Jonas Utelli: «Lead ist mein Ding, ich liebe das Fighten und Leiden»

In Innsbruck kletterte er seinen ersten Weltcup-Final und wurde starker 7. Am Felsen tanzt er geschickt schwere Routen bis 9a+ hoch. Das war nicht immer so. Jonas Utelli litt als junger Athlet an einer Wachstumsfugenfraktur und konnte ein ganzes Jahr nicht klettern. Dank seinem Umfeld hat er die Zeit gut überstanden und daraus schöpfen können, wie er selbst sagt.

Ein Beitrag von Barbara Büschlen

Aufgewachsen in Thun, ist Jonas das Klettern schon in die Wiege gelegt worden. Er wurde in eine Kletterfamilie hineingeboren und lebte mit seiner Familie in den ersten Lebensjahren direkt neben der Kletterhalle. «Ich kenne nichts anderes als Kletterferien, hatte jedoch die Möglichkeit, verschiedene Sportarten auszuprobieren.

Als Junge war ich in einer polysportiven Leistungsgruppe und betrieb vor allem Mannschaftssportarten wie Fussball und Unihockey.» Ab 10 Jahren kletterte Jonas Utelli dann regelmässig in der Klettergruppe «Bergaffen» und mit 12 Jahren bestritt der Knirps seinen ersten Kletterwettkampf. «Spät, wie er es selbst umschreibt».  

Mit 14 Jahren war er dann bereits Mitglied der Schweizer Nachwuchsnationalmannschaft und kletterte seine erste 8a am Felsen. Welche Route es war, weiss Jonas nicht mehr. «Für mich haben die Routen am Felsen nicht den Stellenwert, wie der Wettkampf. Felsklettern bedeutet für mich Ausgleich und Spass, ist aber nicht mit den gleichen Emotionen verbunden, wie das Wettkampfklettern.»

Klettert seit seinem zehnten Lebensjahr und zählt heute zu den grossen Hoffnungsträgern des schweizer Nationalkaders. Bild: Barbara Büschlen
Klettert seit seinem zehnten Lebensjahr und zählt heute zu den grossen Hoffnungsträgern des schweizer Nationalkaders. Bild: Barbara Büschlen

Ein Jahr Kletterpause 

Während sein Trainingsaufwand in seiner noch jungen Wettkampfzeit in die Höhe schnellte, erlitt Jonas im Wintertraining 2018/2019 eine Wachstumsfugenfraktur am rechten Mittelfinger. Damals war er 15 Jahre alt.

Für mich war das eine Turnpoint-Entscheidung: Entweder ich höre auf oder ich stelle mich der Verletzung und trainiere abseits der Kletterwand weiter.  

Jonas Utelli

Hart, für einen jungen, talentierten und fokussierten Kletterer mit Ambitionen. «Auch wenn damals alles noch weit weg schien, habe ich schon damals das Ziel gehabt im Weltcup einmal vorne mitzumischen. Vor allem aber rechnete ich mir gute Chancen zu, bei den Junioren vorne mitklettern zu können».

Schon früh setzte sich Jonas Utelli das Ziel, im internationalen Wettkampfzirkus einst vorne mitmischen zu können. Bild: Lena Drapella
Schon früh setzte sich Jonas Utelli das Ziel, im internationalen Wettkampfzirkus einst vorne mitmischen zu können. Bild: Lena Drapella

Zusammen mit seinem Vater ging er regelmässig in die Natur und «putzte» Boulderblöcke. «Es tat einfach gut, etwas zu tun, das ich mit dem Klettern in Verbindung setzen konnte. Griffe durfte ich keine Halten, aber ich ging regelmässig Plattenklettern, um das Gefühl nicht zu verlieren».

Ansonsten steckte er seine Energie diszipliniert in Kraft-und Ausgleichstrainings und fieberte mit seinen Teamkollegen mit. «Die Wettkampfemotionen der anderen, halfen mir sehr, motiviert und positiv zu bleiben.» Der Glaube an ihn seitens des Trainers, des Teams und auch seiner Eltern haben ihn durchalten lassen. 

Zum Glück kam Covid…

Corona kam für Jonas Utelli gelegen. Die Wettkämpfe wurden abgesagt und er gewann damit ein Jahr dazu, um wieder fit zu werden. Schlussendlich kam er stärker denn je zurück. 

2021 wurde er an der Junioren-Europameisterschaften zweiter. Ein Jahr später holte er sich den Junioreneuropameistertitel. Damit kürte er sich zur Schweizer Nachwuchshoffnung im Klettersport. 

Olympiaticket – der Traum für 2028

Bei den letzten beiden Qualifikationswettkämpfen für Olympia, reichte es für Jonas Utelli knapp nicht. Umso mehr freute er sich über den Finaleinzug beim Lead-Weltcup in Innsbruck. «Lead ist einfach mein Ding. Ich liebe das Fighten und Leiden. Bei den Qualifikationswettkämpfen scheiterte ich klar beim Bouldern».

Mit seinen knapp 21 Jahren hat er noch Zeit. Die olympischen Spiele 2028 in Los Angeles seien definitiv ein klares Ziel. Jedoch ist er sich noch nicht sicher, ob er viel mehr ins Bouldern investieren will. «Vielleicht ändern sich ja die Regeln bis dahin noch einmal und wir können endlich in jeder einzelnen Disziplin eine Medaille holen», hofft er und schmunzelt. Jedenfalls hat er ein Vorbild, mit dem er regelmässig trainiert. «An Sascha Lehmann kann ich mich messen».

Am Lead Weltcup ins Innsbruck schaffte Jonas Utelli diesen Sommer den ersten Finaleinzug. Bild: Lena Drapella
Am Lead Weltcup ins Innsbruck schaffte Jonas Utelli diesen Sommer den ersten Finaleinzug. Bild: Lena Drapella

Auch beim Felsklettern stark unterwegs

Obwohl- oder vielleicht eben gerade deshalb, weil für Jonas das Klettern am Felsen eine andere Bedeutung hat, als der Wettkampf, räumt er regelmässig ab. Letzten Sommer hat er mit No Fear of Beer (9a+) eine Erstbegehung im Klettergarten Gimmelwald (Berner Oberland) geschafft. «Ganz nach meinem Gusto. Eine lange Route, eigentlich eine Kombination von «Oblivion» (9a) und «Schwarz Mönch» (9a).»

Er wagte sich aber auch an eine ältere und eher kürzere Linie am Grimselpass. Nämlich die Elfe (8c+), einst erstbegangen vom Schweizer Boulderpionier Fred Nicole. Für die Begehung benötigte Jonas Utelli nur einen Tag.

Ich mag am Felsen das Rotpunktklettern. Ich bin für einmal nicht dem Onsight-Druck ausgesetzt wie am Wettkampf.

Jonas Utelli

Es gibt noch einen Unterschied vom Felsen zum Plastik für Jonas. In der Natur schreit er regelmässig während seinen Durchstiegen. Am Wettkampf nur selten und bestimmt nie so laut. «Beim Wettkampf mach ich es eher mit bewusstem Atmen», lacht er. «Ich weiss auch nicht genau, warum ich da einen Unterschied mache. Aber schreien ist für mich entweder der Ausdruck von Anstrengung oder ein «Aufhipen» für mich selbst.»

Nach den Weltcups in Chamonix und Briançon reiste er direkt nach Ceüse. Aktuell geniesst er das Klettern mit Freunden in Südfrankreich. Er hat letzten Sommer seine Sport-Maturität abgeschlossen und konnte sich im Anschluss für die Spitzensport-Rekrutenschule selektionieren. Das ermöglichte es ihm, sich ganz auf das Klettern zu konzentrieren. 2025 will er dann mit einem Studium in Naturwissenschaften, Sport oder Physik starten. Die Lehre der Schwerkraft und die Hebelwirkungen dürften ihn also zukünftig nicht nur in der Wand beschäftigen. 

Neben dem Traum von Olympia wünscht sich Jonas Utelli, die Freude am Klettern nie zu verlieren. Das spielerische, unkomplizierte und gemeinsame Austauschen über Lösungen im Wettkampfsport dürfe auch in Zukunft nicht fehlen. «Klettern wurde in den letzten Jahren sehr professionalisiert, ich wünsche mir, dass trotzdem die Unbeschwertheit dieser Sportart nicht verloren geht». 

Das könnte dich interessieren

Gefällt dir unser Klettermagazin? Bei der Lancierung des Klettermagazins Lacrux haben wir entschieden, keine Bezahlschranke (Paywall) einzuführen, denn wir möchten möglichst viele Gleichgesinnte mit News aus der Kletterszene versorgen.

Um zukünftig unabhängiger von Werbeeinnahmen zu sein und um dir noch mehr und noch bessere Inhalte zu liefern, brauchen wir deine Unterstützung.

Darum: Hilf mit und unterstütze unser Magazin mit einem kleinen Beitrag. Natürlich profitierst du mehrfach. Wie? Das erfährst du hier.

+++

Credits: Titelbild Barbara Büschlen

Aktuell

«Das war die härteste Sanierung von allen»

Dani Furrer und Ruedi Bunschi haben den Salbit-Westgrat saniert. Was die Herausforderungen waren, erfährt ihr im nachfolgenden Bericht.

Berthe und Parmentier klettern Verdon-Klassiker bis zum Umfallen

Seb Berthe und Hugo Parmentier haben in der Verdonschlucht...

Steil und knallhart: Seventh Direction (8c, 220m) erstmals wiederholt

Nemuel Feurle hat Alex Luger's Testpiece Seventh Direction (8c,...

Katherine Choong klettert als erste Frau die Wendenroute Zahir (8b+, 300m)

Katherine Choong gelingt als erste Frau die Eintages-Rotpunktbegehung der...

Newsletter

Abonniere jetzt unseren Newsletter und bleibe immer auf dem laufenden.

«Das war die härteste Sanierung von allen»

Dani Furrer und Ruedi Bunschi haben den Salbit-Westgrat saniert. Was die Herausforderungen waren, erfährt ihr im nachfolgenden Bericht.

Berthe und Parmentier klettern Verdon-Klassiker bis zum Umfallen

Seb Berthe und Hugo Parmentier haben in der Verdonschlucht ein neues Mega-Link-Up angegangen. Das Ziel: Innerhalb von 24 Stunden fünf der härtesten Mehrseillängenrouten des...

Steil und knallhart: Seventh Direction (8c, 220m) erstmals wiederholt

Nemuel Feurle hat Alex Luger's Testpiece Seventh Direction (8c, 220m) in der Drusenfluh-Ostwand wiederholt. Auf Lacrux teilt der junge Vorarlberger Kletterer seine Erfahrungen mit...