Sascha Lehmann: «Ich will es an Olympia ins Finale schaffen»

Sascha Lehmann hat sich als erster Schweizer Kletterer überhaupt für die Olympischen Spiele in Paris qualifiziert. Im Interview spricht er über diesen Traum, der in Budapest wahr geworden ist, seine Ambitionen für den Mega-Event und über seine Vorbereitung in den verbleibenden Wochen.

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Sascha, an den Qualifier Events in Shanghai und Budapest hast du dir eines der begehrten letzten 12 Olympia-Tickets erkämpft. Wie fühlt sich das aus heutiger Perspektive mit etwas zeitlichem Abstand an?

Sascha Lehmann: Mittlerweile konnte ich das Erlebte doch langsam verarbeiten. Es ist unglaublich. Zu Beginn hat sich das Ganze surreal angefühlt. Ich habe lange auf dieses Ticket hingearbeitet. Damals in Tokyo hatte es nicht ganz gereicht mit der Qualifikation, das war sicher enttäuschend.

Dass es dieses Mal funktioniert und alles zusammengepasst hat, ist der Wahnsinn.

Sascha Lehmann
Die Olympia-Qualifikation ist geschafft: Sascha Lehmann freut sich in Budapest zusammen mit seinen Team-Kolleginnen und -Kollegen. Bild: Lena Drapella
Die Olympia-Qualifikation ist geschafft: Sascha Lehmann freut sich in Budapest zusammen mit seinen Team-Kolleginnen und -Kollegen. Bild: Lena Drapella

Die Olympiaqualifikation war dein übergeordnetes Saisonziel. Wie lange hast du dafür trainiert und wie unterscheidet sich die Vorbereitung darauf im Vergleich zu einer «herkömmlichen» Weltcup-Saison?

Das Ziel Olympia habe ich vor Augen seit Sportklettern olympisch ist. Darum war es für mich klar, die Teilnahme an den Olympischen Spielen auch dieses Jahr wieder als Hauptziel zu haben.

Das Training hat es insofern beeinflusst, als dass in Paris die Kombination und nicht die Einzeldisziplinen geklettert wird. Sonst hätte ich mich mehr aufs Leadklettern fokussiert und alles darauf ausgerichtet. So stand die Kombination mehr im Vordergrund und ich habe entsprechend mehr Bouldertrainings absolviert und war mehr an modernen Wettkampfbouldern unterwegs.

Natürlich hat sich auch das Timing verändert. Wir haben die intensiven Blöcke so geplant, dass die Peaks dann auf die Olympic Qualifier Series hin da waren und ich dort gut vorbereitet und erholt am Start stand.

Nach WM und europäischem Qualifier war klar, dass nur noch Shanghai und Budapest blieben, um sich zu qualifizieren. Wie bist du mit diesem Druck umgegangen?

Um sich an der Weltmeisterschaft oder am europäischen Qualifikationsevent qualifizieren zu können, hätte alles perfekt laufen müssen. Dort sind noch alle dabei gewesen und es wurden nur wenige Olympia-Tickets vergeben.

Entsprechend war es schlussendlich keine Überraschung, dass die Teilnahme in Paris auf die Olympic Qualifier Series herausgelaufen ist.

Sascha Lehmann
Konzentriert und fokussiert am zweiten Qualifikations-Event in Budapest. Bild: Lena Drapella
Konzentriert und fokussiert am zweiten Qualifikations-Event in Budapest. Bild: Lena Drapella

Wie hast du die beiden Events in Budapest und Shanghai erlebt?

Spannend war für mich, dass ich vor Shanghai relativ locker war. Ich habe mich gefreut, dabei zu sein. Ich wollte einfach sehen, wo ich stehe und Vollgas geben. Am Schluss ist es top aufgegangen und ich hatte mit dem 5. Platz eine sehr gute Ausgangslage.

In Budapest war ich anschliessend viel nervöser, da ich wusste, dass es jetzt darum geht, den Sack zuzumachen und das Ticket heimzubringen.

Ich habe aber auch gewusst, dass es machbar ist und dass die Fitness stimmt und das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.

Sascha Lehmann
Sascha Lehmann's erster Auftritt in Shanghai hat gezeigt: Die Form passt. Bild: Nakajima Kazushige/IFSC
Sascha Lehmann’s erster Auftritt in Shanghai hat gezeigt: Die Form passt. Bild: Nakajima Kazushige/IFSC

Kommt der Druck bei dir primär von dir selbst oder von aussen?

Den meisten Druck mache ich mir selbst durch die Ziele, die ich mir setze. Darum ist für mich der Fokus so wichtig. Worauf will ich mich beim Klettern fokussieren? Was habe ich mir für diesen Wettkampf vorgenommen? Mir hilft es, mich auf ein paar Punkte zu konzentrieren, z.B. gut zu atmen und technisch sauber zu klettern.

Für mich ist Nervosität aber auch etwas, das mich pusht und mir hilft, meine Bestleistung abzurufen. Druck hilft mir meistens auch, im Wettkampf alles zu geben.

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Wenn du vor deinem Auftritt in der Iso-Zone bist, bekommst du da mit, was auf der Bühne abgeht?

Ich bekomme relativ viel mit, da ich nie Kopfhörer aufhabe. Ich versuche auch meistens, die Stimmung aufzunehmen und wahrzunehmen und mit so darauf einzulassen.

Kurz nach der erfolgreichen Olympiaqualifikation hast du beim Lead-Weltcup in Innsbruck den Finaleinzug nur knapp verpasst. Hattest du dir mehr erhofft?

Ich war sicher enttäuscht gewesen nach Innsbruck. Einerseits wegen des Resultats im Vorjahr, andererseits wegen der Qualifikation, die ich auf Platz 1 beendet hatte. Dementsprechend war klar, was möglich gewesen wäre.

Nach der Goldmedaille im Vorjahr und dem Erfolg in der Olympic Qualifier Series will Sascha Lehmann ins Innsbruck hoch hinaus. Am Ende verpasst er den Finaleinzug als 9. nur knapp. Bild: Lena Drapella
Nach der Goldmedaille im Vorjahr und dem Erfolg an der Olympic Qualifier Series will Sascha Lehmann ins Innsbruck hoch hinaus. Am Ende verpasst er den Finaleinzug als 9. nur knapp. Bild: Lena Drapella

Im Halbfinale bin ich sicherlich nicht auf Top-Niveau geklettert, vielleicht sogar etwas verhalten und habe am Schluss die Ruhe verloren. Ich war schon enttäuscht, dass ich die Konstanz nicht halten konnte, regelmässig ins Finale einzuziehen.

Innsbruck war überhaupt kein schlechter Wettkampf, aber wenn man so nahe dran ist, will man natürlich immer im Finale sein.

Sascha Lehmann

An deiner Stelle hat es dein Teamkollege Jonas Utelli zum ersten Mal in ein Weltcup-Finale geschafft. Wie war das für dich?

Das war natürlich der Wahnsinn. Ich trainiere jetzt schon länger mit Jonas. Zu sehen, dass er endlich seine Stärke und sein Potenzial an die Wand bringt, ist grossartig. Im Training konnte man schon lange beobachten, wie fit er ist und was er drauf hat. Dass es jetzt geklappt hat, ist natürlich mega schön für ihn.

Ich hoffe natürlich sehr, dass wir bald einmal gemeinsam in einem Finale stehen dürfen und so fast schon historisches erreichen können.

Sascha Lehmann

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Welche Rolle spielen Weltcups in deiner Olympia-Vorbereitung?

Als letzten Wettkampf vor Paris werde ich in knapp zwei Wochen noch Chamonix machen. Dies aber mehr, weil Chamonix ein sehr cooler Wettkampf mit einer speziellen Atmosphäre ist.

Die Weltcup-Saison steht dieses Jahr – wie bei vielen anderen auch – sicher an zweiter Stelle. Paris ist der grosse Fokus. Aber schlussendlich mache ich auch einfach gerne Wettkämpfe, denn das ist es, wofür ich trainiere und Tag für Tag hinarbeite.

Sascha Lehmann: «Wettkämpfe sind das, wofür ich Tag für Tag hart hinarbeite.» Bild: Nakajima Kazushige/IFSC
Sascha Lehmann: «Wettkämpfe sind das, wofür ich Tag für Tag hart hinarbeite.» Bild: Nakajima Kazushige/IFSC

Kannst du am Beispiel von Innsbruck beschreiben, wie ihr einen Weltcup analysiert und was du daraus mitnimmst?

