)

Seb Berthe sichert sich die dritte Begehung von Bon Voyage in Annot, der vermutlich schwierigsten Trad-Route der Welt.

Elias Iagnemma klettert Burden of Dreams (9A)

Elias Iagnemma wiederholt in Lappnor Burden of Dreams und sichert sich damit die vierte Begehung des ersten 9A-Boulders der Welt.

16 Gipfel, 110 Km, 11850 Hm: Benjamin Védrines K2-Vorbereitung läuft auf Hochtouren

Benjamin Védrines realisiert innerhalb von zwei Tagen die Umrundung des Serre-Chevalier-Tals im Herzen der französischen Alpen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein