Die Belgier schlagen wieder zu

Das starke Kletterduo Siebe Vanhee und Sébastien Berthe ist zurück. Und mit der Rückkehr der Belgier werden Erinnerungen wach. Daran, wie sie zahlreiche Mehrseillängenklassiker in den Alpen wiederholt und abgewertet haben. Jüngst haben sie in Spanien zugeschlagen, wo sie Rayu in einem Tag frei begannen und – ihr ahnt es bereits – abgewertet haben.

Die 600-Meter-Linie Rayu ist ein Testpiece von den Gebrüdern Pou und Kico Cerdá. Die Linie im oberen achten Schwierigkeitsgrad gilt neben Orbayu (8c) am Picu Urreillu als schwierigste Linie im Nationalpark von Picos de Europa. Am 19. August haben Siebe Vanhee und Sébastien Berthe die Mehrseillängenroute kurzerhand frei geklettert, Berthe sogar geflasht. Nach ihrem erfolgreichen One-Day-Push schlagen sie eine Abwertung auf 8b+ vor.

Die erstaunliche Schlüsselseillänge von Rayu wurde von den Erstbegehern mit 8c bewertet. Wir hatten jedoch das Gefühl, dass sie etwas leichter sein könnte. Trotz unserer relativ guten Verfassung können wir nicht behaupten, dass wir in der Lage sind, eine 8c Seillänge so hoch in einer Mehrseillängenroute so schnell zu klettern.

Seb Berthe
One Day - first day: Siebe Vanhee und Seb Berthe machen mit der schwierigen Mehrseillängen-Tour Rayu in Picos de Europa kurzen Prozess. Bild: Siebe Vanhee
One Day – first day: Siebe Vanhee und Seb Berthe machen mit der schwierigen Mehrseillängen-Tour Rayu in Picos de Europa kurzen Prozess. Bild: Siebe Vanhee

Schlüsselstelle: Wer will zuerst?

Die beiden Belgier stiegen mit einem klaren Ziel in Rayu ein: Die Route in einem Tag zu punkten. Die ersten zehn Seillängen bis zum gewaltigen Vorsprung in der Mitte der Wand stimmten sie zuversichtlich. «Nichts allzu Schwieriges, aber ein gewisses Mass an Konzentration war schon erforderlich, wenn man bedenkt, dass die Erstbegeher diese Linie ohne viele Bohrhaken eröffneten», resümiert Siebe Vanhee.

Vor der Schlüsselstelle mussten Berthe und Vanhee zuerst austarieren, wer es zuerst probieren würde. Beide rechneten sich Chancen aus, die schwierigste Seillänge der Route flashen zu können.

Ich hatte das Gefühl, dass meine Chancen, die Seillänge zu flashen, geringer waren als die von Sébastien, also dachte ich mir, dass ich einen guten Onsight-Versuch machen könnte, mit der Option, zu stürzen und mir alle Züge für einen perfekten zweiten Versuch zu überlegen.

Siebe Vanhee
Dank ausgeprägtem Team-Play können sich Siebe Vanhee und Seb Berthe über ihre freie Begehung und die Flash-Begehung von Berthe freuen. Bild: Siebe Vanhee
Dank ausgeprägtem Team-Play können sich Siebe Vanhee und Seb Berthe über ihre freie Begehung und die Flash-Begehung von Berthe freuen. Bild: Siebe Vanhee

Im Team-Play zur Flash-Begehung

Nachdem Vanhee die Beta entschlüsselt und die Griffe markiert hatte, war es an Berthe, seine Chance zu nutzen. Er kämpft sich mit gepumpten Armen durch die erste und zweite Crux – die letzte Schlüsselstelle noch über ihm.

Mit hochgezogenen Ellbogen schaffe ich es, den letzten Griff zu halten, in extremis! Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch in der Wand stehe. Eine schöne Team-Flash-Begehung. Ich bin glücklich, stolz und dankbar.

Seb Berthe

Siebe Vanhee fiebert mit seinem Seilpartner mit. «Ich freute mich riesig für ihn und konnte es kaum erwarten, es auch zu versuchen.» Er sei so zuversichtlich gewesen, dass er in ruhiger und perfekter Kletterei den Umlenker erreicht habe. Zweieinhalb Stunden später erreichte das Belgische-Duo den Gipfel.

Siebe Vanhee: «Es ist aufregend, harte Mehrseillängen in einem "One-Day-first-day-Push" zu klettern. Seb ist der Meister in diesem Stil. Bild: Siebe Vanhee
Siebe Vanhee: «Es ist aufregend, harte Mehrseillängen in einem „One-Day-first-day-Push“ zu klettern. Seb ist der Meister in diesem Stil. Bild: Siebe Vanhee

Abwertung soll die Leistung der Erstbegeher nicht schmälern

Wie eingangs angetönt, schlagen die Beiden nach ihrer Eintages-Begehung den Grad 8b+ für Rayu vor. «Im Vergleich zu den letzten Sportklettereien, die ich gemacht habe, fühlte sie sich eher wie 8b+ an. Die Pausen sind zu gut und die Züge sind wahrscheinlich zu einfach, um sie zu einer richtigen 8c zu machen», so Seb Berthe.

Nichtsdestotrotz schmälert unser Abwertungsvorschlag nicht die Leistung der Pou-Brüder und von Kico Cerdá: Diese Seillänge und Route von Grund auf in diesem luftigen Stil zu eröffnen und zu klettern, ist eine erstaunliche Leistung! Voller Respekt!“

Seb Berthe

Sie seien der Ansicht, dass die Schwierigkeiten in der Crux-Sektion der Schlüsselseillänge definitiv von der Körpergrösse abhängen würde und es für grössere Menschen vermutlich einfacher sei. Die Schwierigkeit von 8b+ hat Berthe mithilfe des Darth-Grader-Algorithmus entschlüsselt, welchen er mit Informationen zu den einzelnen Abschnitten gefüttert hatte.

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Credits: Titelbild Frank Kretschmann

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