Jacopo Larcher: Zwei schwere Trad-Erstbegehungen im Valle dell’Orco

Im Oktober des laufenden Jahres verbrachte Jacopo Larcher zwei Wochen im Valle dell’Orco und holte sich zwei schwierige Trad-Erstbegehungen. Bei den Linien handelt es sich um Blood Diamond und Shikantaza (aka The Tromba Project). In diesem Artikel berichtet Jacopo von seinem Trip und den beiden Routen.

Ein Bericht von Jacopo Larcher

Nach einer anstrengenden Routenbauzeit gibt es nichts Besseres als zwei Wochen im Van zu leben und in einem Granitgebiet zu klettern, dass so viele bestehende und ungekletterte Linien hat. In der zweiten Oktoberwoche fuhr ich ins Valle dell’Orco, um am La Sportiva Athlete Summit teilzunehmen, mit der Idee, nach dem Event noch einige Tage dort zu verbringen. Am Ende des Treffens verliessen alle das Tal, aber die Wettervorhersage sah zu perfekt aus, um auch aufzubrechen. Babsi und ich sind erst vor Kurzem aus Pakistan zurückgekehrt und ich freute mich ganz besonders aufs Tradklettern.

Während des Athlete Summit bekamen wir ein kleines Topo mit einigen interessanten neuen und alten Projekten, also habe ich sie mir sofort angesehen. Babsi musste nach Hause, da sie etwas zu tun hatte, also blieb ich mit Olli (unserem Hund) und kletterte meistens alleine oder mit den beiden Locals Andrea und Simone, die mich herzlich willkommen hiessen und auf deren Grundstück ich campen durfte. Ich fühlte mich wie zu Hause!

Zwei Routen – zwei komplett unterschiedliche Herausforderungen

Ich fing an, an zwei coolen, aber völlig unterschiedlichen Linien zu arbeiten. Die erste Route war ein altes Projekt von Adriano Trombetta, eine kurze und sehr „britische“ Route. Bei der zweiten Linie handelte es sich um einen steilen und eindrücklichen Riss in einem von Andrea, Simone und Marzio (Nardi) neu erschlossenen Sektor. Besonders gut hat mir gefallen, dass sich die beiden Routen komplett unterschieden und ganz andere Fähigkeiten gefragt waren.

„Die eine Route war mit einem potenziellen Bodensturz aus 10 Metern Höhe ziemlich gefährlich.“

Die eine Route war technisch gesehen nicht so schwierig, aber mit einem potenziellen Bodensturz aus 10 Metern Höhe ziemlich gefährlich. Die andere Route konnte gut abgesichert werden, war aber technisch betrachtet anspruchsvoller.

Mir gefiel, dass beide Routen einen ähnlichen Arbeitsaufwand erforderten, aber dennoch einen anderen Ansatz. Bei der einen Route musste ich die einzelnen Sequenzen gut einstudieren und mich richtig anstrengen, um die Route zu knacken, während ich bei der anderen beim Toprope-Klettern die nötige Sicherheit gewinnen musste, um einen Versuch im Vorstieg zu wagen. Und genau diese Abwechslung macht für mich den Reiz beim Tradklettern aus.

Welcher Friend kommt wann zum Zug? (Bild Federico Ravassard)
Welcher Friend kommt wann zum Zug? (Bild Federico Ravassard)

Erste freie Begehung von Blood Diamond

Nach ein paar Tagen des Putzens der Griffe, des Einstudierens der Züge und des Bestimmens der Ausrüstung war es soweit. Ich konnte die überhängende und schwierige Rissroute Blood Diamond im Sektor Diamante frei klettern. Die Absicherung der Route ist immer gut, doch das Anbringen während des Vorstiegs ist in der Schlüsselpassage nicht zu unterschätzen. Ich dene Blood Diamond ist die schwierigste Route, die ich im Valle dell’Orco geklettert bin.

„Die Bewegungen von Blood Diamond sind einfach genial. Schlechte Tritte, Lock-Offs und Kompressionskletterei zum Schluss. Ein echtes Juwel.“

Auf zur nächsten Linie

Am nächsten Tag war das andere Projekt an der Reihe. Wie ich bereits erwähnt habe, hat Adriano Trombetta die Linie vor Jahren entdeckt und hatte die Vision, sie zu klettern, ohne sie zu bohren. Adriano war ein echter Pionier in Orco (und anderen Gebieten!), etablierte viele Routen und hatte viele Projekte. 2017 verstarb er tragischerweise bei einem Lawinenunglück, aber sein Geist lebt noch immer im Tal und in den Erinnerungen seiner Freunde!

Risskletterei vom Feinsten. (Bild Federico Ravassard)
Risskletterei vom Feinsten. (Bild Federico Ravassard)

Die Route befindet sich an einem grossen Felsblock am Fusse des Sergent. Sie beginnt mit einem Sloper-Rail an einem Bug bis zu einem guten Flake, wo man einige Micro Cams platzieren kann, bevor es in die Schlüsselstelle der Route geht.

Nach ein paar Zügen erreicht man eine gute Leiste, an der ich mich entschieden habe, einen Hook als Absicherung zu legen. Das Placement sieht eigentlich ganz in Ordnung aus, doch der Griff würde im Falle eines grösseren Sturzes ziemlich sicher ausbrechen. Ich habe den Hook während des Vorstiegs mit einem Cam weiter unten verbunden, damit sich der Hook nicht bewegt.

„Ich habe den Hook während des Vorstiegs mit einem Cam weiter unten verbunden, damit sich der Hook nicht bewegt.“

Der folgende Abschnitt beinhaltet einige delikate Bewegungen an kleinen Leisten und endet mit unsicheren Zügen an einem grösseren Flake, an dem endlich wieder abgesichert werden kann, bevor es zum relativ einfachen Ausstieg der Route geht. Die Route ist nicht die härteste, wohl so im achten Franzosengrad, doch die Kombination aus wackeligen Zügen und einem potenziellen Bodensturz machen die Sache ganz schön anspruchsvoll. Mir gefiel die Form des Blocks und die Linie sehr gut, weshalb ich sie unbedingt klettern wollte.

Hommage an Adriano Trombetta

Ich hätte mir kein besseres Ende meiner Reise ins Valle dell’Orco vorstellen können! Ich hatte noch nie die Gelegenheit gehabt, Adriano zu treffen, aber die Route hier ist eine offensichtliche Hommage an ihn und seine Vision. Ich beschloss die Route „Shikantaza“ zu taufen (auch bekannt als „Das Tromba-Projekt“).

Ein grosses Dankeschön geht an Andrea und Simone von der Hütte „Le Fonti“ für die Hilfe, das Sichern, die Arbeit, vor allem aber für den herzlichen Empfang und die schöne Zeit! Ich kann es jetzt schon kaum erwarten, wieder nach Orco zu fahren. Der Ort ist so schön und es gibt so viel Potenzial für neue Linien!

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Credits: Titelbild Federico Ravassard

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