Mit ihren zarten 21 Jahren ist die Französin Soline Kentzel eine der jüngsten Frauen, die am El Capitan im Yosemite eine Route frei klettern konnte. Zusammen mit Seilpartner Sébastien Berthe durchstieg sie in neun Tagen die 36 Seillängen von Golden Gate.
Als Alexander und Thomas Huber aka die Huberbuam Golden Gate (1000m, 8a) im Jahr 2000 als erste Seilschaft frei kletterten, erblickte Soline Kentzel gerade mal das Licht der Welt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde die Linie nicht allzu oft frei durchstiegen. Zu den Wiederholenden zählen namhafte Grössen wie Tommy Caldwell, Alex Honnold, Brad Gobright, Emily Harrington oder Roger Schäli. Seit kurzem darf sich nun auch Soline Kentzel zu diesem illustren Kreis zählen. Sie ist die sechste Frau, der dies gelingt und mit ihren 21 Jahren nach Beth Rodden eine der Jüngsten, der eine freie Begehung einer El-Cap-Route gelingt.
Rasche Fortschritte
Soline Kentzel ist Teil des Teams um Sébastien Berthe, welches im November 2021 von Europa nach Amerika segelte. Der belgische Kletterprofi, der sich jüngst mit der härtesten Mehrseillängenroute der Welt einen epischen Fight lieferte, ist für die Französin zu einer Art Mentor im Trad- und Rissklettern geworden. „Als wir vor drei Monaten im Yosemite ankamen, konnte sie kaum den Umlenker einer 5b erreichen“, schreibt Berthe zur Rotpunktbegehung von Golden Gate.
Diese Aussage ist natürlich stark überspitzt, zumal Soline Kentzel im April 2021 in Oliana China crisis (8b+) zog. Jedoch hat die junge Französin wenig Erfahrung vorzuweisen, wenn es darum geht, Routen selber abzusichern. Und diesbezüglich ist ihre Entwicklung an den Granitwänden des Yosemite Nationalparks schon sehr beeindruckend. Anfang April gelang Soline Kentzel die Tradroute Final frontier (9 Seillängen, 8a) am Fifi Buttress. Drei Wochen später doppelt sie nun mit der Wiederholung von Golden Gate (36 Seillängen, 8a) nach.
Anspruchsvolle Wetterverhältnisse
In den leichteren Seillängen bis 7a wechselten sich Soline Kentzel und Sébastien Berthe in der Führung ab. Alle Schwereren kletterten sie beide im Vorstieg. Insgesamt verbrachte das Duo neun Tage in der 1000-Meter-Wand. „Wir erlebten einige epische Schneestürme und Regenschauer, die das Überleben in der Wand zu einer echten Herausforderung machten“, erzählt Sébastien Berthe.
Diese erzwungenen Ruhetage verbrachten sie in ihrem kleinen Portaledge und versuchten, weder nass zu werden noch zu frieren. Einer ihrer Schlafsäcke sei trotz ihrer Bemühungen total steif und eisig geworden. Davon liessen sich die Beiden jedoch nicht ermutigen. „Wir konnten die Motivation hochhalten und kletterten weiter, sobald die Wand wieder trocken war“, sagt Sébastien Berthe.
„Das Mass an Hingabe, Engagement und Ausdauer, das Soline in den ganzen Prozess eingebracht hat, das Trad- und Rissklettern zu entdecken, ist enorm. Es war wirklich inspirierend, ihren Weg zu verfolgen.“
Sébastien Berthe
An den sonnigeren Klettertagen schmolz das Eis von oben und warf beeindruckende Eisbrocken auf das Kletterduo herab. Alle fünf Minuten habe ein Lotteriespiel stattgefunden. „Wir mussten mit Klettern aufhören, uns an die Wand lehnen und darauf warten, dass die Eisbrocken um uns herum herunterfielen.“
Angesichts dieser herausfordernden Bedingungen ist Sébastien Berthe besonders stolz auf seine Seilpartnerin Soline Kentzel: „Das Mass an Hingabe, Engagement und Ausdauer, das sie in den ganzen Prozess eingebracht hat, das Trad- und Rissklettern zu entdecken, ist enorm. Es war wirklich inspirierend, ihren Weg zu verfolgen.“
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Credits: Titelbild Sébastien Berthe