Adam Ondra äussert sich zum Thema Chippen: „Das muss aufhören.“

In einem ausführlichen Artikel äussert sich der Tscheche zum Thema Chippen. Er befasst sich auch mit dem Einsatz von Kleber, abgeschliffenen Löchern und Pinscars am El Cap. Sein Fazit: früher sei er ein Purist gewesen, heute eher ein Pragmatiker. Der Text wirft viele Fragen auf, liefert aber nicht immer Antworten. Das zeigt: Chippen pauschal als Griffmanipulation zu verurteilen, wird der Sache nicht gerecht.

Ondras Positionen sind zunächst erwartungsgemäss: Löcher in den blanken Fels bohren? Geht gar nicht. Eine Schuppe mit Kleber verstärken oder lose Felspartien abtragen? Früher habe er die Position vertreten, dass der Fels gar nicht verändert werden darf. Inzwischen habe er sich verändert: „Ich habe mich im Laufe der Jahre vom Puristen zum Pragmatiker gewandelt.“

Er sei viel herumgekommen und habe selbst einige Routen eröffnet. Für deren Schönheit und Sicherheit habe er oft aggressivere Putzarbeit am Fels geleistet. „Ohne diese Praxis gäbe es einige Gebiete nicht oder sie wären einfach nicht schön zu klettern.“

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„Ich habe mich im Laufe der Jahre vom

Puristen zum Pragmatiker gewandelt.“

Adam Ondra

Ondra spürt in seinem Text mit dem Titel „Kletterethik – Ist das Chippen von Routen richtig oder falsch?“ der feinen Linie zwischen plumpem Griffeschlagen und akzeptablem Nachbessern nach. Auch dafür, dass man in den Anfangszeiten des Kletterns noch ein anderes Bewusstsein hatte, zeigt Ondra Verständnis.

„Ich habe nichts gegen gechippte Routen aus der Vergangenheit. Sie sind Teil der Klettergeschichte und sollten nicht verändert werden. Leider werden aber noch heute Routen mit offensichtlichen Manipulationen errichtet. Sogar mit gebohrten Löchern, die für leiterartige Anstiege sorgen. Ich glaube, das ist etwas, das aufhören muss. Ich habe eine ziemlich starke Meinung dazu.“

Video: Adam Ondra beim Onsightversuch der Route Just do it bei Smith Rock
Adam Ondra beim Onsightversuch der Route Just do it am Smith Rock – eine Route mit teils gechippten Griffen. (Bild: A.O. Content Pool)

Auf der anderen Seite sei es oft der Fall, dass schlechter Fels mit Leim verstärkt werden muss, damit etwa lose Schuppen nicht abbrechen. Ondra nennt das spanische Klettergebiet Santa Linya als Beispiel: „Anstatt einfach Löcher zu bohren, verwenden wir Leim, um den choss (englisch für schlechten Fels) zu verstärken. Die Frage ist: lohnt es sich, Routen im choss mit viel Kleber zu erstellen? Ist es vielleicht besser, es einfach bleiben lassen?“

„Die Frage ist: lohnt es sich,

Routen mit viel Kleber zu erstellen?

Ist es vielleicht besser,

es einfach bleiben lassen?“

Adam Ondra

Ein Plädoyer für Restverwertung

Aus seiner Erfahrung lohne es sich. Nicht zuletzt weil er darin auch einen globalen Aspekt sieht: „Möglicherweise lohnt es sich sogar aus Umweltgründen – für einen guten Klettertag muss man nicht um die ganze Welt reisen.“

Das Plädoyer für Restverwertung vor der Haustüre ist nachvollziehbar, nur: Santa Linya liegt in Spanien und nicht in Tschechien… Ondra reist also offenbar auch um die halbe Welt, um im „choss“ zu klettern. Seine persönliche Regel sei es, so wenig Kleber wie möglich zu verwenden, schreibt er.

Adam Ondra begeht als dritter die 9b-Route Neanderthal in Santa Linya
Adam Ondra begeht als dritter die 9b-Route Neanderthal in Santa Linya. (Bild: Art of Route)

„Eine Schuppe zu sichern, die kaum ihr Eigengewicht hält, schafft für mich schon einen künstlichen Griff. Trotzdem ist es eine Menge Arbeit, neue Routen zu errichten, und wir sollten alle Jungs und Mädels begrüssen, die hart an den Felsen arbeiten und Routen errichten, mit denen wir alle Spass haben können. Andererseits ist es eine sehr schwierige ethische Frage, klare Richtlinien zu setzen, was in Ordnung ist und was nicht.“

“Sollten alle El Cap Routen als

gechipped angesehen werden?”

Adam Ondra

Zum Schluss wagt Ondra noch das Gedankenexperiment El Cap: „Sollten alle El Cap Routen als gechipped angesehen werden?“, fragt er im Hinblick darauf, dass im Yosemite fast jeder Riss Spuren des technischen Kletterns aufweist – steng genommen könnte man sogenannte „Pinscars“ als menschengemachte und somit gechippte Griffe betrachten.

Im Einzelfall entscheiden

Ondra spricht sich zwar mehrfach für oder gegen gewisse Praktiken aus, was dem Text auf den ersten Blick den Anschein einer klaren Positionierung verleiht. Bei genauerer Betrachtung ist es aber eher ein Zusammenzug altbekannter Positionen an Beispiel X,Y, Z aufgehängt, teilweise etwas sprunghaft oder gar widersprüchlich.

So etwa, als der Tscheche im ersten Teil des Textes verständnisvoll klingt, als er darlegt, dass viele Löcher in Margalef so scharf seien, dass ohne Abschleifen nicht ans Klettern zu denken wäre. Im letzten Abschnitt steht aber der Satz: „Am schlimmsten ist es, existierende Griffe zu verändern. Das ist irreversibel.“

Das zeigt, dass das Thema Chippen weitaus komplexer ist. Mit pauschalem Verurteilen von Griffmanipulation wird man der Sache nicht gerecht. Es bedarf wohl immer der Betrachtung des Einzelfalls.

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Credits: Titelbild Bernardo Gimenez

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