Den Schweizer Profi-Alpinisten Stephan Siegrist und Jonas Schild gelang im Oktober zusammen mit Andy Schnarf die Erstbegehung der «Kirti Nose» (4950 m.ü.M.) im indischen Bundesstaat Uttarakhand. Die 350 Meter lange Route im Schwierigkeitsgrad 7b tauften die drei Alpinisten Between two Parties.
Ein Erfahrungsbericht von Stephan Siegrist
Anfang September reisten wir in Region Garhwa in Indien. Endlich angekommen, wurde aber schnell klar, dass Bergsteigen und Klettern wohl etwas anders ausfallen würden als geplant. Der Monsun hielt dieses Jahr ungewöhnlich lange an und überraschte uns mit grossen Neuschneemengen.
Eine Felsnase wie die Nose am El Capitan
Doch es öffnete sich ein viertätiges Wetterfenster mit ausnahmsweise nur wenigen Zentimetern Neuschnee. Eine Gelegenheit für ein Alternativprojekt, welche wir uns nicht entgehen lassen wollten: Während der Wartezeit im Basislager hat eine Felswand immer wieder unsere Blicke auf sich gezogen.
Video über die Erstbegehung des Trios
Verhältnismässig gut erreichbar, südexponiert und dementsprechend schnell trocken – das ideale Ziel für das kurze Schönwetterfenster. Wir knüpften uns also den 4950 Meter hohen Gipfel am Rande des Kirti-Gletschers vor, den wir «Kirti-Nose» tauften.
Auf den ersten 150 Metern bewegten wir uns in perfekter Felsqualität – Traumhafte Risskletterei während den ersten fünf Seillängen. Während den nächsten vier Seillängen trafen wir auf teils lose Schuppen im Fels. Das machte diese Passage deutlich anspruchsvoller.
Spuren aus der Vergangenheit
Bis Mitte der 6. Seillänge begegneten wir Spuren eines Erstbegehungsversuches. Das Alter des Materials lässt vermuten, dass dieser in den 90ern oder zu Beginn der 2000er Jahre stattgefunden hat. Wer sich aber vor uns an dem Pfeiler versuchte, konnten wir nicht ausfindig machen. Nach dem alten Abseilstand war dann auch kein weiteres Material mehr zu finden.
«Wir kletterten an den Spuren der Vergangenheit vorbei und wurden dafür belohnt. Auf den letzten 120 Metern genossen wir teilweise steile Wandkletterei mit Felsqualität vom Feinsten.»
Stephan Siegrist
Wir erreichten den Gipfel kurz vor dem Eindunkeln. Nach zehn Seillängen im Schwierigkeitsgrad 7b/A3 und 350 Klettermetern standen wir nach vier Tagen auf dem höchsten Punkt des imposanten Felspfeilers. Glücklich lagen wir uns in den Armen. Dankbar dafür, dass wir trotz zermürbendem Spätmonsunwetter diesen Erfolg feiern durften.
Trotz unseres Erfolgs hat die Zeit in Indien auch einen faden Beigeschmack. Nur 24 Kilometer Luftlinie von unserem Basislager entfernt, ereignete sich ein tragisches Lawinenunglück am Mount Draupadi ka Danda II. Als Teil der Bergsportcommunity machen solche Ereignisse immer sehr betroffen. Wir möchten allen Hinterbliebenen unser herzliches Beileid aussprechen und wünschen viel Kraft und Zuversicht.
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Credits: Titelbild Christoph Detschmann und Artikelbilder Christoph Detschmann, Stephan Siegrist, Jonas Schild und Andy Schnarf