Historisch: Stefano Ragazzo klettert Eternal Flame Rope-Solo

Der Italienische Alpinist und Bergführer Stefano Ragazzo schreibt Klettergeschichte: Als Erster klettert er Eternal Flame, die ikonische Linie von Kurt Albert, Wolfgang Güllich, Christoph Stiegler und Milan Sykora am Nameless Tower in Pakistan, Rope-Solo.

Eternal Flame ist eine der berühmtesten sowie auch anspruchsvollen Big-Wall-Route in grosser Höhe. Die Namen der Kletterinnen und Kletterer, die sich an diese Linie heranwagen, liest sich wie das Who is Who der Alpinisten-Szene. Vor kurzem ist Stefano Ragazzo eine historische Begehung gelungen: Während 9 Tagen hat er die 650 Meter lange Route mit Schwierigkeiten bis 7c+ Rope-Solo geklettert. Wir haben mit dem italienischen Alpinisten über dieses gewaltige Abenteuer gesprochen.

Mit der ersten Rope-Solo-Begehung von Eternal Flame (650m, 7c+) schreibt der italienische Alpinist Stefano Ragazzo Klettergeschichte. Bild: Stefano Ragazzo
Mit der ersten Rope-Solo-Begehung von Eternal Flame (650m, 7c+) schreibt der italienische Alpinist Stefano Ragazzo Klettergeschichte. Bild: Stefano Ragazzo

Stefano, Herzliche Gratulation zu diesem beeindruckenden Solo! Wie hat es sich angefühlt, als du den Gipfel erreicht hast?

Ich kniete nieder und weinte. Ich schaute auf den K2, wo Silvia war, ich vermisste sie. Ich war nicht in der Lage, viele Dinge zusammenzufügen, ich wusste, dass es etwas Grosses war, aber gleichzeitig war ich nicht in der Lage, viel darüber nachzudenken.

Was bedeutet dir diese Begehung?

Ich wurde aus klettertechnischer Perspektive nicht sonderlich talentiert geboren. Als ich jung war, brachten mich meine Eltern in den Sommerferien ans Meer. Erst nach der Highschool begann ich mit dem Klettern. Ich bin kein Vollzeit-Athlet. Um zu leben, arbeite ich als Bergführer. So habe ich meine Reisen und Expeditionen jeweils finanziert.

Die Rope-Solo-Begehung von Eternal Flame ist sicherlich das Ergebnis jahrelanger Mühen, Hingabe und Trainings, das sich ausbezahlt hat. Ich bin immer meinen Weg gegangen, manchmal war es hart, aber ich habe immer weitergemacht.

Eternal Flame Rope-Solo: Neun Tage verbringt Stefano Ragazzo alleine am Nameless Tower in Pakistan. Bild: Stefano Ragazzo
Eternal Flame Rope-Solo: Neun Tage verbringt Stefano Ragazzo alleine am Nameless Tower in Pakistan. Bild: Stefano Ragazzo

Ich will jetzt nicht aufhören, ich hoffe, dass diese Begehung nur ein weiteres Stück meines grossen Lebenspuzzles sein wird, das ich zu bauen versuche.

Stefano Ragazzo

Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, Eternal Flame Rope-Solo zu versuchen?

Meine erste Expedition in Pakistan war im Jahr 2016 zusammen mit Silvia Loreggian. Wir waren 25 Jahre jung und hatten den Kopf voller Träume und Gipfel. Während unseres Aufenthalts in El Chalten teilten wir uns die Wohnung mit einigen amerikanischen Jungs, darunter David. David ist nicht nur ein Bergsteiger, sondern auch ein Künstler. Wenn man in LA landet, kann man seine Wandmalereien an der Flughafenwand sehen.

Während der langen Schlechtwetterperioden war er immer am Malen, und wir sprachen tagelang über grosse Wände, Erkundungen usw., so dass ich ihn in den letzten Tagen bat, etwas in mein Tagebuch zu zeichnen, einen Vorschlag für Wände, die ich früher oder später hätte besuchen sollen. Er zeichnete El Capitan und den Nameless Tower.

In den letzten 3 Monaten konnte ich die Nose und Eternal Flame Rope-Solo klettern, ohne wirklich zu wissen, was da gerade passiert.

Stefano Ragazzo

Wie hast du gemerkt, dass deine Zeit reif war, Eternal Flame alleine anzugehen?

Ich habe schon seit mehreren Jahren an dieses Abenteuer gedacht, aber ich hielt es für etwas Unmögliches. In den letzten Jahren habe ich viele Dinge beiseite geschoben, um meinen Bergträumen folgen zu können: die Arbeit als Bergführer, Freundschaften und die Möglichkeit eines festen Lebens.