Wir schauen nach dem Wettkampf die Videoaufnahmen an, schauen, wie ich geklettert bin. Man macht sich Gedanken, wie sich die Route angefühlt hat, oder wie man aufgewärmt hat und wie es sich nachher beim Klettern anfühlte.

In Innsbruck hat man in der Qualifikation gesehen, dass die Fitness stimmt. Also können wir vom Training her weiterfahren und müssen nicht grundlegend was ändern. Im Halbfinale haben sich ein paar taktische Sachen herauskristallisiert, an denen wir arbeiten werden: Beispielsweise wie ich eine Route angehe oder worauf ich mich konzentrieren will.

Innsbruck hat gezeigt, dass ich mehr Mühe habe mit offenen Griffen, also wenn es eher physischer wird, als mit Ausdauerkletterei an Leisten. Entsprechend werden wir im Training einen Fokus darauf legen.

In einem Monat wirst du in Paris am Start sein. Was sind deine Ziele?

Geniessen ist sicher ein wichtiger Punkt. Ich will die Atmosphäre aufsaugen und dieses Event auch so wahrnehmen. Aber natürlich will ich auch performen, Gas geben und mein bestes zeigen.

Mein Ziel ist es, im Finale der besten Acht dabei zu sein, und dort nochmals einen Klettertag mehr zu bekommen.

Sascha Lehmann
Sascha Lehmann mit elf von insgesamt 19 Mitstreitern, die an den Olympischen Spielen in Paris antreten werden. Bild: Lena Drapella
Sascha Lehmann mit elf von insgesamt 19 Mitstreitern, die an den Olympischen Spielen in Paris antreten werden. Bild: Lena Drapella

Worauf konzentrierst du dich in den verbleibenden Wochen der Vorbereitung?

Die nächsten drei Wochen stehen nochmals im Zeichen intensiver Trainings. Es wird sicher nochmals das eine oder andere Ausdauertraining geben, z.B. 20 Züge Boulder, um die intensiven und strengen Züge am Stück zu trainieren.

Auch Bouldern wird ein wichtiger Teil bleiben. In den letzten zwei Wochen der Wettkampfvorbereitung geht es darum, qualitativ gute Trainings zu machen. Wahrscheinlich werden wir nochmals die eine oder andere Wettkampfsimulation machen, um nachher erholt und gut vorbereitet für Paris zu sein.

In Paris wirst du im grossen Rampenlicht stehen. Ruft diese Vorstellung bei dir nur gute Gefühle hervor oder schwingen auch negative, wie beispielsweise Versagensängste mit?

Es sind hauptsächlich positive Gefühle, die ich mit Olympia verbinde. Ich freue mich einfach darauf, auf dieser Bühne klettern zu dürfen und ich glaube, dass es eine wahnsinnige Atmosphäre werden wird.

Ich will einfach alles aufsaugen und in positive Energie umwandeln.

Sascha Lehmann

Natürlich ist immer auch ein kleiner Teil mit negativen Gedanken wie Versagensängsten dabei. Aber wenn man es bis hierher geschafft hat, dann hat man gezeigt, dass man einer der besten Wettkampfkletterer ist. Fehler können immer passieren, aber das gehört am Schluss auch einfach dazu.

In Paris wird Sascha Lehmann mit zwei Coaches anreisen, im Publikum werden ihn dank der geografischen Nähe aber auch Freunde und Familie anfeuern. Bild: Lena Drapella
In Paris wird Sascha Lehmann mit zwei Coaches anreisen, im Publikum werden ihn dank der geografischen Nähe zur Schweiz aber auch Freunde und Familie anfeuern. Bild: Lena Drapella

Hinter einem Profisportler wie dir steht ein ganzes Team an Menschen, welches dich unterstützt. Wer wird in Paris mit dabei sein?

An Olympia ist die Anzahl an Betreuern aufgrund der Grösse des Events eingeschränkt. Darum werden ich mit zwei Coaches anreisen. Schön ist, dass Paris so nahe ist und dadurch meine Familie mit dabei sein kann. Natürlich nicht im Olympischen Dorf, aber auf der Venue. Die Olympischen Spiele mit meiner Familie, meiner Freundin und meinen Brüdern zusammen erleben zu dürfen, ist mega schön.

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Die Berichterstattung rund um die Olympischen Spiele 2024 in Paris wird präsentiert von Mammut:

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Credits: Titelbild Lena Drapella | IFSC

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