Manchmal gibt dir das Leben Signale und es liegt an dir, ob du sie befolgst oder nicht.

Stefano Ragazzo

Letztes Jahr habe ich angefangen, eine Expedition in Pakistan zu organisieren, um mit Silvia Loreggian, meiner Lebens- und Kletterpartnerin, einen unbestiegenen Gipfel zu besteigen. Im November wurde sie vom italienischen Alpenverein eingeladen, den K2 zum 70. Jahrestag der Erstbesteigung zu besteigen.

Also organisierte ich mich neu und plante die Expedition mit einigen Athleten von The North Face. Nachdem ich mit einem von ihnen eine lange Route im Mont Blanc Gebiet geklettert war, realisierte ich, dass ich solch eine wilde Expedition nicht mit ihnen angehen will. Innerlich weiss man, wenn das Gefühl nicht stimmt. Also stand ich wieder alleine da.

Dieses Wort „alleine“ wurde in den Wintermonaten immer präsenter und der Nameless Tower kam wie ein Zeichen wieder aus den Tiefen meines Geistes hervor.

Stefano Ragazzo
Eternal Flame am Nameless Tower in Pakistan gehört zu den schwierigsten Big-Wall-Routen in grosser Höhe. Erstbegangen wurde der Meilenstein des Alpinismus von der starken Seilschaft auf Wolfgang Güllich, Kurt Albert, Milan Sykora und Christoph Stiegler im Jahr 1989. Bild: Stefano Ragazzo
Eternal Flame am Nameless Tower in Pakistan gehört zu den schwierigsten Big-Wall-Routen in grosser Höhe. Erstbegangen wurde der Meilenstein des Alpinismus von der starken Seilschaft Wolfgang Güllich, Kurt Albert, Milan Sykora und Christoph Stiegler im Jahr 1989. Bild: Stefano Ragazzo

Gab es während deiner Begehung von Eternal Flame Momente, an denen du nicht mehr an den Erfolg glaubtest?

Ich glaube dieses Mal hat mein Kopf den grossen Unterschied gemacht. Ich habe immer versucht, im Fluss zu bleiben und nicht in negative Dinge zu verfallen. Als es an der Zeit war zu klettern, habe ich mich voll und ganz auf das Klettern konzentriert, und als es an der Zeit war, im Portaledge zu warten, habe ich gewartet. Das ist so, wie wenn man sich auf eine Seillänge im Fels konzentriert, aber das habe ich 9 Tage lang getan.

Ich war so konzentriert, dass ich, als ich den Gipfel erreichte, feststellte, dass ich nicht mehr wusste, wie viele Tage ich in der Wand gewesen war.

Stefano Ragazzo

Wann hast du realisiert, dass du den Gipfel erreichen würdest?

Erst am letzten Tag, als ich die letzten Mixed-Seillängen erreichte. Der Himmel war strahlend blau und das erste Mal habe ich nicht nur einschüchternde Wolken um mich herum gesehen.

Stefano Ragazzo während seiner Solo-Begehung von Eternal Flame am Nameless Tower. Bild: Stefano Ragazzo
Stefano Ragazzo während seiner Solo-Begehung von Eternal Flame am Nameless Tower. Bild: Stefano Ragazzo

Auf wie viele Tage in der Wand hattest du dich vorgängig eingestellt und entsprechend Verpflegung mitgenommen?

Ich hatte Essen für sechs Frühstücke und fünf Abendessen plus Energiebars, Gels usw. dabei.

Kannst du uns etwas über deinen Begehungsstil erzählen?

Am ersten Tag bin ich bis zur Sunny Terrace geklettert. Am zweiten Tag zwang mich das schlechte Wetter im Portaledge auszuharren. Am Tag drei kletterte ich die Seillängen 10, 11 und 12. Am Tag 4 die Längen 13 und 14. Am fünften Tag in der Wand schaffte ich die Längen 15 bis 19. Den sechsten Tag verbrachte ich wetterbedingt wiederum im Portaledge. Am siebten Tag kletterte ich die Seillängen 20 bis 25 und Tags darauf die 26. Länge. Am neunten Tag erreichte in den Gipfel.

Ich bin «French free» geklettert, eine klassische Technik, mit der man Routen wie the Nose am El Capitan klettert. Kurz: So frei wie möglich.

Stefano Ragazzo

Ich bin alle Mixed-Seillängen und die meisten Seillängen bis 6c+ frei geklettert. Auch die Risse um 7a/7a+ habe ich versucht, so frei wie möglich zu klettern, aber am Ende habe ich mindestens eine Pause gemacht.

Ab 7b bin ich komplett technisch geklettert, abgesehen von einigen Bewegungen in den schwierigsten Seillängen, die man zwingend frei klettern muss.

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Credits: Titelbild Stefano Ragazzo

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